Doris Knecht. weg

Doris Knecht. wegEigentlich ein Luxusproblem. Zumindest in Asien. Zumindest in einer Millionenmetropole wie Saigon (Ho-Chi-Minh-Stadt). Ein Kind finden. Um die halbe Welt zu fliegen, um eine Tochter zu finden!
Heidi sieht um sich herum so viel Armut, so viele Menschen, die am Existenzminimum leben. Für sie muss es purer Luxus sein, was Heidi hier tut. Zusammen mit dem Kindesvater Georg, mit dem sie nichts verbindet. Nie verbunden hat! Außer dieser Moped-Tour damals … ohne welche sie nie eine gemeinsame Tochter Charlotte hätten. Sie haben es dann noch kurze Zeit als Paar versucht. Es hat nicht funktioniert.

Jetzt also sitzt die hyper ängstliche 46 Jahre alte Heidi aus einer deutschen Kleinstadt nach Jahren wieder auf einem Moped. Auf dem anderen Moped sitzt Georg und gemeinsam suchen sie ihr Kind, die blasse zarte rothaarige Lotte. In den letzten 20 Jahren hat Heidi wahrscheinlich nicht so viele Menschen gesehen, wie in den letzten Stunden. Nie, wirklich nie hat Heidi ihre Komfortzone – die nette kleine Reihenhaussiedlung – verlassen.
Aus erster Angst und Panik aber wird Verständnis für dieses andere Leben. Heidi bemerkt, dass sie zu Hause immer viel zu viel erwartet. Dass sie an viel zu viel gewöhnt ist. Und so wird dieser Asien-Trip auch zu einem Spiegel für Georg und Heidi. In diesen Spiegel zu schauen, ist schmerzhaft und heilend zugleich. Vielleicht sind ihre Leben in Deutschland und Österreich doch so schlecht nicht?

Ihr Trip führt sie von Saigon in Vietnam über den Mekong bis nach Phnom Penh in Kambodscha und schließlich nach Thailand. Dank ihres Reisebegleiters Jules gestaltet sich die Suche als relativ entspannt. Wer kennt sich schon aus mit Visa, Geldtausch und Grenzüberschreitungen?!

Das Problem mit Charlotte – sie ist nicht gesund und muss starke Sedativa nehmen. Ihren ersten psychotischen Schub hatte sie mit siebzehn. In Reaktion auf Alkohol und Hasch. Anfangs hatte Heidi gehofft, ihre Tochter rebelliere, pubertiere oder mucke eben einfach auf wie ein ganz normaler Teenager. Doch sie muss erkennen, dass ihre Tochter „versaute Gene“ hatte. Dass davon ihre Stimmungen schnell wechseln. Meist geht es Charlotte „supersuper“. Dann braucht sie Geld, so wie jetzt. Doch nach einer solchen manischen Phase ist Charlie auch ganz schnell wieder down.

In einem Interview im Standard vom 10.03.19 erzählt Doris Knecht, dass Charlie nicht einfach nur eine Psychose hat: Es ist eine durch Suchtmittel induzierte Psychose. Ich habe dafür viel mit Experten gesprochen, die im Suchtbereich arbeiten. Auch über dieses um ein Vielfaches stärkere Marihuana, das heutzutage im Umlauf ist und das immer öfter mit Schizophrenie in Verbindung gebracht wird, vor allem, wenn es genetische Dispositionen gibt. Trotzdem wird Marihuana noch immer überwiegend als harmlos dargestellt.

Charlies Halbbruder Lukas ist übrigens der Einzige, der weiß, wo seine Schwester sich aufhält. Und dass sie auf keinen Fall von Mom und Dad gefunden werden will. Lukas aber will genau das. Und so hilft er über WhatsApp bei der Suche. Sein „Findet Charlie, Mom!“ begleitet den gesamten Trip. Ein Trip mit offenem Ende. Aber einem Ende, das es in sich hat und das mich strahlen lässt vor Glück. Weil so viel Unerwartetes geschieht in dieser starken Mutter-Tochter-Geschichte. Und weil Doris Knecht wundervoll lakonisch und trocken humorig erzählt. Davon, wie es ist, ein Kind zu haben. Und dass die Sorge nie aufhört, auch wenn das Kind erwachsen und verliebt ist und am anderen Ende der Welt lebt. weg ist eine Geschichte, die Spaß macht. Mit Figuren, die authentisch sind und einem schnell vertraut werden. Absolute Frühlingsempfehlung.

Doris Knecht. weg. Verlag Rowohlt Berlin. 2019. 304 Seiten. 22,- €


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