Ein nicht genommenes Medikament wirkt auch nicht

Es gibt eine Epidemie in den USA, die ausser Kontrolle ist und die mehr kostet und mehr Leute betrifft als jegliche Krankheit, über die die Amerikaner sich aktuell Sorgen machen.

So fängt der Artikel in der NY Times an. Und es betrifft nicht nur Amerikaner - das ist ein weltweites Problem, auch wenn es sich dabei nicht um eine Krankheit handelt, sondern „nur" darum, dass die Leute ihre Medikamente nicht richtig nehmen.

Studien in den USA zeigen, dass 20 bis 30 Prozent der verschriebenen Medikamente nicht bezogen werden und dass ungefähr 50% der Medikamente vor allem für chronische Krankheiten nicht genommen werden, wie sie verschrieben wurden. Das betrifft auch schwerwiegende Sachen: Ein Drittel der Nierentransplantierten nehmen ihre Medikamente zur Verhinderung der Organabstossung nicht, 41% der Patienten mit einer Herzattacke nehmen danach ihr Blutdruckmedikament nicht und die Hälfte der Kinder mit Asthma benutzen ihr Inhalationsgerät entweder gar nicht oder nicht regelmässig.

Und die Leute, welche die Medikamente nehmen, egal ob für eine einfache Infektion oder eine lebensbedrohliche Krankheit nehmen typischerweise nur etwa die Hälfte der Dosis ein.

In den USA folgen daraus nach Schätzungen etwa 125'000 Tote und mindestens 10% der Leute sind deswegen im Spital. Die Kosten für das Gesundheitssystem bewegen sich jährlich in Milliardenhöhe.

Wir haben in Europa genau dasselbe Problem.

Grob gesagt: Medikamente die nicht genommen werden, wirken auch nicht.

Das mag teils auch erklären, weshalb manch neues Medikament, das in Studien zur Zulassung (wo die Patienten unter Aufsicht stehen und die Einnahme kontrolliert wird) spektakulär gut gewirkt hat, nach der Zulassung und auf dem Markt nicht mehr so gut funktionieren.

Non-Adherence (oder non-Compliance) wie das nicht-richtige Einnehmen der Medikamente genannt wird ist ein grosses Problem und es gibt nicht EINE richtige Lösung dafür, da die Gründe für diese Non-Adherence sehr unterschiedlich sind:

Eltern stoppen zum Beispiel gerne die Asthma-Medikation des Kindes, weil sie „die Idee nicht mögen, dass ihr Kind auf unbestimmte Zeit ständig Medikamente nimmt". Dabei braucht ein Kind mit Asthma auch ohne offensichtliche Symptome eine Behandlung der zugrundeliegenden Entzündung des Lungengewebes. Wenn so ein Kind eine Erkältung bekommt, ist es das dann einfach 6 Wochen krank, statt nur einer.

Weitere Gründe und Aussagen, weshalb Medikamente nicht richtig genommen werden - und ich bin sicher, dass die jeder, der in einer Apotheke oder beim Arzt oder im Spital arbeitet auch schon gehört hat.

„Ich bin da Altmodisch, ich nehme nicht einfach Medikamente, wenn ich etwas habe." Das von einem Mann mit Niereninsuffizienz, Diabetes und einer Thrombose im Herz.

Auch typisch: „Ich mag Medikamente nicht."

Das Problem mag damit zusammenhängen, dass die Medikamente die Leute daran erinnern, dass sie krank sind. Wer will schon krank sein?

Die Grossmutter weigert sich die ihr für ihr Herzproblem verschriebenen Medikamente zu nehmen, aber Vitamintabletten nimmt sie, da sie glaubt, dass sie das gesund erhält. Also ... sagt ihr die Enkelin, die ihr die Tabletten abends gibt, das seien Vitamine (und nicht Betablocker). Das ist eine Lösung ... wenn auch nicht wirklich eine gute.

Viele Patienten nehmen die Medikamente nicht, da sie sie als „chemisch" ansehen, als „unnatürlich". Das Fischöl wird genommen - aber das Statin, das des Arzt gegen das hohe Cholesterin verschrieben hat - nicht. Das ist auch eine Richtung, in die die Gesellschaft heute geht: die Gewichtung geht in Richtung Diät (anders Essen) und Sport. Was ja an sich gut wäre, wenn das manche Leute nicht überzeugen würde, dass das (auch) bei ihnen ausreicht und sie die Medikamente nicht mehr nehmen müssen.

Häufig experimentieren die Leute auch selber - sie stoppen die Einnahme ihrer Medikamente für ein paar Wochen und wenn sie sich nicht schlechter fühlen, dann nehmen sie die auch nachher nicht mehr. Das Verhalten sieht man häufig bei solch „stillen" Konditionen, die einem kaum Beschwerden machen wie hohem Blutdruck, und Herzinsuffizienz.

Die Kosten der Medikamente spielen ebenfalls mit hinein: Das vielleicht mehr in den USA mit dem schlechten Versicherungssystem als bei uns. Wenn über 50 Dollar selber für das Medikament bezahlt werden müssen, sinkt die Adherenz. Oder wenn etwas sehr teuer ist, nimmt man weniger als die verschriebene Dosis, um das zu „strecken". Andererseitd fallen bei einer Kosten-Nutzen Analyse auch Statine, die eigentlich günstig sind und von denen Studien zeigen, dass sie Herzinfarkte vorbeugen unter den Tisch, weil die Leute eben nicht die möglichen Folgen des Nicht-nehmens sehen.

Oder wenn die Patienten andere über die Nebenwirkungen reden hören, werden die Medikamente eher abgesetzt.

Es gibt also viele Gründe, weshalb der Patient nicht adhärent ist. Die Verschreibung ist zu kompliziert, sie haben keine Beschwerden, sie mögen die Nebenwirkungen nicht, sie können das Medikament nicht bezahlen, oder sie denken, es sei ein Zeichen von Schwäche, dass sie Medikamente nehmen müssen.

Aber es gibt auch Lösungen für eine bessere Einnahme:

  • Man kann statt 3 Tabletten nur noch eine nehmen, in der die Wirkstoffe kombiniert sind.
  • Die Dosierung oder das Einnahmeschema kann vereinfacht werden.
  • Es gibt Hilfsmittel wie Dosette und Apps.
  • Apotheker und Ärzte sollten unsichere Patienten unterstützen und sie aufklären über die wichtigsten Nebenwirkungen.
  • Man kann die Medikamente dorthin legen, wo man sie sicher sieht und nimmt - zum Beispiel neben die Zahnbürste (Ja, auch wenn das Badezimmer nicht der beste Ort zur Aufbewahrung der Medikamente ist).
  • Der Partner kann mit einbezogen werden, damit sie richtig genommen werden.

Welche Erfahrungen habt ihr schon mit Non-Compliance / Non-Adhärenz gemacht?


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