Durchgelesen – „Mein Vater aus Paris“ v. Antonio Skàrmeta

Antonio Skàrmeta, geboren 1940, gehört zu den bekanntesten Schriftstellern Chiles. Als Anhänger von Salvador Allendes musste er 1973 nach dem Militärputsch das Land verlassen. Er lebte bis zur Rückkehr 1989 im Exil in West-Berlin. Nachdem die Demokratie in Chile zurückkehrt war, wurde Skàrmeta 2000 zum Chilenischen Botschafter in Berlin ernannt und bekleidete dieses Amt bis 2003. Seinen literarischen Durchbruch hatte er mit seinem berühmtesten Werk „Mit brennender Geduld“ errungen, das er sogar selbst als Regisseur 1983 verfilmt hatte. Der eigentliche Erfolg stellte sich jedoch erst nach der Verfilmung von Regisseur Michael Radfords 1994 ein, bei dem Philippe Noiret die Hauptrolle spielte. Das Buch wie auch der Film handeln von der besonderen Freundschaft zwischen einem Briefträger und dem chilenischen Literaturnobelpreisträger Pablo Neruda.

„Mein Vater aus Paris“ ist nun das aktuellste in deutscher Sprache veröffentlichte Werk von Antonio Skàrmeta. Ein erstaunlich schmaler Roman, aber dafür um so poetischer. Er spielt in einem kleinen gottverlassenen Dorf mit dem Namen Contulmo in der Nähe der südchilenischen Stadt Angol. Ein kleiner Ort, in dem nicht viel passiert, aber trotzdem Themen wie Liebe, Sehnsucht, Schuld und Verlangen einen sehr grossen Raum einnehmen.

Die Hauptperson in diesem Roman ist der junge  21 jährige Dorflehrer Jacques. Er lebt hier mit seiner Mutter ganz allein, denn sein Vater, der Franzose ist, hat sie Beide Hals über Kopf verlassen und ist aus Sehnsucht nach Paris zurückgekehrt. Seine Mutter hat ihn sehr geliebt, so sehr, dass sie sich fast das Leben genommen hätte. Aber auch Jacques würde am Liebsten vor Kummer sterben. Obwohl er bereits Texte und Bücher aus dem Französischen übersetzt, ist seine Mutter erst dann richtig glücklich, als man ihm die Stelle des Dorflehrers gibt. Somit bleibt wenigstens ihr Sohn bei ihr.

Jacques ist sehr beliebt bei seinen Schülern, vor allem bei einem ganz besonders – nämlich Augusto. Es ist der jüngere, fast 15jährige, Bruder seiner wunderschönen Nachbarin Teresa, die noch eine ältere Schwester, namens Elena, hat. Augusto liest sehr gerne und ist begabt, lustige Aufsätze zu schreiben. Er interessiert sich sehr für Gedichte und versucht dadurch mit Jacques näher in Kontakt zu kommen. Sozusagen nicht nur für ein Gespräch von Lehrer zu Schüler, sondern eher von Mann zu Mann.

Augusto möchte etwas ganz bestimmtes wissen. Er erkundigt sich bei Jacques, ob er schon mal im Bordell in Angol gewesen ist. Doch Jacques kann nichts dazu sagen, und beschliesst deshalb mit seinem Freund Christiàn nach Angol zu fahren, um das besagte Bordell aufzusuchen. Beide sind viel zu früh und vertreiben sich die Zeit in Angol, in dem sie Essen gehen und durch die Stadt bummeln. Während Jacques gerade Kinoplakate betrachtet, entdeckt er auf der Strasse ganz zufällig seinen Vater Pierre mit einem Kinderwagen:

„Verwirrt blickt der Mann in den Kinderwagen, erst dann wandern seine Augen hoch zu mir. Ich sehe seine buschigen Brauen, seine leicht gebogene Nase, seine feucht glänzenden, verschwommenen Augen und vor allem seine Wange mit der Narbe, ein Relikt von einem Streit in einer Bar. «Jacques? Bist du’s wirklich? C’est vraiment toi?» «Aber ja, Papa.»“

Beide sind total überrascht! Aber Jacques noch mehr, als er den kleinen Sohn seines Vaters kennenlernt. Pierre war nie woanders als in Angol und er ist auch nicht nach Paris zurückgekehrt. Warum ist er hier und warum hat er noch einen Sohn? All dieses Fragen beschäftigen Jacques. Doch sein Vater verrät nicht allzu viel und bittet ihn, seiner Mutter nichts von diesem Treffen zu erzählen. Zuerst hält er sich daran, bis Jacques auf eine kluge Idee kommt ….

„Mein Vater aus Paris“ ist ein kleiner feiner Roman voller Poesie, mit der Antonio Skàrmeta den Leser ab der ersten Zeile verführt und ihn ganz vorsichtig in dieses Dorf mitnimmt. Wir werden Beobachter einer etwas wehmütigen, aber trotzdem sehr sinnliche Liebesgeschichte. Skàrmeta ist ein Sprachzauberer, der aus unglaublich einfachen und klaren Worten eine Stärke und Tiefe erzeugt, die wir selten in der Literatur finden. Trotz der atemberaubend kurzen 25 Kapiteln auf sage und schreibe 96 Seiten versprüht dieser Roman eine ganz besondere Romantik. Eine Romantik, die jedoch nicht schwülstig daherkommt, sondern eher distanzierte Leichtigkeit verbreitet. Die aufs Wesentliche reduzierten und prägnanten Sätze sind vergleichbar mit den ganz bewusst geführten Pinselstrichen eines Malers. Mit zurückhaltender Sensibilität erleben wir in diesem Buch eine nicht ganz einfache Liebe und grosse Sehnsucht nach den eigenen Wurzeln, die nicht harmonischer in die südamerikanische Melancholie eingebettet sein könnte.

„Mein Vater aus Paris“ , ist sicherlich die „grosse“ Entdeckung dieses Bücherfrühjahrs! Was für ein schönes Buch! Ein echtes Juwel, das jeden anspruchsvollen Literaturfreund ein unvergessliches und äusserst poetisches Lesevernügen bereiten wird.



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