Hallo ihr Lieben,
ich habe das Vergnügen bei einem Buch-Film-Vergleich des Hoffmann und Campe Verlages mitmachen zu dürfen. Anlass ist die Verfilmung der Kurzgeschichte "Tage am Strand" von Literaturnobelpreisträgerin Doris Lessing, die aktuell im Kino läuft.
Bei einem Buch-Film-Vergleich ist für mich sonnenklar, dass zuerst gelesen und dann geschaut werden muss. Ich habe es wahrscheinlich noch nie anders herum gemacht. Ich warte so lange mit dem Film gucken, bis ich das Buch gelesen habe. Ist wahrscheinlich eine Macke von mir ;) So war auch diesmal erst die Kurzgeschichte an der Reihe:
Die Kurzgeschichte von Doris Lessing......fängt sehr geheimnisvoll an: Zwei kleine Mädchen kommen mit ihren Vätern und Großmüttern in ein Café und geben das Bild einer perfekten Familienidylle ab. So denkt wenigstens die Kellnerin Theresa, die die scheinbar perfekte Familie anhimmelt. Doch plötzlich ziehen Wolken in Gestalt einer der Ehefrauen auf, die mit einer entsetzen Miene auf die Männer und ihre Mütter zukommt. Etwas muss passiert sein... Diese Einleitung fand ich sehr reizvoll.
Es folgt ein Sprung zurück: Die Geschichte wird chronologisch erzählt. Roz und Lil sind seit ihren Kindheitstagen beste Freundinnen. Beruflich geht jede ihren eigenen erfolgreichen Weg, aber privat sind sie untrennbar. Nach Schule und Universität wird eine Doppelhochzeit gefeiert und die beiden jungen Frauen beziehen mit ihren Ehemmännern zwei Häuser, die sich direkt gegenüberstehen. In kurzem Abstand kommen die jeweiligen Söhne, Ian und Tom, zur Welt. Sie wachsen wie Brüder auf - genauso wie es bei Roz und Lil war. Roz' Mann fühlt sich nicht wohl dabei, dass Roz alle wichtigen Entscheidung lieber mit Lil berät als mit ihm. Darum verlässt er sie und zieht weg. Wenig später stirbt Lils Mann bei einem Unfall. Die beiden Jungen sind plötzlich vaterlos und so rückt das Quartett enger zusammen. Ian kann den Tod seines Vaters nur schwer verkraften. Als Teenager mit rund 17 Jahren geschieht etwas sehr absurdes. Er findet Trost bei Roz, der besten Freundin seiner Mutter. Die beiden beginnen eine Affäre. Als Lil und Tom dahinterkommen, tun sie es ihnen gleich. Das Kernthema dreht sich also um diesen Tabubruch. In gewisser Weise kommt es einem wie Inzest vor.
Einige Jahre leben die beiden Familien in dieser Konstellation glücklich zusammen. Da Roz und Lil für Lesben gehalten werden, kommt auch niemand in der Stadt dahinter. Schließlich findet aber Roz, dass die Liebesbeziehungen aufhören müssen und die Söhne heiraten sollten. Beide finden sich nur schwer damit ab, heiraten aber letzendlich doch und bekommen jeweils eine Tochter. Man denkt die Verältniss zwischen Mütter und Söhnen wäre damit beendet, aber als die Ehefrauen dieses Geheimnis aufdecken und mit den Töchtern verschwinden, stellt sich die Frage, ob die Vier zu ihren alten Gewohnheiten zurrückkehren?
Zum Lesen fand ich die Geschichte sehr kurzweilig und gut geschrieben. Obwohl man in die vier Hauptcharaktere nicht tief eintaucht, wie auch bei einer Kurzgeschichte, ist die ganze Erzählung sehr gefühlvoll. Den Müttern ist natürlich bewusst, dass ihre Situation inakzeptabel ist, gleichzeitig können sie es aber kaum fassen, wie glücklich sie sind. Daher fällt es ihnen schwer, die Verhältnisse zu beenden und auf den ehrbaren Weg zurückzukehren. Die Söhne scheinen sowieos nicht einzusehen, was falsch daran ist.
