Edward Snowden – Held oder Verräter?

snowdenLediglich drei von weit über zwan­zig ange­frag­ten Ländern haben Edward Snowden Asyl ange­bo­ten: Es han­delt sich um Bolivien, Venezuela und Nicaragua, wäh­rend viele Staaten die Asylanfrage bereits umge­hend abschlä­gig ent­schie­den haben. Zu die­sen Staaten gehört auch die Bundesrepublik Deutschland.

Ob dies ledig­lich einem man­geln­den poli­ti­schen Rückgrat der Regierung Merkel/Rösler gegen­über den USA oder der von Snowden jetzt mit­ge­teil­ten Kooperation der NSA mit deut­schen Geheimdiensten geschul­det ist, bleibt der­zeit unge­klärt. Wahrscheinlich han­delt es sich um eine Kombination von bei­dem.

Anders die Meinung in der Bevölkerung der Bundesrepublik. Etwa 80 Prozent der Deutschen sol­len laut Meinungsumfragen die Ansicht ver­tre­ten, das Snowden hier Asyl erhal­ten solle. Es gibt aller­dings auch die gegen­tei­lige Auffassung, die dar­auf hin­weist, dass der US-Amerikaner ein Krimineller sei der Geheimnisverrat began­gen habe. Handelt es sich bei Edward Snowden, der die welt­wei­ten Ausspähungs- maß­nah­men der NSA (auch und gerade in mit den USA befreun­de­ten Ländern) unter Verletzung sei­ner Dienstpflichten öffent­lich gemacht, um einen Kriminellen, einen Verräter oder um eine Lichtgestalt, einen Helden?

Je nach poli­ti­schem Standort und je nach poli­ti­scher Stellung gegen­über den USA sind die ver­öf­fent­lich­ten Ansichten sehr unter­schied­lich, wie nicht anders zu erwar­ten war. Würden diese Ansichten ebenso aus­fal­len, wenn Snowden bei­spiels­weise Geheimnisse Russlands, Chinas, Israels, Südkoreas, Brasiliens oder des Iran öffent­lich gemacht hätte? Oder wären dann andere Ergebnisse bei Umfragen zu erwar­ten?

Eine Beurteilung der Frage, ob das Verhalten von Edward Snowden ethisch gerecht­fer­tigt ist und ihm auch Asyl gewährt wer­den soll vor der in den USA zu erwar­ten­den Strafverfolgung, kann nicht je nach poli­ti­schem Gusto aus­fal­len; Opportunismus ist hier fehl am Platze. Andererseits: gibt es grund­sätz­li­che, gewis­ser­ma­ßen all­ge­mein gül­tige Kriterien, nach denen die Affaire Snowden beur­teilt wer­den kann?

Der Hamburger Jurist Prof. Dr. Reinhard Merkel, der auch Mitglied des Deutschen Ethikrates ist, hat sich mit die­ser Fragestellung in einem Interview mit Zeit-Online aus­ein­an­der­ge­setzt.

Merkel hat dabei die Veröffentlichung us-amerikanischer Staatsgeheimnisse durch Edward Snowden als einen „Fall des zivi­len Ungehorsams“ bezeich­net. Einerseits habe Snowden gegen meh­rere Gesetze der USA ver­sto­ßen und die Veröffentlichung sol­cher Informationen, wie von ihm erfolgt, sei nach straf­bar; ande­rer­seits habe er jedoch eine große gesell­schaft­li­che Diskussion ange­sto­ßen. Ebenso ver­halte es sich hin­sicht­lich Bradley Manning, der eben­falls zivi­len Ungehorsam began­gen habe, damit aber “schwere Kriegsverbrechen, gra­vie­rende Brüche des huma­ni­tä­ren Völkerrechts auf­ge­deckt (habe), für die andere Leute von inter­na­tio­nale Gerichtshof 30 Jahre bekom­men wür­den”.

Reinhard Merkel dis­ku­tiert den Schutz eines erheb­li­chen gesell­schaft­li­chen Interesses, des Verfassungsgut der Privat- und Intimsphäre im Verhältnis mit dem for­mal began­ge­nen Geheimnisverrat, der in den USA als Spionageverbrechen ver­folgt wer­den soll. Auch wenn, so Merkel, eine grund­sätz­li­che Pflicht zum Rechtsgehorsam bestehe, die keine recht­li­che son­dern eine mora­li­sche Pflicht sei, werfe Snowdens Fall die Frage auf, “wie man Umstände behan­delt, in dem das Recht selbst unge­recht wird und mora­li­schen Widerstand her­aus­for­dert.”

