"Wer ein Leben rettet, rettet die ganze Welt …". Dieser Satz steht auf der Medaille, mit der Israel und die Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem im Namen des jüdischen Volkes 'Gerechte unter den Völkern' ehrt. Zu diesen 'Gerechten' zählen alle, die mindestens einem Juden in den Jahren 1933-1945 das Leben gerettet haben.
Der Major der deutschen Besatzungsarmee Eberhard Helmrich und seine Frau Donata wussten, dass sie ihr Leben riskierten. Sollte die Gestapo entdecken, dass sie nicht nur in Polen, sondern im Herzen des Deutschen Reichs, also mitten in Berlin, Juden Zuflucht gewährten, dann würden ihre vier Kinder zu Waisen werden. Lange überlegten sie, welche Verpflichtung schwerer wiege; dann kamen sie zu dem Entschluss, dass sie ihre Kinder eher als Waisen zurücklassen wollten, denn als Kinder von Feiglingen aufwachsen zusehen. Auf abenteuerliche Weise konnte Eberhard dann fast 300 jüdische Zwangsarbeiter schützen, die auf dem Gut in der Nähe von Drohobytsch arbeiteten, das er im Auftrag der Wehrmacht leitete. Die Stadt liegt südlich von Lwiw in der Ukraine, unter deutscher Besatzung bekam sie wieder den österreichischen Namen Lemberg. Donata Helmrich holte mindestens fünf jüdische Mädchen, die nur oberflächlich als ‚Ukrainerinnen’ getarnt waren, als Hausmädchen nach Berlin und Hamburg. Zuerst behielt sie die Mädchen bei sich, bis sie sie sicher vermitteln konnte. Außerdem, so ein Zeuge, vermittelten die beiden weitere hundert jüdische Frauen als Hausmädchen nach Polen. Für viele stellte Eberhard im Keller seines Hauses gefälschte Papiere her. Das Ehepaar tröstete sich mit folgender Überlegung: "Sobald wir zwei Menschen gerettet hätten, wären wir quitt mit Hitler, selbst wenn man uns ertappte, und mit jedem Geretteten mehr hätten wir die Nase vorn."
Obwohl Eberhard Helmrich nichts vom Nationalsozialismus hielt, ging er zur Wehrmacht und wurde als Versorgungsoffizier eingeteilt. In Drohobytsch bestand seine Aufgabe darin, die in dieser Gegend stationierten deutschen Truppen mit Lebensmitteln zu versorgen. Er baute ein Gut auf, auf dem er etwa 300 Männer und Frauen beschäftigte, die zu fast 90 Prozent Juden waren. Die Ernten waren ausgezeichnet, die Truppen gut genährt und die Vorgesetzten zufrieden. Während der Massenmorde und Deportationen aus Drohobytsch ab Herbst 1942 bis Sommer 1943 widersetzte sich Helmrich wiederholt dem Befehl, seine jungen Arbeiter zu überstellen. Er erklärte seinen Vorgesetzten, das würde das Ende des Gutes bedeuten, dann könne er der Wehrmacht keine Lebensmittel mehr liefern. Der Major beschützte auch den jüdischen Chirurgen Dr. Sasha Weissmann dadurch, dass er ihm gefälschte Papiere gab, die ihn als Agrarspezialisten auswiesen. Bei der Gestapo gab er an, der Doktor sei für die Leitung des Gutes unentbehrlich. Vor dem Krieg hatten in der Stadt 15 000 Juden gelebt, als die Rote Armee im August 1944 in Drohobycz einmarschierte, waren es gerade noch 400. Fast jeder stand in irgendeiner Beziehung zu den Helmrichs.
Wenn Eberhard Helmrich einen schweren Kampf mit der unbarmherzigen Bürokratie ausfocht, so waren die Rettungsaktionen von Donata in Berlin ein Drahtseilakt. Ein Berlin, dass sich daranmachte ‚judenfrei’ zu werden, war kein leichter Ort um jüdische, junge Frauen ‚unterzubringen’. Hinzu kam, dass sie mit ihren vier Kindern an sich genug zu tun hatte, doch ging sie mit ihnen, dem Alter entsprechend, offen genug um, so dass diese sie unterstützten, so gut sie konnten. Die Gefahr, dass die Kinder sich mal ‚verplappern’ könnten, stand immer im Raum. Die damals 16jährige Susi Almann, die später als Susi Bezalel in Ramat Ghan bei Tel Aviv lebte, war das erste jüdische Mädchen, das, verkleidet als Ukrainerin und ausgestattet mit entsprechenden Papieren, Donata Helmrich mit nach Deutschland nahm, weil dort kaum noch Hauspersonal zu bekommen war. Später brachte Donata Helmrich noch Susis Schwester Hansi in Berlin unter und drei weitere jüdische Mädchen konnte sie nach Hamburg vermitteln. Alle fünf überlebten, wohnten später in Israel, den USA, in Australien und in Deutschland.
Eberhard und Donata Helmrich überlebten ebenfalls, doch ihre Ehe scheiterte. Eberhard ließ sich von Donata scheiden und heiratete eines der jüdischen Mädchen, die er vor der Gestapo gerettet hatte. Sie zogen nach New York. Donata Helmrich arbeitete nach dem Krieg als Privatsekretärin für Konrad Adenauer. Nach ihrer Pensionierung zog sie sich in ein Landhaus mit Reetdach auf der Insel Sylt zurück. Israel ehrte Eberhard Helmrich 1965 und 21 Jahre später, am 7. Juli 1986 erkannte Yad Vashem Donata Helmrich als Gerechte unter den Völkern an. Doch sie starb, bevor sie die Medaille von Yad Vashem entgegennehmen konnte. Es war ihre Tochter Cornelia Schmalz-Jacobsen, die spätere Ausländerbeauftragte des Deutschen Bundestages, die zu ihrem Andenken einen Baum in Yad Vashem pflanzte.
Weiterlesen:
➼ Clara und Max Köhler • Gerechte unter den Völkern
➼ Konrad David • Gerechter unter den Völkern
➼ Hans Hartmann • Ein Gerechter unter den Völkern
➼ Marianne Golz • Eine der Gerechten unter den Völkern
➼ Heinrich List • Ein ganz stiller Held
darüber hinaus:
➼ Lemberg ✡ Ghetto & Zwangsarbeitslager & Massenmord
Bild 1: Donata + Eberhard Helmrich 1940 – Quelle: Eberstadt.info · Buchtitel 'Ehepaar Helmrich' – Quelle: neuer-weg.com