Dörte Hansen. Altes Land

hansen_altes_land“Altes Land” und ich sind erst sehr spät Freunde geworden. Da stand der Roman längst auf der Bestsellerliste. Es war bereits Herbst …. doch kaum hatte ich mich auf die ersten Sätze eingelassen, da war ich schon komplett eingenommen von der Geschichte und hatte das Gefühl, selbst in diesem alten, stöhnenden und von den Westwinden durchgerüttelten Haus mit dem Reetdach zu sitzen. Neben Vera “in ihrer Rüstung aus Zorn”. Gemeinsam mit ihren Hunden und dem kleinen Jungen Leon mit seinem Maulwurf-Trinkbecher und einem frischen Honigbrot.

Seither habe ich diesen Roman unzählige Male und voller Leidenschaft in der Buchhandlung empfohlen. “Altes Land” war eines der am liebsten gekauften Weihnachtsbücher. Und nun sitze ich hier beim leisen Flackern einer Kerze, höre klassische Musik und trinke heißen und sehr starken Kaffee. Ich schaue zurück auf die letzten zwölf Monate mit unzähligen guten Büchern. Ich schreibe meinen (vielleicht) letzten Text in diesem Jahr. Keine Rückschau. Nur ein paar letzte Worte zu einem meiner liebsten Bücher von 2015 … 

… das an einem eiskalten Tag im Januar 1945 beginnt. Ohne viele Worte lässt Dörte Hansen Bilder explodieren in meinem Kopf. Flüchtlingsströme aus dem Osten, verschneite Ebenen, vermummelte Menschen mit Pferdefuhrwerken, zugefrorene Flüsse. Kaum aber habe ich mich darauf eingelassen, springt der Roman im zweiten Kapitel in die Gegenwart.

Anne lebt im heutigen Hamburg-Offensen. In der Kita ist Schnuppertag für die Musimaus-Kurse und Anne muss mit ihrer Querflöte kleine gelangweilte Kinder für Musik begeistern. Was ihr schlecht gelingt. Als sie den Job verliert und ihr Mann sie verlässt, besinnt sie sich auf ihre Tante Vera in dem Dorf am Deich. Vera lebt hier seit Januar 1945. Sie war damals ein fünfjähriges Mädchen, das an der Hand seiner Mutter Hildegard aus Ostpreußen geflüchtet war und von der wohlhabenden Ida Eckhoff aufgenommen wurde, um anfangs in der eiskalten Gesindekammer zu wohnen. Ein zweites Kind war auf der Flucht gestorben, festgefroren in den Windeln. Doch Hildegard kann es sich nicht leisten, zurück zu schauen in den Osten, aus dem sie als reiche Preußin losmarschiert war. Eis im Herzen, ewige Wut im Bauch. Umarmungen, Zärtlichkeiten gibt es kaum. Und man wundert sich nicht, dass ihre Töchter Marlene und Vera ebenso wütende und zornige Frauen geworden sind, wo immer mal die Schranktüren knallen. Bei denen es poltert, donnert und kracht. Gemüsesuppe kochen? Bei Marlene beispielsweise konnte das klingen wie ein Massaker, bei dem Kohlköpfe zerhackt, Bohnen gebrochen und Möhren die Haut heruntergeschrappt wurde.

Vera hat sich in ihrem sehr einsamen Leben irgendwie eingerichtet. Und dann steht da plötzlich ihre Nichte mit dem kleinen Jungen vor der Tür und alles wird komplett durcheinander gewirbelt in dem Altländer Reetdach-Haus mit der verwitterten Inschrift in Plattdeutsch am Giebel: Dit Huus is mien un doch nich mien, de no mi kummt, nenn’t ook noch sien.

Anne und Vera sind zwei Frauen, die sich komplett voneinander unterscheiden, die aber zueinander finden in diesem moosbesetzten Haus mit den alten Mauern. Dörte Hansen erzählt von Menschen und  Zeiten, die manchmal hart, kalt und herzlos sind. Doch sie beschreibt das alles mit viel Liebe, Wärme, Herz und auch Humor, so dass dieser Roman auf geheimnisvolle Weise strahlt und lange präsent bleiben wird in meinem Kopf, wo andere Romane längst vergessen sind.

Dörte Hansen. Altes Land. Albrecht Knaus Verlag. München 2015. 287 Seiten. 19,99 € / auch als CD bei Random House Audio. Gelesen von Hannelore Hoger. 19,99 €



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