Michel Onfray – Wir brauchen keinen Gott
von Siegfried R. Krebs
Starke Aufregung seinerzeit im deutschen Blätterwald, denn aus Frankreich kam ein Buch von Michael Onfray zu uns, der damit bereits atheistisch denkende Menschen bestärken will, ja sie in seinem letzten Kapitel sogar auffordert, „einen militanten atheistischen Laizismus zu betreiben”. Das ist starker Tobak in bundesdeutscher Demokratie inklusive ihrer nicht vom Staat getrennten Kirche. Keine Wunder, daß das Buch selbstredend in der deutschsprachigen Presse wie in der Frankfurter Allgemeine Zeitung oder DIE ZEIT verrissen verrissen wurde als mit „zahllosen Lese-, Auslegungs- und Sachfehler(n)” behaftet, als „‘schlecht kopierte‘ Manier der materialistischen Aufklärer”, als im „Mangel an gedanklicher Substanz” stehend. Nur wundert die KritiKastoren das „breite Echo”, das dieses Buch in der französischen Öffentlichkeit tatsächlich ausgelöst hat.
Was für ein WUNDER! Da wollen breite Kreise der Franzosen doch tatsächlich ihren laizistischen Staat verteidigen. Wollen den Atheismus nicht als weitere Variante neben die anderen Religionen stellen. Wollen nicht vorherrschend eine christliche Moral übernehmen müssen. Wollen nicht dafür dankbar sein müssen, dass Atheisten dank der Religionsfreiheit in dieser Welt überhaupt noch relativ geduldet werden.
Wo doch heute kirchenkritische Vertreter kaum noch Raum finden in den öffentlichen Medien, auf Betreiben der Kirche gezielt ausgeladen, diskriminiert und behindert werden. Und die Fernsehbilder und Radiosender pausenlos vom christlich-katholischen Papst aus Deutschland sprechen, in Frankreich, in Lourdes.
Heute haben die Religionen in der BRD eine Sonderstellung vor Weltanschauungen wie dem Atheismus. Religionsberichterstattung beherrscht die Medien, die Kirche herrscht über die Armen mit dem bundesdeutsch-verordneten Diakoniesystem oder christlichen Jugendwerkdörfern oder Behindertenwerkstätten. Dabei wollen die Kirchen noch mehr, wollen gezielt „religiöse Themen VERMITTELT haben” und im Sinne jedes Missions-Unternehmens sowieso ganz christliche Medien und Schulen. Besonders aggressiv die Forderung von „Religionspädagogen nach Gleichberechtigung des Faches Religion”, denn in Ostdeutschland gibt es eine sinkende Zahl christlicher Schüler. Wäre es dabei nicht erheblich demokratischer, wenn alle Schüler ein Fach „säkulare Ethik” belegen würden und die Religionspädagogen dort unterrichten, wo sie herkommen: in Ihren jeweiligen Kirchen und Religionsgemeinschaften? Aber! In Ostdeutschland wurden mit dem Zugriff des bürgerlichen „Grundgesetzes” der BRD die Kirchen-Pfründe aus der Klamottenkiste der Weltgeschichte wieder hervorgeholt, Theologen-Köpfe aus ihrem laizistischen DDR-Schlaf erlöst und als 1989er BETON gekröpft zementiert.
Und darum braucht es wohl ein solches Buch, auch und erst recht hier. Damit Aufklärung und Philosophie in Deutschland und gerade in diesem Land Thüringen eine Zukunft haben und mit ihr die Menschen mit Vernunft und Verstand in freiem Denken. Ja, es braucht ein solches Buch mehr denn, obwohl es bereits vor fünf Jahren erschienen ist, denn es hat von seiner Aktualität kein bißchen eingebüßt.
[Erstveröffentlichung Freigeist Weimar]