“Ehrfurcht vor Gott” streichen

bayerischeVerfassungVor eini­gen Tagen wurde eine Petition ins Netz gestellt, die for­dert, dass Teile des Artikel 131, Absatz 2 der baye­ri­schen Verfassung gestri­chen wer­den soll. Dieser Artikel nennt als oberste Bildungsziele staat­li­cher Schulen die “Ehrfurcht vor Gott” und die “Achtung vor reli­giö­ser Über­zeu­gung”. Der Einreicher der Petition ver­tritt die Auffassung, diese Passage ver­letze die welt­an­schau­li­che Neutralität des Staates und dis­kri­mi­niere über 20 Prozent der baye­ri­schen Bevölkerung. Der hpd sprach mit dem Petenten Stefan Dietrich.

hpd: Hallo Stefan. Was hat Dich dazu gebracht, diese Petition zu for­mu­lie­ren?

Stefan Dietrich: Das hat viele Gründe. Einer davon ist, dass ich mich schon zu Schulzeiten sehr über die­sen Artikel der baye­ri­schen Verfassung geär­gert habe. Als ich noch FDP Mitglied war – ich bin 2010 aus­ge­tre­ten – habe ich auch schon ein­mal ver­sucht, einen ent­spre­chen­den Antrag zu stel­len, bin jedoch auf Widerstand inner­halb der Partei gesto­ßen.

2011 bin ich dann auf die Giordano Bruno Stiftung auf­merk­sam gewor­den und bin kurz­ent­schlos­sen beige­tre­ten. Hier habe ich natür­lich ein Umfeld gefun­den, in dem ich säku­lare Themen anspre­chen konnte und posi­tive Resonanz bekam.

Die eigent­li­che Entscheidung ist dann Anfang des Jahres gefal­len. Wir hat­ten uns in der Regionalgruppe über die kom­men­den Landtagswahlen unter­hal­ten und uns über­legt, wel­che Themen wir als Gruppe 2013 bear­bei­ten wol­len. Ich habe dann ein­fach mal die Idee in den Raum gewor­fen und die anschlie­ßende Diskussion hat mich dann davon über­zeugt das Thema „Ehrfurcht vor Gott“ in der baye­ri­schen Verfassung anzu­ge­hen.

Ich habe dann erst ein­mal die Möglichkeit genutzt den Petitionsausschuss des baye­ri­schen Landtags anzu­ru­fen, der dafür eigens ein Internetformular bereit­stellt. Also habe ich mich durch das Formular geklickt und 20 Minuten spä­ter hatte ich die Petition auch schon ein­ge­reicht. Zu mei­ner Enttäuschung gab es aller­dings nicht die Möglichkeit für andere, meine Petition zu unter­stüt­zen, wie ich das vom Portal des Bundestages kannte. Ich dachte dann aber auch gleich an www.change.org und noch eine Stunde spä­ter war auch schon meine Petition dort online.

In wel­chen säku­la­ren Gruppen/Gruppierungen arbeitst Du mit?

Ich bin haupt­säch­lich für die Giordano Bruno Stiftung Mittelfranken aktiv, bin aber auch beim HVD Bayern Mitglied und habe gute Kontakte zum BfG Erlangen. Unter ande­rem betreue ich den Internetauftritt der gbs Mittelfranken und bin Administrator unse­rer Facebookseite. Vor allem meine Erfahrung mit Facebook hat mich opti­mis­tisch gemacht, dass diese Petition zumin­dest einen Achtungserfolg erzie­len würde.

Meinst Du, dass diese Petition tat­säch­lich poli­ti­schen Einfluss neh­men kann – oder dient sie allein dem Zweck, auf ein Problem auf­merk­sam zu machen?

