Wenn jemand sagt, er habe Durchfall wie Wasser, ist es dann bald der Fall, dass dieses "wie Wasser" einen dekadenten Anklang findet, gleich dem Ausspruch, dass man über Geld nicht spreche, sondern es habe? Über Wasser spricht man nicht, man hat es - und wer so viel hat, es quasi sogar scheißen zu können, der schämt sich seiner Dekadenz offensichtlich nicht. Dem kommt der Luxus schier aus dem Arsch. Nobel geht die Welt zugrunde.
Im Dunst jenes Liberalismus, der sich neu nennt, der aber nur ökonomisch angewandt wird, sind stinknormale Redewendungen urplötzlich auch aus dekadenter Perspektive zu verstehen. Wer einem die Suppe versalzt: Wie kommt der an so viel Salz? Oder "zum Saufüttern": Der muss es ja haben! Noch kann man frei sagen, die Luft sei zum Atmen, was aber, wenn irgendwann ein Konzern auf die Idee kommt, dass Luft ein Rohstoff ist, der in seinen Bereich fällt? Wie in Cochabamba, wo man die Wasserversorgung privatisierte und das Konsortium Aguas de Tunari glaubte, auch das Regenwasser gehöre zum Betriebskapital, denn finge man es nicht in Fässern und Schüsseln auf, würde es im Boden versickern und Aguas de Tunari zur Verfügung stehen. Und genau das taten die Menschen in Cochabamba, sie fingen das Wasser auf, weil jenes Konsortium unter Beteiligung der Firmen Bechtel, Edison und Abengoa, den Wasserpreis schlagartig um den Faktor Drei erhöhte. Das Ende ist bekannt - oder sollte es wenigstens sein.
Dieser Liberalismus verwässert auch - und leider nicht ausschließlich - die Umgangssprache, macht sie zu einem herablassenden Duktus, zu einer hochnäsigen Sprechweise. Wenn fortan jemand etwas ausbaden muss, sollte er auch seine Wasserrechnung beglichen haben. Blut und Wasser schwitzen? Was kommt billiger? Stille Wasser sind tief? Und vermutlich nicht arm, denn tiefe Wasser muss man sich erstmal leisten. Und auf dem Schlauch zu stehen ist sodann nicht mehr Ausdruck von Begriffsstutzigkeit sondern von Sparsamkeit.
"Gehörte" der Himmel und die Wolken über Cochabamba dem Konsortium, so könnte doch der Rotz und Wasser heulende homo neoliberalis auch eine Gebühr dafür abdrücken müssen, dass ihm Wasser aus dem Körper rinnt. Wer Wasser zum Heulen hat, muss doch irgendwo auch Wasser konsumiert haben. Verbrauchssteuer auf Tränen? Wo Regenwasser Firmen gehört, kann auch ausgeschiedenes Körpersekret einer Gesellschaft gehören. Da wird es aber teuer, nah am Wasser gebaut zu haben.
Und wenn einem das Wasser bis zum Hals steht, dann ist das nur in einer Gesellschaft, in der die Grundversorgung der Menschen nicht rein betriebswirtschaftlich geregelt ist, ein Zustand von Not, die schneller Linderung bedarf. Im Neoliberalia, in der alles privatisiert ist (oder sein sollte), ist derjenige, dem das Wasser bis zum Hals geht, ein wohlhabender Mann, der es sich leisten kann, den Wasserhahn aufzudrehen, bis ihm das Nass ans Kinn geht. Wasser predigen und Wein trinken ist hier als Verkehrung zu verstehen. Hieß es vorher, dass einer Sparsamkeit und Knappheit predigte, während er üppig lebte und soff, so predigt nun einer Wohlstand, volle Wasserreservoirs für jedermann, während er sich mit einem vergleichsweise billigen Schluck zufrieden gibt.
Wasser ist ein Gut, das so präsent in der Gedankenwelt der Menschen ist, dass es sich selbst in der Sprache niederschlägt. In jeder Sprache. Wir bestehen als Menschen aus 70 oder 80 Prozent aus Wasser. Wir sind Wasser, kommen aus dem Wasser und wir bauen Wasser mannigfach in unser Reden ein. Es scheint so selbstverständlich, so standardisiert in unseren Breiten, dass wir uns ein Leben mit unbezahlbaren Wasser gar nicht (mehr) vorstellen können. Was würde sich schon ändern, wenn kein Kommunalbetrieb mehr die Wasserversorgung sicherstellte, sondern ein vielleicht multinationaler Konzern?
Der Neoliberalismus schafft Luxus. Er produziert Luxusgüter für jedermann. Bildung wird zum Luxus; eine zahnärztliche Behandlung ebenfalls. Ärztliche Versorgung ganz generell. Vielleicht sogar anständiges Essen, nach dem, was man derzeit so liest. Der Neoliberalismus will, dass wir alle im Luxus leben. Dazu ist es nötig, Luxusartikel zu schaffen. Wasser könnte so ein Artikel werden.
