Dunkirk
8KriegsfilmDen angespanntesten Moment in Christopher Nolans Kriegsdrama erschafft nicht Hans Zimmers pulsierendes Score oder Hoyte van Hoytemas packende Kameraaufnahmen. Es ist der unscheinbare Einleitungstext zu Beginn der aufreibenden Chronik, der die aussichtslose Lage der Protagonisten umreißt.
400.000 alliierte Soldaten sind im Anfangsstadium des Zweiten Weltkriegs am Strand des titelgebenden Ortes in Frankreich eingekesselt vom unbenannten Feind. „The enemy“ ist Nazi-Deutschland, dessen Luftwaffe den demoralisierten Gegner auf dem Präsentierteller hat. In diesem von entsättigten Farben intensivierten Klima der Ausweglosigkeit warten die jungen Soldaten Alex (Harry Styles) und Gibson (Aneurin Barnard) mit den anderen Männern auf das, was Churchill in seiner berühmten Ansprache später „das Wunder der Erlösung“ nannte.
Von Erlösung mit all ihren göttlichen und glorifizierenden Implikationen spricht auch die Einleitung, doch ein solcher von Fanfaren begleiteter Augenblick des Triumphs oder wenigstens der Befreiung kommt für die unter freiem Himmel Gefangenen nie. Jedes Mal, wenn ein Aufatmen möglich scheint, macht ein weiterer Angriff der Deutschen die frisch geschöpften Hoffnungen auf Überleben zunichte.
Der minimale Dialog und wohldosierte Einsatz von Gewaltszenen evoziert ein Gefühl unentrinnbarer Beklemmung, bei den Charakteren genauso wie beim Publikum. Letztes hat die beruhigende Gewissheit des historischen Ausgangs der Evakuierung. Im Gegensatz zu Alex und Gibson, die mit immer verzweifelteren Mitteln zu entkommen versuchen. Doch Optimismus seitens der Zuschauer wäre ebenso voreilig wie die Erwartung eines konventionellen Heldenmärchens.
Cillian Murphys verstörter Schiffbrüchiger, der von einem Zivilisten (Mark Rylance) und dessen Sohn (Tom Glynn-Carney) unterwegs zum Titelort gerettet wird, gemahnt an das anhaltende Trauma des Krieges. Mittels seiner fragmentierten Perspektiven zeigt Nolan die destruktive Gewalt des Krieges weit jenseits der Grenzen des Schauplatzes unmittelbarer Zerstörung und Vernichtung.
Dunkirk wird letztlich selbst zu der erhofften Erlösung, die für die Betroffenen, denen der Film gewidmet ist, wohl unerreichbar bleibt: eine kurzzeitige Erlösung von trügerischem Heroismus, aggressivem Patriotismus und Geschichtsklitterung, wie sie zuletzt Hacksaw Ridge oder Churchill zelebrierten. In grausamer Ironie hingegen werden die Zurückkehrenden unfreiwillig Teil der Propagandamaschinerie, die den Krieg befeuert – und wahrscheinlich auch das Gros seiner zukünftigen Filmdarstellungen.
Regie und Drehbuch: Christopher Nolan, Darsteller: Fionn Whitehead, Harry Styles, Aneurin Barnard, Mark Rylance, Tom Hardy, Cillian Murphy, Filmlänge: 106 Minuten, Kinostart: 27.07.2017
Autor
Lida Bach&post;