Der umstrittene republikanische US-Präsidentschaftskandidat Mitt Romney zeigte ungewollt sein wahres Gesicht als menschenverachtender Heuchler. Der radikale Neo – Liberale hat sich den wohl größten Fehltritt seines Wahlkampfes geleistet, als er 47% der US-Bürger als hoffnungslos bezeichnete, die im November ohnehin für Barack Obama stimmen würden. Jene selbsterklärten “Opfer”, die Ansprüche auf staatliche Leistungen erheben und keine Einkommenssteuern zahlen würden, sind seiner Meinung nach absolut hoffnungslos.
Der zynische Multimillionär, der durch seine asoziale Firmenzerschlagungs – taktik Geld aus der Not der anderen machte und alle sozialen und bürgerrechtlichen Errungenschaften der amerikanischen Zivilisation als wirtschaftsgefährdent, kommunistisch und ungerecht ablehnt, liebt das Geld offensichtlich mehr als die Menschen. Und er fühlt sich dem Profit verpflichtet, den er aus einer entmoralisierten und entseelten radikalen Ausbeuterwirtschaft erstehen sieht. Nach dem sozial – darwinistischen Prinzip des Survievell of the fittest or biggest sind nur jene Menschen etwas wert, die Profit erwirtschaften und mehr oder weniger Einkommenssteuern zahlen. Die sogenannten working poor – das sind hart arbeitende Menschen mit oftmals mehr als nur einen Job und die trotzdem als arm gelten – gelten bei Romney als hoffnungslos; wohl genauso wie alle Arbeitslosen, Sozial Hilfe Empfänger und Kranke, die den Wohlstand und Reichtum seiner Klientel nicht erhöhen.
Sein Verhalten im Wahlkampf schadet nun der republikanischen Sache und Romneys persönliche Präsidenten Anwartschaft. Zwar käme es dem abgebrühten Politikprofi Romney natürlich nie in den Sinn, vor laufender Kamera fast die Hälfte der Wählerschaft so zu diskreditieren. Seine zynischen statements fielen bei einem Treffen mit reichen Spendern, von dem blöderweise eine heimliche Videoaufnahme im Internet landete.
Romneys Wählerschelte, die sich am Dienstag in Windes Eile im Netz verbreitete und von fast allen grossen US-Medien aufgegriffen wurde, folgt auf eine ganze Serie von Schnitzern, Fauxpengs und rhetorischen Aussetzern, die den Herausforderer im Kampf um das Weiße Haus zurückgeworfen haben. Lange hatte es nach einem Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Obama und Romney bis zum 6. November ausgesehen. Doch 50 Tage vor dem Urnengang liegt der Präsident in landesweiten Umfragen sowie in mehreren möglicherweise wahlentscheidenden Bundesstaaten (den sog. Swing states mit ihrer noch nicht entschlossenen Wechselwählerschicht) spürbar vorn.
Das eher linksgerichtete Magazin “Mother Jones” hatte mehrere Ausschnitte von Romneys pikantem Plauderstündchen online gestellt. Da sitzen Teilnehmer des Spendendinners um einen Tisch. Sie alle sind in den Aufnahmen unkenntlich gemacht. Der ach so erlesene Kreis lauscht Romney andächtig:
“Mein Job ist nicht, mich um diese Leute zu kümmern. Ich werde sie niemals überzeugen, persönlich Verantwortung zu übernehmen und für ihre Leben zu sorgen.”
Äußerst zerknirscht räumte Romney noch am Montagabend ein, dass er sich “nicht elegant” ausgedrückt habe. Was für eine Untertreibung. Er habe nur “aus dem Stegreif” auf eine Frage geantwortet, versucht Romney zu relativieren. Am Kern seiner Aussagen aber hielt der frühere Finanzinvestor und Gouverneur von Massachusetts fest.
Die heimlichen Aufnahmen spielen natürlich Obamas Wahlkampfteam in die Hände, das Romney als abgehobenen Multimillionär zu brandmarken versucht, der sich nicht um die Sorgen der Mittelschicht und Arbeitnehmerschaft schere. Obamas Wahlkampfmanager Jim Messina nannte die Äußerungen “schockierend”. Es sei schwer, den USA als Präsident zu dienen, “wenn man die Hälfte der Nation geringschätzend abgeschrieben hat”, erklärte Messina.
Nun, vorsicht mit den Abgesänge einiger US-Kommentatoren auf Romney. Diese sind noch verfrüht, denn immerhin stehen im Oktober noch drei TV-Debatten an. Und die swing states sind noch nicht gewonnen. Doch der Wahlkampf des Republikaners verläuft alles andere als… geschmeidig: Ende Juli stolperte er bei einer Reise nach Großbritannien, Israel und Polen über das internationale Parkett wie ein George W. Bush zu seinen besten Zeiten und glänzte durch Unwissenheit. Auch beim Republikaner-Parteitag Ende August konnte Romney nicht wirklich überzeugen.
Das Online-Magazin “Politico” berichtete am Sonntag, dass Romneys Wahlkampfteam zerstritten und die wichtige Parteitagsrede kurz vor Schluss noch einmal komplett umgeworfen worden sei. Das Chaos scheint perfekt. Sogar konservative Meinungsführer wie etwa das “Wall Street Journal” beklagten, der Kandidat bleibe Einzelheiten zu seinen politischen Plänen schuldig. Die Märkte sind nicht überzeugt von den Plänen, denn sie wurden noch gar nicht vorgestellt.
Romney scheint seinen eigenen Ansprüchen nicht gerecht zu werden. Er wollte ein Macher sein; ein Mann aus der Prraxis, der schnelle Entscheidungen trifft. In einer vorschnellen Erklärung hatte der Republikaner Obama Führungsschwäche vorgeworfen – doch selbst Parteifreunde tadelten Romney, er hätte angesichts der Attacken auf die US-Vertretungen in Kairo und Bengasi doch besser mitfühlende Worte wählen sollen. Für Empathie und Einigkeitsbezeugungen ist es jetzt aber wohl zu spät. Nein, nach diesen Vorfällen kann sich kaum jemand noch vorstellen, dass das Weiße Haus demnächst von einem Mitt Romney geführt wird. Gott sei Dank … oder auch nicht.
so long – humanicum