Ein Blick über den Großen Teich

Von Stefan Sasse
In den USA schleppt sich der Präsidentschaftswahlkampf hin. Die Aussichten für Obama, die Wahl zu gewinnen, haben sich deutlich verdüstert. Romney bringt mehr Spendengelder nach Hause als der Amtsinhaber, ein sicheres Zeichen, auf wen das Große Geld in diesem Kampf setzt (anders als noch 2008). Die Wirtschaft will und will sich nicht erholen. Fälle von Missmanagment und Veruntreuung bei Staatsgeldern, die in die notleidende Wirtschaft gepumpt wurden, werden bekannt. Für seine Angriffe auf Romneys Vergangenheit bei Bain Capital weht Obama inzwischen scharfer Gegenwind ins Gesicht. In den Umfragen führt er nur noch 2% vor seinem Herausforderer, und mehrere entscheidende Staaten wie Ohio, Virginia und Pennsylvania sind klare Battleground-States für diese Wahl. Der neueste Stein in diesem für Obama düsteren Mosaik ist die krachende Niederlage in Wisconsin, wo die Demokraten versuchten, den amtierenden republikanischen Gouverneur mit einer Recall-Election abzuwählen. Die sicherste Strategie scheint beiden Parteien darin zu bestehen, ihre eigene Basis zu mobilisieren, anstatt um die Wechselwähler ("Independents") d

er Mitte zu werben, die nichts mehr hassen als den Kampf der Parteien und Ideologien. 
Der Obama-Kampagne fehlt bislang völlig ein zugkräftiges Narrativ. Dem Schlager von "Hope" und "Change" von 2008 kann sie bislang nichts Gleichwertiges gegenüberstellen. Stattdessen eierte sie bislang durch die Themen. Von "Change has come", dem Versuch also, ein Bild erfolgreicher bisheriger Regierungspolitik zu zeichnen, zum "Do-Nothing-Congress", dem Versuch also, die Schuld einfach beim Kongress abzuladen, über die Attacken auf Romney als große, unamerikanische Heuschrecke hat nichts gefruchtet. Die eigenen Erfolge sind mit der äußerst wahrscheinlichen Vollbremsung für die Gesundheitsreform "Obamacare" durch den Obersten Gerichtshof kaum mehr groß herauszustellen. Die Angriffe auf den Kongress, für den Trumans Wahlkampf 1948 die Blaupause böte, hat Obama bisher noch nicht zur Priorität gemacht. Und die Versuche, Romney als arroganten, kalten und abgehobenen Kapitalisten zu zeichnen verfangen aus mehreren Gründen nicht richtig. 

Zum Einen ist der Neuigkeitswert dieser Nachricht gleich null. Dass Romney ein steifer, aalglatter Opportunist ist, weiß man spätestens seit den republikanischen Primaries. So ausführlich, wie er dort auseinandergenommen wurde, kann Obama ohnehin nicht mehr in diese Scharte schlagen. Wen dieser Sachverhalt bisher nicht stört, den wird auch Obama kaum vom Gegenteil überzeugen können. Stattdessen sieht sich Obama selbst im Zentrum eines unangenehmen Narrativs: er ist ein Elitist (was in den USA ein schlimmes Schimpfwort ist), abgehoben vom "real America", ein Akademiker im Elfenbeinturm, der das "real America" bestenfalls aus dem Fernsehen kennt. Dagegen erscheint Romney abstruserweise trotz eines Privatvermögens von rund einer Viertelmilliarde als Anwalt der Mittelschichten, denn übermäßige Intellektualität oder Weltgewandtheit kann man ihm kaum unterstellen. Was hierzulande eher als Nachteil gewertet würde, ist in der amerikanischen politischen Arena aber ein Vorteil. 

Der entscheidende Faktor für den Erfolg der Wahl aber ist völlig außerhalb der Kontrolle beider Kandidaten: die wirtschaftliche Lage. Solange diese nicht aufwärts geht, ist es Romney, der profitiert. Obama braucht gute wirtschaftliche Daten. Die Schuld an der wirtschaftlichen Lage wird dem Amtsinhaber zugeschoben, der dafür in etwa so viel kann wie für das Wetter, im Guten wie im Schlechten. Die Kontrolle über diesen für die Wahl entscheidenden Faktor aber ist beiden Parteien entzogen. Obama kann so nur hoffen, dass der Fokus sich anders setzen lässt und indessen versuchen, Romneys Glaubwürdigkeit als Wirtschaftsexperte zu zersetzen, die in etwa so belastbar ist wie die der FDP und dennoch genauso beständig. Romney verspricht als Allheilmittel, wie könnte es anders sein, Steuererleichterungen für die Unternehmen und Reichen. Dieser Dauerbrenner wird sich von Obama, der ebenfalls auf der Steuersenkungsschiene reitet, kaum effektiv angreifen lassen, und es ist nicht zu erwarten, dass die Amerikaner sich ähnlich wie die Deutschen seit 2009 gegen die Dummdreistigkeit einer solchen Senkung stellen werden.

Der Wahlkampf konzentriert sich daher mehr und mehr auf die Elektoratsmathematik: welche Staaten braucht man, um den Sieg davon zu tragen? Entscheidende Siege erwartet keiner der beiden Kandidaten; die Wahl wird wohl ähnlich knapp werden wie 2004. Für Obama ist es essentiell, die Swing- und Battleground-States zu gewinnen: Ohio, Pennsylvania, Virginia, Florida, Oregon, Colorado, Nevada, North Carolina. Romney muss genau das verhindern. Da Florida und Virginia 2012 tendenziell eher ins republikanische Lager tendieren, sind Ohio und Pennsylvania entscheidend - Staaten, die besonders stark von der Wirtschaftskrise betroffen sind. Es liegen harte Monate vor Obama.


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