Meine Einschulung ist diesen Sommer 30 Jahre her. 30! Jahre! Wenn ich es nicht besser wüsste, ich würde mir das nicht glauben. Diese Zahl, 30, wirkt in diesem Zusammenhang irgendwie so riesig und gewaltig, dass ich mich vor ihr am liebsten hinter dem Sofa verstecken würde. Außerdem fühlt es sich gar nicht so weit weg an. Immerhin erinnere ich mich an den Tag, als wäre es gestern gewesen. Ich weiß noch, dass ich mit einem rosa-weiß gestreiften Rock, passender Bluse, diesen monströsen Spitzenkragen, die man früher noch extra über die Oberteile binden konnte, rosafarbenen Clogs, einem rosafarbenen Scout-Schulranzen und - Überraschung! - einer rosafarbenen Schultüte so angekaspert wurde, dass ich wie laufender Schweinespeck aussah, bevor es für ernst wurde. Ich weiß noch, dass vor der Schule eine Tafel mit dem Jahrgang und ein übergroßer Garfield standen, neben denen ich mich aufstellen musste, um mein rosafarbenes Ich für die Nachwelt festzuhalten. Ich weiß noch, wie wir in der Aula saßen, nach und nach aufgerufen und in unsere Klassen verteilt wurden. Und ich weiß auch noch, wie ich später im Auto meine Schultüte aufgemacht und lauter Schulgedöns rausfischen durfte, anstatt bergeweise heiß begehrtes Schnuckelzeugs. Und wenn das alles noch so greifbar ist, wird es gleich noch eine Nummer unglaublicher, dass dieser Tag bereits so weit in der Vergangenheit liegen soll.
Aber ich kann mich nicht nur an meine Einschulung bestens erinnern, sondern auch an sehr sehr viele Einzelheiten aus meinen 12 Schuljahren. Dabei verbinde ich die schönen Erinnerungen eher mit meinen Erlebnissen, die ich gemeinsam mit meinen Freunden hatte, während der Unterricht sehr oft ganz laut Hier! geschrien hat, wenn es um die Verteilung der schlechten Erinnerungen ging. Nicht die gesamten 12 Jahre über und auch nicht jedes Fach, aber wenn ich mich zwischen dem einen und dem anderen entscheiden müsste, war mir Käse fabrizieren eindeutig lieber, als irgendwelche Flüsse auf Karten suchen, Vokabeln lernen, oder - und das kam wirklich Folter gleich - Grammatik!
Deutschunterricht war wirklich nicht meins. Ich habe nie verstanden, wieso man alles auseinanderklabüstern und in seine Einzelteile zerlegen muss, anstatt einfach fröhlich vor sich hin zu plappern und nachdem mein damaliger Deutschlehrer mir mit seinem " Weils so ist " die Sache auch nicht wirklich schmackhafter machen konnte, habe ich im Unterricht oft meine kreative Ader ausgelebt und mein Heft mit diversen Kreisen, Herzchen und Liebesbekundungen verschönert. Aber der Deutschunterricht besteht ja nicht von der 1. bis zur letzten Klasse aus Grammtik und so kam doch tatsächlich irgendwann der Moment, der mich aufhorchen ließ.
Bücher, Bücher und nochmal Bücher
Irgendwann kommt jeder in den Genuss, seine Deutschnote mit dem Lesen von Büchern aufpeppen zu können und nachdem ich eine gefühlte Ewigkeit sämtliche Regeln der deutschen Sprache über mich ergehen lassen musste, hatte ich mir das ganz gewaltig verdient. Als der Lehrer verkündete, dass wir uns fortan fleißig mit Büchern beschäftigen würden und das Hauptbestandteil unserer Noten sein würde, sah ich die strahlende 1 schon förmlich vor mir. Bis .. Ja, bis uns dann gesagt wurde, was wir lesen würden. Neben einem Jugendroman über Drogenkonsum (an den Titel kann ich mich leider nicht mehr erinnern) und Che - Die Biografie des Ernesto Guevara, die mir beide wirklich gut gefallen haben, kamen wir unter anderem in den Genuss von Der Richter und sein Henker, Der Besuch der alten Dame, Die Physiker, Effi Briest und - mein ganz persönlicher Horror - Homo Faber.
Setzen, 6!
Von meiner strahlenden 1 habe ich mich sehr schnell wieder verabschiedet, nachdem wir die ersten Runden fröhliches Analysieren und Heruminterpretieren hinter uns hatten. War ich Anfangs noch voller Elan bei der Sache, bekam ich ziemlich bald einen gewaltigen Dämpfer verpasst. Wie sich herausstellte, gab es nämlich immer nur eine richtige Antwort und die stand in dem schlauen Büchlein von Herrn Lehrer und meine Antworten hatten mit dem, was da drinstand, nicht die geringste Ähnlichkeit. Nie. Irgendwann habe ich ihn mal gefragt, woher er bitte wissen möchte, dass der Autor uns genau das sagen wollte, was in seinem Lösungsbuch steht, wo er inzwischen doch längst verstorben ist und nicht mehr gefragt werden kann. Das hat Herrn Lehrer gar nicht gefallen und als Antwort bekam ich mal wieder seine allerliebste Erklärung für alles zu hören: Weils so ist.
Frischer Wind auf der Zielgeraden
Nachdem mir in der Mittelstufe die Lust auf Bücher tatsächlich weitestgehend flöten gegangen ist, habe ich für die Oberstufe echt schwarz gesehen. Unbegründet, wie sich direkt zu Beginn des neuen Schuljahres herausgestellt hat. Wir bekamen nämlich einen neuen Lehrer und der ist noch heute mein Held. Er war extrem nett und locker und hatte stets ein Ohr für seine Schüler und dass er mir meine Lust auf Bücher wieder zurückgab, machte diesen Mann als Lehrer einfach perfekt. Natürlich mussten wir auch in der Oberstufe Bücher lesen und zerpflücken, klar, aber diesmal durften wir uns unsere Lektüre selbst aussuchen. Wir haben also alle Mann fleißig unsere Freizeitlektüren ausgewählt und durch die ausführlichen Präsentationen, die Bedingung für die freie Hand waren, die uns unser neuer Deutschheld ließ, wurden wir auf Bücher aufmerksam, denen wir selbst nicht sonderlich viel Beachtung geschenkt hätten.
Du lernst nicht für den Lehrer, sondern für dich selbst
Es stimmt natürlich, dass Lehrer nicht automatisch für schlechte Noten verantwortlich gemacht werden können. Man muss sich schon selbst auf den Hosenboden setzen und etwas für die Schule tun, wenn man am Ende nicht aufwachen und erkennen möchte, dass man es versemmelt hat. Aber manchmal trägt ein Lehrer zumindest eine Teilschuld. Er hat einen Lehrauftrag, ist dafür da, die Fragen seiner Schüler zu beantworten, ihnen unbekannte Welten nahe zu bringen und selbst mindestens ebenso aufgeschlossen und lehrbereit sein, wie er es von seinen Schülern verlangt. Die Mittelstufe war meine Deutschhölle und ich bin der Meinung, dass der Lehrer mit seiner allgemeingültigen Antwort auf alles und seinem nicht akzeptieren von Alternativmeinungen sehr dazu beigtragen hatte, dass das Fach Deutsch auch dann noch ein Nervfach für mich war, als Grammatik schon längst nicht mehr an der Tagesordnung stand.
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