Und obgleich - oder weil! - er Luxus erzeugt, benimmt er sich wie eine Großmutter, die die "schlechte Zeit" noch kannte und selbst Kartoffel mit Augen noch kocht, um sie noch zu verwerten. Oder wie eine arme Bäuerin, die selbst aus runzeligen Kartoffelschalen noch Kartoffelsuppe auf Wasserbasis kocht. Solange das Wasser noch bezahlbar ist. Alles ist noch verwertbar, alles kann noch aufgebraucht werden in der Luxuswelt des Neoliberalismus. Selbst wiehernde Lasagne. Die können noch Hartz IV-Empfänger fressen. Betriebswirtschaftlich denken, Reststoffe verwerten, alles kann zu irgendwas genutzt werden. Schöner neuer Luxus.
Sprichworte im Wandel: Macht doch kein Theater! - Kultur kostet, Kultur ist Luxus. Wer vom Theater spricht, der muss es aber dicke haben. Auf dem Zahnfleisch kriechen? Sie haben wahrscheinlich einen guten Zahnarzt, wie? Sprachlich macht uns der Neoliberalismus da reicher, wo wir real ärmer werden. Er schafft begriffliche Dekadenzien, weil er realiter Knappheit entwirft. Der Luxus ist fühlbar, endlich eine Ideologie, die messbaren Luxus schafft, die auch die kleinen Dinge des Lebens mit dem Flair luxuriöser Verschwendungssucht ausstattet. Und wenn man bedenkt, dass wir bis zu 80 Prozent aus Wasser bestehen, dann ahnen wir erst, für wie wertvoll der Neoliberalismus die Menschen wohl halten muss. Wenn man sie nur ausquetschen könnte - nicht umgangssprachlich, sondern ganz dem Wortsinn nach.
Wir hatten mal die optimistische Vorstellung, dass Sanitäreinrichtungen, der freie Zugang zu Wasser, eine Option für die gesamte Menschheit sein sollte; wir glaubten, es sei keine Zauberei, Wasseraufbereitung und die dazu nötigen Mittel und Strukturen überall dort auf der Welt zu schaffen, wo es das noch nicht gibt. Man glaubte nicht, dass es einfach würde, wohl aber machbar sei. Das Rad der Geschichte, so glaubten wir hegelgeprägten Mitteleuropäer irgendwie, würde den Fortschritt anwerfen. Nicht die Industrienationen würden zurückfallen, sondern die Entwicklungsregionen dieser Erde würden aufschließen zu uns. Mit der Privatisierung des Wassers geschieht nun die Verkehrung dieses optimistischen Glaubens.
Im Dunst jenes Liberalismus, der sich neu nennt, der aber nur ökonomisch angewandt wird, sind stinknormale Redewendungen urplötzlich auch aus dekadenter Perspektive zu verstehen. Wer einem die Suppe versalzt: Wie kommt der an so viel Salz? Oder "zum Saufüttern": Der muss es ja haben! Noch kann man frei sagen, die Luft sei zum Atmen, was aber, wenn irgendwann ein Konzern auf die Idee kommt, dass Luft ein Rohstoff ist, der in seinen Bereich fällt? Wie in Cochabamba, wo man die Wasserversorgung privatisierte und das Konsortium Aguas de Tunari glaubte, auch das Regenwasser gehöre zum Betriebskapital, denn finge man es nicht in Fässern und Schüsseln auf, würde es im Boden versickern und Aguas de Tunari zur Verfügung stehen. Und genau das taten die Menschen in Cochabamba, sie fingen das Wasser auf, weil jenes Konsortium unter Beteiligung der Firmen Bechtel, Edison und Abengoa, den Wasserpreis schlagartig um den Faktor Drei erhöhte. Das Ende ist bekannt - oder sollte es wenigstens sein.
Dieser Liberalismus verwässert auch - und leider nicht ausschließlich - die Umgangssprache, macht sie zu einem herablassenden Duktus, zu einer hochnäsigen Sprechweise. Wenn fortan jemand etwas ausbaden muss, sollte er auch seine Wasserrechnung beglichen haben. Blut und Wasser schwitzen? Was kommt billiger? Stille Wasser sind tief? Und vermutlich nicht arm, denn tiefe Wasser muss man sich erstmal leisten. Und auf dem Schlauch zu stehen ist sodann nicht mehr Ausdruck von Begriffsstutzigkeit sondern von Sparsamkeit.
"Gehörte" der Himmel und die Wolken über Cochabamba dem Konsortium, so könnte doch der Rotz und Wasser heulende homo neoliberalis auch eine Gebühr dafür abdrücken müssen, dass ihm Wasser aus dem Körper rinnt. Wer Wasser zum Heulen hat, muss doch irgendwo auch Wasser konsumiert haben. Verbrauchssteuer auf Tränen? Wo Regenwasser Firmen gehört, kann auch ausgeschiedenes Körpersekret einer Gesellschaft gehören. Da wird es aber teuer, nah am Wasser gebaut zu haben.
