Ein gelungener erster bunter Stein

9. November 2014 / SRK / 0 Comments

Der_JahrbuchcodeDer Buntstein-Verlag ist das neueste Imprint des ambitionierten Münchner Bookspot-Verlags. Buntstein will anspruchsvolle Kinder- und Jugendliteratur unterschiedlichster Genres für Leser von zwölf Jahren an verlegen. Der erste Titel ist seit Anfang November im Handel erhältlich – der Jugend-Krimi “Der Jahrbuchcode” von Petra Mattfeldt. Und der Rezensent könnte es eigentlich nach dessen Lektüre bei dieser kurzen Wertung bewenden lassen: Der erste “Buntstein” ist gelungen. Dieser bunte Stein ist keine billige Glasperle, sondern erweist sich als ein edler Stein und setzt damit Maßstäbe für weitere Publikationen dieses Verlages.

Die Sommerferien sind beendet und Niklas betritt sein Braunschweiger Gymnasium nunmehr als Neuntklässler. Er hatte es versäumt, sich für eine Arbeitsgemeinschaft (AG) anzumelden, deren Besuch mit Pflichtstundenzahl für die Zulassung zum Abitur erforderlich ist. Für solche Schülern bleibt als Rettungsanker die stets unbeliebte “Jahrbuch-AG”: So gut wie keine freiwilligen Meldungen, dafür die überaus langweilige Aufgabe, das schulische Leben des jeweiligen Schuljahres in Wort und Bild zu dokumentieren. Da Niklas als erster im AG-Raum erscheint, überträgt der Schulrektor Dr. Dornbracht ihm die Leitung. Zur AG stoßen dann noch Mitschüler Eltis, ein Faulenzer, sowie der Achtklässler Philipp. Niklas Miene heitert sich erst auf, als schließlich auch noch Mitschülerin Lilly hinzukommt. In Lilly ist Niklas seit Grundschulzeiten heimlich verliebt.

Um sich ein Bild von der Aufgabe zu machen, teilen sich die vier die bisherigen Jahrbücher auf und nehmen sie mit nach Hause. Zu Hause wird Niklas von seinem besten Freund Jonas erwartet, der allerdings eine andere Schule besucht. Die beiden Jungen blättern sich durch die Jahrbücher und stoßen bald auf etwas seltsames: In jedem Jahrbuch taucht auf dem Gruppenfoto der jeweiligen Klasse 10 c immer wieder das selbe Jungengesicht auf. Die Anzahl der Köpfe ist dabei stets um eins größer als die Zahl der Namen in der Bildunterschrift.

Das elektrisiert die beiden Jungen, sie rufen Lilly an. Auch in ihren Jahrbüchern zeigt sich dieses Phänomen. Tags darauf fragen sie noch bei Philipp und Eltis nach. Überall dasselbe Phänomen. Was hat es damit auf sich? Das wollen insbesondere Niklas und Jonas, der sich nun als Externer der AG anschließt, und Lilly erkunden. Und vor allem wollen sie wissen, ob es auch in den Jahrbüchern vor 1989 diese manipulierten Klassenfotos gibt. Doch diese Bücher sind nicht digitaliert und stehen merkwürdigerweiser in nicht in der Schulbilbliothek. Bei der weiteren Suche tun sich Hindernisse auf; angesprochene Erwachsene scheinen in dieser Sache zu mauern. Gerade das aber macht die drei Detektive um so neugieriger und entschlossener.

Irgendwann gelingt es ihnen doch, den Namen des gesuchten Jungen herauszufinden: Kai Rössler. Dieser war vor gut 30 Jahren spurlos verschwunden. Dann stellt sich noch heraus, daß Niklas’ Eltern und auch Rektor Dr. Dornbracht Mitschüler des Vermißten waren. Was war damals geschehen? Die Eltern blocken jede Frage ab, stellen sich unwissend. Dann stellt sich heraus, daß sich damals sieben Jungen um fünf Basketball-Stipendien bemüht hatten. Darunter der verschwundene Kai, aber auch Niklas’ Vater. Angeblich soll Kai bei der Stipendienvergabe leer ausgegangen sein und sei deshalb verschwunden. Weggelaufen oder zu Tode gekommen? Diese Frage drängt sich immer mehr in die Nachforschungen des Trios. Rätselhafte Telefonate seiner Vaters mit dessen früheren Sportfreunden lassen Niklas immer mißtrauischer werden. Als dann noch ein Reporter, der seinerseits auf Spurensuche geht, vor einem Treffen mit Niklas und Jonas einen lebensgefährlichen Autounfall erleidet, da erkennen die Jungen und Lilly, daß es sich hierbei um kein Abenteuer mehr handelt. Sie müssen wohl einem Verbrechen auf die Spur und zugleich dem Täter nahe gekommen sein.

Die Ereignisse spitzen sich zu, als sich Niklas’ Eltern entschließen, ihrem Sohn von der damaligen Zeit zu erzählen. Es kann nur so sein, daß einer vom damaligen Jahrgang etwas mit Kais Verschwinden zu tun haben muß. Vielleicht um als “Nachrücker” dessen Stipendium zu ergattern? So richtig gefährlich wird es aber dann, als sich Niklas’ Vater auf den Weg zu seinen früheren Sportfreunden macht. Er verschwindet ebenfalls spurlos. Ist er entführt worden? Lebt er noch?

