Ein Gesicht für Hashima

Wolf Helzle hat eine Vision: "Ich wünsche mir, dass wir uns eine Welt bauen, in der sich jeder mag. Dann entsteht automatisch eine Welt, in der sich alle wohlfühlen." Klingt eigentlich einfach, die Realität sieht oft anders aus: "Im Allgemeinen mögen wir uns eher nicht so sehr. Viele fragen sich: bin ich schön genug?", beobachtet Wolf Helzle bei seinen Fotoprojekten immer wieder.
40 000 Menschen hat der Münsinger Medienkünstler in den vergangenen Jahren rund um den Erdball fotografiert, vor einigen Tagen kam er von seiner zweiten Japanreise zurück: auf Einladung des Instituts for Advanced Media Art and Sciences hat er der Stadt Hashima mit 551 Einzelportraits und einem Multiportrait "ein Gesicht gegeben". Die Portraits waren eingebunden ins MEDIEN KUNST STÜCK "...und ich bin ein Teil", das zum Hashima-Festival 2014 uraufgeführt wurde. "Die einzelnen Portraits wurden mit einem Realtime Morphing auf eine 16 Meter große Leinwand an die Fassade des Rathauses gebeamt. Das letzte Bild war dann das Kollektivportrait 'Face of Hashima'. Begleitet wurde die Präsentation von einer japanischen Trommelgruppe", erzählt Wolf Helzle. "Das Morphing lief die ganze Nacht weiter. Die Leute haben sich davor gesetzt und waren ganz berührt von der Arbeit, fragten, ob die Bilder künftig öffentlich zugänglich sind." Social Media Art nennt Helzle seine Projekte: "Meine Arbeit zielt darauf ab, die Menschen ins Kunstwerk mit einzubeziehen. Vor allem die Multiportraits habe ich entwickelt, um den Menschen in seiner natürlichen Schönheit zu zeigen. Gleichzeitig kann sich eine ganze Stadt ins Gesicht schauen und wir erleben unsere Individualität in etwas Größeres eingebettet. Man kann über das Individuelle rauswachsen", so der Künstler. Das Setting ist immer gleich: vor einem schwarzen Hintergrund entstehen Einzelportraits, die später mit einer speziellen Software zu einem einzigen Gesicht "verschmolzen" werden (unsere Kunstsammlung G:sichtet "humaNature" zeigt beispielsweise den Homo schaparuikenellsis aus Ostfildern). "Als ich zum ersten Mal in Japan fotografiert habe, konnte ich die Menschen zuerst nicht auseinander halten, es waren alles Japaner. Wir sind da viel mehr multikulti. Trotzdem ist es immer eine wunderbare Möglichkeit, in einzelne Augenpaare zu schauen. Es berührt mich jedes Mal, auch wenn es nur ein kurzes Hallo ist, manchmal ergibt sich auch ein kleines Gespräch. Außerdem habe ich nicht zuletzt mit den Portraits in Hashima bewiesen, dass die Menschen dort genau so unterschiedlich sind wie wir." Das Spannungsfeld "Kollektiv - Individuum" spielt eine zentrale Rolle in Wolf Helzles Arbeiten. Seine Überzeugung: Das Individuum ist nichts ohne die Gruppe und die Gemeinschaft kann nicht funktionieren, wenn Sie den Einzelnen nicht achtet. "Ich will auf keinen Fall ein Kollektiv neu predigen, das auf Kosten der Individualität existiert. Vor allem, nachdem der Begriff von den Nationalsozialisten regelrecht verbrannt wurde. Ich habe für mich allerdings heraus gefunden, dass beides gebraucht wird und gewürdigt werden muss, damit wir es gut haben." Gut möglich, dass die aktuelle Multiportrait-Ausstellung auch in Korea wegweisende Impulse setzen kann. Auch im neu eröffneten Welcome Center Stuttgart sind in Kürze ein Multiportrait sowie Einzelportraits auf einem Tableau zu sehen. "Unser Ziel war es, so viele Nationalitäten wie möglich zu fotografieren. Dazu gab es mehrere Fototermine, unter anderem beim Neubürgertreffen im Rathaus oder beim Tag der offenen Tür im Welcome Center. Wir sichten gerade die Ergebnisse und ich verarbeite die Portraits dann zu zwei Bildern, die demnächst dauerhaft im Welcome Center hängen werden, um der Willkommenskultur ein Gesicht zu verleihen", verrät Wolf Helzle. Das schauen wir uns gerne an! Mehr Infos über Wolf Helzle und seine Arbeiten gibt es auf www.helzle.com

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