Und wenn einem das Wasser bis zum Hals steht, dann ist das nur in einer Gesellschaft, in der die Grundversorgung der Menschen nicht rein betriebswirtschaftlich geregelt ist, ein Zustand von Not, die schneller Linderung bedarf. Im Neoliberalia, in der alles privatisiert ist (oder sein sollte), ist derjenige, dem das Wasser bis zum Hals geht, ein wohlhabender Mann, der es sich leisten kann, den Wasserhahn aufzudrehen, bis ihm das Nass ans Kinn geht. Wasser predigen und Wein trinken ist hier als Verkehrung zu verstehen. Hieß es vorher, dass einer Sparsamkeit und Knappheit predigte, während er üppig lebte und soff, so predigt nun einer Wohlstand, volle Wasserreservoirs für jedermann, während er sich mit einem vergleichsweise billigen Schluck zufrieden gibt.
Wasser ist ein Gut, das so präsent in der Gedankenwelt der Menschen ist, dass es sich selbst in der Sprache niederschlägt. In jeder Sprache. Wir bestehen als Menschen aus 70 oder 80 Prozent aus Wasser. Wir sind Wasser, kommen aus dem Wasser und wir bauen Wasser mannigfach in unser Reden ein. Es scheint so selbstverständlich, so standardisiert in unseren Breiten, dass wir uns ein Leben mit unbezahlbaren Wasser gar nicht (mehr) vorstellen können. Was würde sich schon ändern, wenn kein Kommunalbetrieb mehr die Wasserversorgung sicherstellte, sondern ein vielleicht multinationaler Konzern?
Der Neoliberalismus schafft Luxus. Er produziert Luxusgüter für jedermann. Bildung wird zum Luxus; eine zahnärztliche Behandlung ebenfalls. Ärztliche Versorgung ganz generell. Vielleicht sogar anständiges Essen, nach dem, was man derzeit so liest. Der Neoliberalismus will, dass wir alle im Luxus leben. Dazu ist es nötig, Luxusartikel zu schaffen. Wasser könnte so ein Artikel werden.
Und obgleich - oder weil! - er Luxus erzeugt, benimmt er sich wie eine Großmutter, die die "schlechte Zeit" noch kannte und selbst Kartoffel mit Augen noch kocht, um sie noch zu verwerten. Oder wie eine arme Bäuerin, die selbst aus runzeligen Kartoffelschalen noch Kartoffelsuppe auf Wasserbasis kocht. Solange das Wasser noch bezahlbar ist. Alles ist noch verwertbar, alles kann noch aufgebraucht werden in der Luxuswelt des Neoliberalismus. Selbst wiehernde Lasagne. Die können noch Hartz IV-Empfänger fressen. Betriebswirtschaftlich denken, Reststoffe verwerten, alles kann zu irgendwas genutzt werden. Schöner neuer Luxus.
Sprichworte im Wandel: Macht doch kein Theater! - Kultur kostet, Kultur ist Luxus. Wer vom Theater spricht, der muss es aber dicke haben. Auf dem Zahnfleisch kriechen? Sie haben wahrscheinlich einen guten Zahnarzt, wie? Sprachlich macht uns der Neoliberalismus da reicher, wo wir real ärmer werden. Er schafft begriffliche Dekadenzien, weil er realiter Knappheit entwirft. Der Luxus ist fühlbar, endlich eine Ideologie, die messbaren Luxus schafft, die auch die kleinen Dinge des Lebens mit dem Flair luxuriöser Verschwendungssucht ausstattet. Und wenn man bedenkt, dass wir bis zu 80 Prozent aus Wasser bestehen, dann ahnen wir erst, für wie wertvoll der Neoliberalismus die Menschen wohl halten muss. Wenn man sie nur ausquetschen könnte - nicht umgangssprachlich, sondern ganz dem Wortsinn nach.
Wir hatten mal die optimistische Vorstellung, dass Sanitäreinrichtungen, der freie Zugang zu Wasser, eine Option für die gesamte Menschheit sein sollte; wir glaubten, es sei keine Zauberei, Wasseraufbereitung und die dazu nötigen Mittel und Strukturen überall dort auf der Welt zu schaffen, wo es das noch nicht gibt. Man glaubte nicht, dass es einfach würde, wohl aber machbar sei. Das Rad der Geschichte, so glaubten wir hegelgeprägten Mitteleuropäer irgendwie, würde den Fortschritt anwerfen. Nicht die Industrienationen würden zurückfallen, sondern die Entwicklungsregionen dieser Erde würden aufschließen zu uns. Mit der Privatisierung des Wassers geschieht nun die Verkehrung dieses optimistischen Glaubens.