Unter Rückgriff auf die von John Rawls (Theorie der Gerechtigkeit) ent­wi­ckel­ten Kriterien zum zivi­len Ungehorsam äußert sich Merkel dahin­ge­hend, dass “zivi­ler Ungehorsam … ers­tens öffent­lich gesche­hen (müsse), also außer einem Gesetzesbruch auch ein Akt der sozia­len Kommunikation sein, adres­siert an die Regierung und an die Gesellschaft als Ganze. Zweitens dürfe er nicht gewalt­sam erfol­gen. Drittens müsse das Gesetz aus drin­gen­den Gewissensgründen gebro­chen wer­den.” Diese Kriterien bejaht er sowohl hin­sicht­lich Snowden als auch hin­sicht­lich Mannings.

Allerdings müsse der, der zivi­len Ungehorsam aus­übe, auch die ent­spre­chen­den gesetz­li­chen Sanktionen akzep­tie­ren, so Merkel eben­falls unter Bezug auf Rawls, wobei zu ergän­zen ist, dass in einem rechts­staat­li­chen Verfahren dann auch die (even­tu­el­len) Konsequenzen des zivi­len Ungehorsams auf die Sicherheitslage zu dis­ku­tie­ren wären.

Merkel weist dar­auf hin, dass im Falle Edward Snowdens in den USA mit einer exis­tenz­ver­nich­ten­den lebens­lan­gen Strafe zu rech­nen, die unan­ge­mes­sen sei, wes­halb ihm Asyl gewährt wer­den sollte.

Zur mög­li­chen Bestrafung von Snowden in den USA hat in den letz­ten Tagen die TAZ dar­auf ver­wie­sen, dass Daniel Ellsberg (“Pentagon-Papiere”) sich sei­ner­zeit den Behörden gestellt habe, und dann aber auf Kaution aus der Untersuchungshaft frei­kam und auch mit Journalisten spre­chen konnte. Bradley hin­ge­gen sitze seit Jahren ohne Kontakt zur Außenwelt in Haft. Ellsberg wird zitiert mit der Äuße­rung, dass das vor vier­zig Jahren andere USA waren. Der TAZ ist zuzu­stim­men, wenn sie kom­men­tiert, dass die US-Regierung heut­zu­tage gegen­über Whistleblowern einen Vernichtungswillen zeige, der mit rechts­staat­li­cher Strafverfolgung nichts mehr zu tun habe.

Mittlerweile hat Edward Snowden die Gründe für seine Motive für die Enthüllungen geäu­ßert. Ziel sei, gegen die aus­ufernde Über­wa­chung der Menschen durch die welt­weit agie­ren­den Geheimdienste vor­zu­ge­hen. “Ich will nicht in einer Welt leben, in der alles, was ich sage, alles was ich mache, der Name jedes Geschäftspartners, jeder Ausdruck von Kreativität und Liebe oder Freundschaft auf­ge­zeich­net wird” zitiert die ZEIT jetzt aus einem Video-Interview mit dem bri­ti­schen Guardian. Jeder, so Snowden, der mit einer sol­chen Welt nicht ein­ver­stan­den sei, habe die Pflicht etwas zu tun.

Es zeigt sich, dass unab­hän­gig von belie­bi­gem poli­ti­schem Meinen ein Fall wie der des Edward Snowden nach all­ge­mei­nen Kriterien bewer­tet wer­den kann. Auch wenn diese sicher­lich noch wei­te­rer kon­kre­ti­sie­ren­der Diskussion bedür­fen.

Die Bundesregierung, die inner­halb von Stunden die Asylanfrage von Edward Snowden abschlä­gig beschie­den hat, wäre aus rechts­staat­li­chen Gründen gut bera­ten, den Fall noch ein­mal auf­zu­grei­fen. Wenn sie trotz wei­te­rer Prüfung kei­nen Asylgrund beja­hen will, so könnte sie doch von der gesetz­li­chen Regelung einer Aufenthaltsgewährung aus huma­ni­tä­ren Erwägungen Gebrauch machen. Allerdings sollte man sich hier­auf nicht allzu viele Hoffnungen machen.


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