Ein Brief der eigentlich nach Hamburg sollte….(DDR Erinnungssplitter)

” Wie kommen sie, , sozialistische Staatsbürgerin , dazu  so einen  Brief zu schreiben?”

Ich frage mich wie dieser Brief dazu kommt, hier geöffnet im Direktorenzimmer auf dem Tisch von Frau Krüger herumzuliegen, obwohl er doch dazu bestimmt war in Hamburg von Tante Klara gelesen zu werden?

Ich besuche die 8. Klasse, die Pubertät hat mich im vollen Ausmaß erwischt. Kai hat Schluss gemacht, weil er Andrea besser fand. Mutti meint jemand mit 8 Klassen Abschluss würde ohnehin nicht zu mir passen, Arbeiterklasse hin oder her.

Mich versteht sowieso keiner. Schon gar nicht Mutti oder Vati, aber Tante Klara in Hamburg ; die ist ganz anders.

“Wieso liest die Krüger meine Post und wo hat sie den Brief überhaupt her?” Das frage ich mich, aber nicht laut, die Situation wirkt brenzlig.

Die Krüger schiebt mir den Brief herüber. Ich hab Manschetten vor der, die ist so militärisch.

Die Krüger schiebt mir den Brief herüber, ich soll lesen.

” Liebe Tante Klara!

Danke für das Paket, besonders die rote Windjacke finde ich urst gut. Du fragst wie es mir geht. Es geht so.  Ich geh zur Schule und nachmittags hänge ich mit den Anderen in der Clique  herum. Hier ist ja nichts los.  Wir treffen uns immer  vorm “Treff”, quatschen, öden uns an, rauchen. Ich habe angefangen zu rauchen.  Unsere  neue Wohnung mag ich ich nicht besonders. Wir wohnen jetzt im Block 901. Hier steht Block an Block und es ist ziemlich dunkel.”

Das wäre Hetze, sagt die Krüger. Desinformation ans nichtkapitalistische  Ausland, ob ich mir im Klaren wäre, was das für Konsequenzen haben könne?Ich solle meine Zeit lieber mit Lernen verbringen, als solch einen Mist zuschreiben. Es gäbe keine Cliquen in der DDR und so weiter und so fort. Klar gibt es Cliquen, die weiß das bloß nicht, weil die zu alt ist. Ich verstehe nicht was an diesem Brief  so schlimm ist und ich verstehe immer noch nicht wie er in ihre Hände gelangen konnte. Lustlos verspreche ichs. Fortan werden  Tante Klara  in Hamburg keine Briefe mehr geschickt. Wenn wir schon dabei sind; auch keine  in die Pfalz zur Großmutter oder zur Tante in den USA. Keinen einzigen Brief ins nichtkapitalistische Ausland- das haben sie verstanden?

Verstanden habe ich nichts, aber ich nicke um gehen zu können.



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