Ein Abend auf dem Braunschweiger Weihnachtsmarkt

Ein Abend auf dem Braunschweiger Weihnachtsmarkt

Das kulturell-geschichtliche Phänomen des Weihnachtsmarktes zu beschreiben, ist ja an sich schon eine schwierige Sache. Die Gründe, seine Freizeit an einem Ort zu verbringen, der potentiell mit Kitsch aufgeladen, immer dieselben Lieder vom Band spielend zum Drängeln durch Menschenmassen in engen Gassen einlädt, sind vielfältig. Einen heißen Glühwein in geselliger Runde mit Freunden zu trinken, dürfte aber relativ weit oben auf der Liste der meistgenannten Pull-Faktoren stehen. Was dabei herauskommt, wenn man an einigen entscheidenden Schrauben dreht, zeigt der Braunschweiger Weihnachtsmarkt eindrucksvoll. Denn dann wird das gemütliche Heißgetränk durch das sinnliche Einlassen aufs Weihnachtsfeeling abgelöst. Sie können nicht anders. Versprochen.

Der Weihnachtsmarkt wunderschön auf dem Burgplatz gelegen.

Das Weihnachtsmarktkonzept

Der Braunschweiger Weihnachtsmarkt beeindruckt schon auf dem Papier. 900.000 bis 1.000.000 Besucher werden dieses Jahr erwartet, das sind etwa 30.000 Besucher pro Tag. Zum Vergleich: Das entspricht etwa der nahe gelegenen Kleinstadt Peine, die da täglich zwischen den Ständen flaniert. Über 300 Standbewerbungen pro Jahr, von denen 150 Stände ausgehend von Konzept und Vielfalt des Angebots handverlesen ausgesucht werden. Die Planung dauert fast das ganze Jahr über, in der millimetergenau Stände angeordnet werden, um dem Besucher in möglichst allen Ecken des Weihnachtsmarktes ein ausgewogenes Angebot an Ess-/Trink- und Sachangeboten anzubieten. Dabei soll insgesamt der Charakter und die Qualität der Stände und Waren gehalten werden. Doch trägt das Konzept?

Breites Sortiment an Weihnachtsaccessoires zum mitbringen nach Hause.

Bei meinem Besuch über den Weihnachtsmarkt fällt zunächst auf, dass selbst das ausgeklügelste Konzept, über eine gute Ständeorganisation die Gassen zu verbreitern, einem Besucheransturm an einem Freitagabend nicht standhält. Auch hier verschlägt es uns gelegentlich in den typischen Pinguingang, in dem wir mit Trippelschritten voraus watscheln. Doch das tut dem Besuch und der Erfahrung keinen großen Abbruch und spricht eher für den Einzugsbereich, der sich beim Braunschweiger Weihnachtsmarkt weit über die Grenzen der 260.000-Einwohner-Stadt erstrecken dürfte. Man muss nur eben seinen Glühwein gut festhalten.

Statt Schmalzkuchen darf es auch mal der Enten-Teller sein. Für den etwas größeren Hunger

Für jeden Feinschmecker etwas dabei

Wer nach dem ersten Getränk etwas essen möchte, hat die Qual der Wahl. Von Flammkuchen über Entenbrust im Gourmetteller zu 12€ finden sich typische und untypische Esswaren im Angebot. Beim “Mummewirt” etwa werden exquisite Produkte mit Mummezusatz angeboten. Die Braunschweiger Spezialität findet sich dann in (man ahnt es schon) Mummeglühwein, Mummekakao,  Mummebrötchen, Mummekrustenbraten, etc. wieder. Persönlich ist mir der Malzextrakt etwas zu süß, dem regionalen Charakter und der kommerziellen Ausschlachtung mitsamt “Souvenir-Faktor” tut dies aber keinen Abbruch. Ach, und übrigens: Markus Meier alias “Mandelmeier” dürfte einigen Lesern auch überregional bekannt sein. Der Mandelverkäufer ist sicher eine der schillerndsten Persönlichkeiten des Braunschweiger Weihnachtsmarkts, wobei sich seine Mandeln irgendwie kaum zu der Konkurrenz unterscheiden. Ganz im Gegensatz zu der Länge der Warteschlange: bei gut 20 bis 30 Metern solltet Ihr mindestens 30 Minuten Wartezeit einplanen.

Der berühmte Mummewein, fachgerecht im Stiefel serviert

Flammlachs, die finnische Spezialität gibt es auch in Braunschweig

Weihnachtsmarkt mit Geschichte

Wenn ich am Anfang geschrieben habe, dass der Braunschweiger Weihnachtsmarkt so richtig Weihnachtsstimmung aufkommen lässt, dann liegt das aber nur zu einem Teil an den oben aufgeführten Speisen. Meiner Meinung nach glänzt der Weihnachtsmarkt (im wahrsten Sinne des Wortes) vor allem aufgrund seiner historischen Kulisse: zentriert um den bekannten Braunschweiger Löwen. Auf dem Burgplatz liegt das Rathaus, die Burg Dankwarderode, der Dom und andere historische Gebäude der Stadt, an denen man fast zwangsweise vorbei kommt. Somit entführt euch ein Spaziergang auf dem Weihnachtsmarkt auch immer in die große Historie der Stadt Braunschweig und macht die geschichtliche Bedeutung des früher als Wintermarktes bekannten Umschlagplatz von Waren deutlich. Der gleichberechtigte Anteil von Ständen, die winterliche Produkte abseits von Esswaren verkaufen, verstärkt diesen Eindruck nur noch.

Für die kleine körperliche Aktivität: Curling!

Wenn Ihr also bei eurem Weihnachtsmarktbummel weniger Heidepark und mehr Weihnachten sucht, mit Geschichte etwas anfangen könnt und auf winterlichen und persönlichen Charakter wert legt, dann seid Ihr auf dem Braunschweiger Weihnachtsmarkt genau richtig. Wer vorweihnachtlichen Stress vermeiden möchte, kann den Weihnachtsmarkt auch nach den Feiertagen noch besuchen: bis zum 29.12.2015 bleibt er geöffnet. Und wenn Ihr dann noch Malz mögt, umso besser.

Die ältesten Fachwerkhäuser Deutschlands unscheinbar in der Nebenstraße gelegen.

Übrigens: Neben dem Weihnachtsmarkt locken in Braunschweig auch andere mehr oder weniger kulturelle Angebote. Ich habe aus reinem Interesse das Photomuseum mit der Ausstellung “Das regionale Gedächtnis” besucht. Wer sich für Fotografie interessiert und der Region um Braunschweig auch landschaftlich und baulich etwas abgewinnen kann, sollte einen Blick riskieren

Auch sonst ist Braunschweig einen Besuch wert. Wie zum Beispiel hier dieses extravagent angemalte Haus.


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