Um ehr­lich zu sein glaube ich nicht, dass wir mit die­ser Petition wirk­lich Einfluss neh­men kön­nen, zumin­dest nicht direkt. Ich lieb­äu­gele eher mit den indi­rek­ten Effekten die­ser Petition. Zum einen set­zen wir hier­mit wie­der ein­mal die­sen unsäg­li­chen Artikel auf die Tagesordnung, zumin­dest in den säku­la­ren Kreisen. Ähn­li­che Artikel gibt es ja auch in Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz. Zumindest in Bayern gab es Ende der 80er-Jahre ja auch schon eine Verfassungsklage gegen Artikel 131,2 die lei­der geschei­tert ist. Aber ansons­ten wurde das Thema schon lange nicht mehr ange­fasst. Viele wis­sen auch gar nicht, dass diese Artikel so in den Gesetzestexten ste­hen. Von daher ist viel­leicht der wich­tigste Aspekt der Petition, diese Problematik wie­der ins Bewusstsein zu rufen.

In Bayern ste­hen die­ses Jahr jedoch auch Landtagswahlen an und in den Parteizentralen wird wohl gerade jetzt heiß dis­ku­tiert, wie man die Wähler anspre­chen kann. Und da kann eine erfolg­rei­che Petition zumin­dest Aufmerksamkeit erzeu­gen, so dass sich Parteistrategen mit dem „säku­la­ren Wähler“ beschäf­ti­gen und uns ent­ge­gen kom­men, viel­leicht auch bei ganz ande­ren Themen.

Ich habe zudem eine wei­tere Hoffnung: Die säku­lare Szene ist im Zuge der Beschneidungsdebatte und auch durch den Fall des Kölner Vergewaltigungsopfers auf­ge­weckt wor­den. Die katho­li­sche Kirche schafft sich zudem gerade selbst ab, man denke an die geschei­terte Aufklärung der Missbrauchsfälle. Wir müs­sen die­sen Rückenwind nut­zen, um unsere Themen auf den Tisch zu brin­gen, „Ehrfurcht vor Gott“ als Bildungsziel ist dabei sicher nicht das Wichtigste, aber ein gutes Symbol.

Wieviele Stimmen wollt ihr errei­chen? Und wer sol­len die Empfänger der Petition sein?

Wir haben uns jetzt erst ein­mal 1000 Unterschriften bei www.change.org als Ziel gesetzt. Innerhalb der ers­ten Woche haben wir bereits über 500 Unterschriften gesam­melt. Bisher läuft es also recht gut, aller­dings kann sich das ja auch schnell ändern. Wir müs­sen sehen wie es hier wei­ter geht.

Empfänger der Petition wer­den alle Fraktionsvorsitzende im baye­ri­schen Landtag und wei­tere baye­ri­sche Politiker sein, wie Horst Seehofer und Barbara Stamm, die Präsidentin des Landtages. Wenn wir die Unterschriften zusam­men haben, wer­den wir eine E-Mail an die ent­spre­chen­den Damen und Herren schrei­ben und eine Presseerklärung ver­fas­sen.

Kann denn eine Landesverfassung so ein­fach geän­dert wer­den? Braucht es dazu nicht auch in Bayern eine Zweidrittelmehrheit? Wenn ja: ist dann über­haupt ein Erfolg mög­lich?

Die Landesverfassung kann natür­lich nicht so ein­fach mal geän­dert wer­den. Das Gesetz sieht hierzu eine 2/3 Mehrheit im Landtag und ein anschlie­ßen­des Referendum vor. Allerdings gibt es in Bayern die Besonderheit, dass auch die Verfassung über Volksbegehren und Volksentscheid geän­dert wer­den kann. Andere Bundesländer schlie­ßen diese Möglichkeit von Anfang an aus. Und ich schiele schon ein wenig auf ein Volksbegehren, die Petition bei www.change.org ist dazu eine Art Testlauf. Wenn das wirk­lich, wirk­lich gut läuft, dann würde ich den Schritt wagen wol­len und ein Volksbegehren bean­tra­gen. Dieses würde natür­lich auch im Falle des Erfolgs im Landtag an der CSU schei­tern, so dass es nicht zum Volksentscheid kom­men würde. Wir haben also kei­ner­lei Aussicht auf Erfolg, das ist uns klar! Allerdings würde der sym­bo­li­sche Wert und die gewon­nene Aufmerksamkeit die Mühen mei­nes Erachtens recht­fer­ti­gen.

Vielen Dank für die Informationen und das Gespräch.

Nic

[Erstveröffentlichung: hpd]


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