Ein Grundrecht auf billiges Personal gibt es nicht

Ein Grundrecht auf billiges Personal gibt es nicht

Die Frankfurter Allgemeine hat sich mal einen neuen Grund gegen den Mindestlohn einfallen lassen. Weil nämlich viele Selbständige nicht mal annähernd einen umgerechneten Stundenlohn von 8,50 Euro hätten, ist er irgendwie nicht gerecht. Und wovon sollen Unternehmer, die selbst so wenig in der Stunde haben, ihren Mitarbeitern Mindestlohn bezahlen? Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) unterfüttert diese Erkenntnis mit Zahlen und belegt, dass "ein großer Teil der Selbständigen [...] von der Hand in den Mund [lebt]".
Klar, an den Zahlen ist schwer zu zweifeln. Der Verfasser dieses Textes hat, wenn er es auf die investierte Arbeitszeit und das Einnahmevolumen umrechnet, nicht annähernd 8,50 Euro in der Stunde. Aber das ist kein Argument gegen einen Mindestlohn - es ist eines dafür.

Man muss den Eindruck bekommen, dass die Frankfurter Allgemeine ein sehr statisches Verständnis von Volkswirtschaft hat. Sie sieht die verschiedenen Mitspieler scheinbar als isolierte Größen an, die nichts miteinander zu tun haben. Dass die Einnahme oder der Lohn des einen, auch immer zugleich die Einnahme oder der Lohn des anderen ist, kommt ihr gar nicht in den Sinn. Dass ein gesteigertes Lohnniveau durch Mindestlohn also der gesamten Wirtschaft, auch den vielen kümmerlich verdienenden Unternehmern, eine Niveausteigerung einbringt, sucht man als These vergeblich.
Dabei läßt sich natürlich streiten, ob 8,50 Euro/Stunde hoch genug angesetzt ist, um das Niveau nach oben zu bringen. Aber grundsätzlich sind Kunden, die mehr in der Tasche haben, um die Leistung Selbständiger in Anspruch zu nehmen, keine trübe Aussicht. Es ist nicht ungerecht, wie es die F.A.Z. suggeriert. Nur so als Beispiel: Bleibt den Menschen mehr, gehen sie auch mal essen, fördern jenen Wirtschaftszweig, der ganz besonders unter dem Lohndumping der letzten Jahre litt und noch immer leidet: die Gastronomie nämlich.
Der Mindestlohn ist also fürwahr keine Einbahnstraße. Die Argumentation und dieses sich ewige Winden der konservativen Medien hingegen schon.
Ein Grundrecht des Unternehmers auf billige Arbeitskraft auch dann, wenn sich dieser Unternehmer eine personelle Expansion gar nicht leisten kann, gibt es zudem sowieso nicht. Die konservative Presse tut aber so, als sei genau das der Fall. Kein Wunder, hat doch die neoliberale Arbeitsmarktpolitik der letzten Jahre stets zum Ziel gehabt, auch erfolglosen Unternehmern Personal zum Selbstkostenpreis oder auf Allgemeinkosten zuzuschanzen. Sozial ist ja schließlich, wer Arbeit schafft. Und wenn einer billige Arbeitskraft braucht, um seine Selbständigkeit aufrechtzuerhalten, dann stand ihm die Politik nicht im Wege. Ganz im Gegenteil.
Der Mindestlohn korrigiert diese Entwicklung wenigstens ansatzweise. Er nimmt dem arroganten Anspruch auf billige Arbeitskraft in jedem finanziellen Falle die Grundlage. In Zeiten des Aufstockens und der geringfügigen Massenbeschäftigung war dieser Umstand ganz normal. Aber er ist nicht normal - er war eine Fehlentwicklung. Und die kann nur durch den Mindestlohn repariert werden. Wenn es dann Unternehmer gibt, die sich Personal nicht mehr leisten können, ist das nicht etwa eine Tragödie, sondern lediglich die Richtigstellung eines Missstandes. Wer Angestellte nicht angemessen bezahlen kann, der muss auch keine haben.
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