Echte Gefahr durch falsches Botox

Der boomende Markt für gefälschte Lifestyle-Medikamente birgt eine Gefahr: Tödliche biologische Wirkstoffe könnten in die Hände von Terroristen geraten.
Aus: Spektrum der Wissenschaft, Oktober 2011
Botox ist ein beliebtes Präparat der Schönheitsindustrie, das zum Glätten von Falten dient. Sein Wirkstoff Botulinumtoxin stellt jedoch ein tödliches Gift dar und eignet sich zur Herstellung biologischer Waffen. Illegale Hersteller könnten es an Terroristen verkaufen oder selbst Anschläge verüben. Wie die US-amerikanischen Mikrobiologen und Sicherheitsexperten Kenneth D. Coleman und Raymond A. Zilinskas in der Oktoberausgabe von Spektrum der Wissenschaft fordern, sollten Wissenschaftler und Ermittlungsbehörden, um die Gefahr des Bioterrorismus zu bekämpfen, in einer gemeinsamen Kampagne gegen die Vielzahl illegaler Anbieter vorgehen.
Botox wird in kleinsten Mengen injiziert, um mimische Falten zu glätten oder Muskelzuckungen zu unterbinden. Es ist nicht das einzige Medizinprodukt, das zu illegalem Handel und kriminellen Herstellungsmethoden verleitet. Mit dem Verkauf gefälschter Pharmazeutika werden auf dem Weltmarkt jährlich mindestens 75 Milliarden Dollar Umsatz erzielt. Doch die Wirksubstanz von Botox und verwandten Produkten unterscheidet sich ganz wesentlich von den Inhaltsstoffen anderer Pharmazeutika: Es handelt sich nämlich um das stärkste bekannte Gift überhaupt.
Botulinum-Neurotoxin gehört zu den weltweit gefährlichsten waffenfähigen Stoffen. Botulinumtoxin, kurz Botox, steht daher – wie die Erreger von Pocken, Milzbrand und Pest – auf der roten Liste der US-amerikanischen National Select Agent Registry. Dass sich der Wirkstoff potenziell als Massenvernichtungswaffe eignet, lässt die Existenz illegaler Labors, die das Toxin in größeren Mengen herstellen und über unklare Kanäle im Internet vertreiben, wesentlich bedrohlicher erscheinen als den Handel mit anderen gefälschten Pharmaka.
Bis heute haben weltweit nur sieben Unternehmen eine Lizenz zum Vertrieb des Wirkstoffs, der den pharmazeutischen Anforderungen für den Einsatz beim Menschen genügt. Viele andere Firmen, fünf davon in den USA, stellen Botox für Laborzwecke her. Das ist jedoch für die Anwendung beim Menschen nicht zugelassen. Es wird in Industrie und Wissenschaft genutzt, etwa für die Impfstoffforschung. Verpackung und Etiketten der gefälschten Produkte imitieren oft die Merkmale des Originals, häufiger jedoch tragen die Fälschungen ähnlich klingende Namen wie "Butox" oder "Beauteous". Manche dieser Mittel sind reine Attrappen ohne jede Spur von Botulinumtoxin. Etwa 80 Prozent der manipulierten Botoxpräparate enthalten jedoch wirksames Toxin, allerdings in stark variierenden Mengen.
Hauptabnehmer des verbotenen Botulinumtoxins, das üblicherweise weniger kostet als die zugelassenen Präparate, sind Ärzte und Kosmetiker. Sie kaufen häufig via Internet bei illegalen Herstellern oder deren Mittelsmännern ein und nutzen die Preisdifferenz zu den Originalpräparaten. Hersteller von legalem, arzneimitteltauglichem Botox setzen modernste Etikettierungstechniken ein: Hologramme oder verifizierbare Seriennummern auf den Packungen. So können sich Ärzte und Kosmetiker vergewissern, dass sie es mit Originalprodukten zu tun haben.
Aber auch militärische Interessen stecken bisweilen dahinter. Der relativ schnelle Zerfall des Toxins bei Kontakt mit Sauerstoff war bei früheren Versuchen ein größeres Hindernis, um Botulinumtoxin für Waffen zu verwenden. Den USA und der ehemaligen Sowjetunion gelang es dennoch, Kampfmittel zu produzieren, die Botulinumtoxin als Aerosol freisetzen. Der Irak stellte ebenfalls Botoxbomben her, die aber wahrscheinlich wirkungslos gewesen wären.
Die Bemühungen internationaler Sicherheitsinstitutionen zur Eindämmung biologischer und chemischer Waffen richten sich vor allem darauf, die Nachfrage zu begrenzen, indem man versucht, bestimmte Länder von der Entwicklung solcher Waffen abzuhalten. Zudem wird das Angebot an Ausrüstungen und das Knowhow zur Herstellung solcher Waffen durch strenge Ausfuhrbeschränkungen knapp gehalten.
Die beiden Mikrobiologen empfehlen, in konzertierten Aktionen illegale Produktionsstätten, vor allem in Asien, aufzuspüren. Doch sie sind skeptisch: "Wir nehmen nicht an, dass es einfach wäre, Regierungen zur Teilnahme Programm gegen Hersteller von illegalem Botox zu bewegen!"

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