Doppelkunstwerk: Verbogener Laster von Erwin W. – Strafzettel von Roland M.
Roland M. (54) liebt es, “die Dinge auf den Kopf zu stellen und so auf neue Realitäten zu stoßen”. Er setzt “den Humor auch als Waffe ein, indem er den Alltag aus einer anderen Perspektive zeigt”. Darum hat er vor kurzem in Karlsruhe einem Kunstwerk einen Strafzettel verpasst, weil es im Halteverbot stand. Und die Medien, die wie üblich von Kunst nix verstehen, waren stinksauer.
Ah, ich hab mich vertan. Die obigen Zitate stammen nicht von Roland M. (54), sondern von Erwin W. (60).
Erwin W. (60) stammt, anders als Roland M. (54), nicht aus Karlsruhe, sondern aus Wien – und im Gegensatz zu diesem ist er ein echter, offizieller Künstler, was ihn, anders als diesen, der nur Vollzugsbediensteter der Stadt Karlsruhe ist, eben dazu berechtigt, unter dem Beifall der Medien “die Dinge auf den Kopf zu stellen und so auf neue Realitäten zu stoßen”.
Jüngst hat er z.B. einen Laster verbogen und in Karlsruhe auf einen öffentlichen Platz gestellt. Und diesem Laster hat dann Roland M. (54) – damit schließt sich der Kreis – ein Knöllchen ausgestellt.
So weit, so klar. Nun ist Kunst im öffentlichen Raum naheliegenderweise umso subversiver, je weniger sie sich als Kunst zu erkennen gibt – je mehr wir auf sie hereinfallen, je mehr wir gezwungen sind, uns ihr auszusetzen. Den verbogenen Laster erkenne ich (und mit Sicherheit auch jeder x-beliebige Polizist) ziemlich mühelos als Kunstwerk. Ich finde ihn charmant. Allerdings wenig subversiv. Es gelingt ihm in meinen Augen nur in geringem Maße, “die Dinge auf den Kopf zu stellen und so auf neue Realitäten zu stoßen”.
Ganz anders der Strafzettel!
Man lese etwa diesen Artikel in der SZ, der noch vor dem Outing des Roland M. erschien und gegen die ignoranten “Politessen oder Politeure” wettert, die man am besten allesamt erstmal durch eine Ausstellung moderner Kunst jagen solle. Dem Strafzettel gelang es, sämtliche Klischees zu mobilisieren (Ordnungskräfte sind eh nur dumme, geistlose Befehlsempfänger) und ad absurdum zu führen. Denn ein paar Tage später ging Roland M. an die Öffentlichkeit, erklärte, dass alles nur ein Gag war, und stellte damit “die Dinge auf den Kopf”. Die empörten Kunstwächter waren blamiert. Der Beamte hatte sie drangekriegt. Roland M. hatte geschafft, was Erwin W. nicht gelungen war: subversive Kunst zu machen.
Seit seinem darauffolgenden Interview mit der Süddeutschen ist er nun everybody’s darling. Von einer ZKM-Sprecherin bekam er sogar eine offizielle Belobigung: “Wir finden es toll, wenn die Ordnungsmänner dieser Stadt künstlerisch mitdenken.”
Ein reichlich gönnerhafter Satz, wenn man bedenkt, dass Roland M. die Dame wohl locker künstlerisch in die Tasche steckt…