Zum Glück wenden sich die Jungen in dieser Situation an Philipps Vater, der Kriminalkommissar ist, und teilen diesem all ihre Erkenntnisse und Vermutungen mit. Der Kommissar nimmt das nicht wie andere Beamte auf die leichte Schulter, sondern leitet sofort intensive Ermittlungen ein.

Aber wer ist denn nun der Schuldige an Kais Verschwinden und an der mutmaßlichen Entführung von Niklas’ Vater? Hier ist fast jeder der alten Clique verdächtig. Sollte es gar der Schulrektor selbst sein? Zu viele Indizien deuten auf diesen hin. Doch des Kommissars Recherchen in alten Akten führen ihn auf die richtige Spur. Aber wie den Verdacht beweisen? Mit Hilfe von Niklas’ Mutter wird allen Tatverdächtigen eine Falle gestellt. Nun wird es richtig spannend, denn fast jeder der Männer benimmt sich ungewöhnlich. Doch es gelingt dem Kommissar, den Täter auf frischer Tat zu stellen und Niklas’ schwerstverletzten Vater zu retten. Aber der dabei Festgenommene gibt sich selbstsicher und leugnet geschickt alles… Er muß Mitwisser gehabt haben, die heute noch mit ihm verbunden sind. Das zu erkennen, das bedeutet, daß Niklas’ Vater immer noch in Lebensgefahr schwebt. Denn seine Zeugen-Aussage könnte zumindest Entführung und Totschlagsversuch belegen. Es gelingt dem Kommissar in letzter Minute, auf drastische Weise den nunmehr geplanten Mord an Niklas’ Vater zu verhindern und einen Mitschuldigen zu verhaften. Vor allem aber gelingt es durch konzentrierte gemeinsame Denkarbeit von Detektivtrio und Kommissar, das Versteck von Kais Leiche zu finden und somit den Täter endgültig des Verbrechens zu überführen und sein Motiv zu erhellen. Kai erhält dann 30 Jahre nach seinem Tode eine würdige Bestattung. Eines bleibt aber absolut offen: Wer hat seither alljährlich die Klassenfotos der jeweiligen 10 c manipuliert?

Inzwischen geht das Schuljahr seinem Ende zu, die aktuellen Jahrbücher kommen aus der Druckerei. Voller Neugier reißen Niklas, Jonas und Lilly den ersten Karton auf, greifen sich die Bücher und suchen das aktuelle Foto der Klasse 10 c. Sie atmen auf: In diesem Jahr stimmen Köpfe und Bildüberschrift überein.

Am Abend nimmt Niklas nochmals das aktuelle Jahrbuch zur Hand und schaut sich dort seinen eigenen Artikel an. Der kommt ihm leicht verändert vor. Bald gelingt es ihm, eine darin versteckte geheime Text-Botschaft zu entschlüsseln. Diese teilt er Jonas per SMS mit. Denn das sehe ganz nach einem neuen Auftrag für die AG aus…

Petra Mattfeldt hat mit diesem Buch einen wirklich guten und überaus spannenden Krimi nicht nur für junge Leser vorgelegt. Es wird darin zwar ein spannendes Abenteuer von Gymnasiasten erzählt, nicht minder aber kündet es auch von der Zivilcourage ihrer Eltern, insbesondere der des Protagonisten Niklas. Sie fühlen sich an letztlich falsche Kameradschaften nicht mehr gebunden, überwinden Cliquengeist – auch wenn es sie selbst in Gefahr bringt.

Es ist zum einen diese Ebene, die das Buch auszeichnet. Und zum anderen ist es insbesondere der Umstand, daß die Autorin die Amateurdektektive nicht auf eigene Faust erfolgreich bis zum Schluß ermitteln läßt. Sondern daß sie sich rechtzeitig an die Polizei wenden und diese professionell ihre Arbeit tun lassen. Das setzt dem fiktiven Abenteuer einen guten Schuß Realismus zu.

Besonders lobenswert ist, daß Petra Mattfeldt – im Alter der Eltern ihrer Protagonisten – sich jeglicher gekünstelter Pseudojugendsprache enthält. Ihr normales, gutes Alltagsdeutsch machen Erzähltes und auch die Dialoge sowohl der Jugendlichen als auch der Erwachsenen locker, unverkrampft, lebendig und glaubhaft. Sie schafft es ferner, plastische und realistische Beschreibungen von Charakteren, zwischenmenschlichen Beziehungen, Örtlichkeiten und der Natur zu geben. Damit bestätigt sie das Buntstein-Anliegen, anspruchsvolle Literatur auch für sehr junge Leser zu publizieren und damit Sprachpflege zu praktizieren. Also Bücher z.B. für den weihnachtlichen oder den Geburtstags-Geschenketisch anzubieten und nicht Billigware für Grabbeltischen im Supermarkt.

Auf eine hoffentlich baldige Fortsetzung der “Abenteuer-AG” und auf weitere Buntsteine darf man nach diesem gelungenen Debüt neugierig bleiben.

Siegfried R. Krebs

Petra Mattfeldt: Der Jahrbuchcode. Roman. 196 S. Klappenbroschur. Buntstein-Verlag. München 2014. 9,99 Euro. ISBN 978-3-937357-87-4

[Erstveröffentlichung Freigeist Weimar]

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