Der Film mit Naomi Watts und Robin Wright:
Nachdem mir die Kurzgeschichte wirklich gut gefallen hat, weil ich das Thema spannend fand und sie gut zu lesen war, war ich natürlich super neugierig, wie der Film sein wird. Im Vorspann werden zwei kleine blonde Mädchen gezeigt, die herumtollen und am Strand baden. Also Lil und Roz in ihrer Kindheit. Was mich überrascht hat war, dass dann ein Schnitt kam und die nächst Szene die Beerdigung von Lils Ehemann/Ians Vater zeigt. So wurde einiges übersprungen. In den folgenden Szenen, gehen Roz und Lil vertraut am Strand spazieren und die Jungs Ian und Tom werden beim Surfen gezeigt. Dieses Eindrücke sind ohne Dialoge und nur mit Musik untermalt. Schön gemacht.
Mit einem weiteren Zeitsprung setzt die Handlung nun wirklich ein, die Jungs sind junge Männer geworden. Die Mütter liegen am Strand, schauen ihnen beim Surfen zu und empfinden auf einmal, dass ihre Söhne wie junge Götter aussehen.Passend zu diesem Zeitpunkt trennen sich im Film auch Roz und ihr Eheman Harold und das Quartett ist nun voll unter sich. Die Gesichte kennt ihr ja nun. Nach dieser gerafften Einleitung, kommen die Affären nun in Gang und der Film verweilt sehr lange in dieser Situation.
Dann springt die Zeit wieder ein paar Jährchen vor und die Jungs haben studiert und arbeiten. Tom hat die Chance bei seinem Vater in Sdyney ein Theaterstück zu produzieren und ergreift dies natürlich. Zum ersten Mal wird das Quartett und damit auch eines der Paare getrennt. Tom lernt Mary kennen und es wird etwas verkürzt dargestellt, wie schwierig es für ihn ist zwischen Lil und Mary zu entscheiden. Ich finde, das hätte man noch ausbauen können. Die Hochzeitsszene hat mir im Film gut gefallen. Im Vergleich zum Buch war es eindrücklicher, wie Lil unter dieser Situation leidet. Im Film kommt unheimlich viel über die ausdrucksstarken Blicke der Schauspieler rüber.
Den großen Knall gibt es am Schluss nicht durch Briefe, die Mary findet; sondern Ian erwischt Tom und Lil beim Sex. Daraufhin rennt er wütend zu Roz und brüllt sie an, warum sie mit ihm Schluss gemacht hat, während Tom und Lil sich nicht getrennt haben. Während dem Streit treten Toms und Ians Ehefrauen in den Raum und erfahren so die ganze Geschichte. Diese Szene ist weitaus dramatischer und lauter als ich es beim Lesen der Kurzgeschichte erfunden habe.
Fazit:
Beides Film und Buch leben eher von den leisen Tönen und laufen eher ruhig ab. Der Film bringt tolle visuelle Eindrücke mit sich: die jungen Männer waren ein Hingucker ;); aber die tolle australische Küstenlandschaft war schön und hat bei mir Urlaubssehnsucht hervorgerufen. Solche Bilder kann ein Buch nicht vermitteln. Außerdem wurde im Film die erotische Stimmung deutlicher. Dafür hatte das Buch die spannendere Einleitung und insgesamt den Tabubruch samt verwirrender Gefühle besser rübergebracht. Die Unterschiede im Detail fand ich im Vergleich nicht schlimm. Ich kann mich also nur schwer entscheiden, ob ich Buch oder Film besser fand. Ich glaub, wenn ich das die Geschichte nicht vorher gelesen hätte, hätte ich den Film nicht so gut gefunden. Grund ist: beim Film schauen, habe ich mir unheimlich viel selbst dazugedacht, was ich aus der Geschichte her schon wusste. Ohne diesen Hintergrund wäre mir der Film möglicherweise etwas langatmig und langweilig vorgekommen.
Hat jemand von euch den Film gesehen ohne den Text zu kennen und kann dazu was sagen?
Boah, das ist jetzt richtig lang geworden. Ich hoffe, es ist euch nicht zu viel zu lesen. Sorry :)LG Mad