Einkaufen im Dorf oder im Einkaufszentrum?
Selten liegen Mühe und Vergnügen so nah beieinander wie beim Einkaufen, findet ihr nicht? Was mich betrifft, kurve ich mindestens zweimal pro Monat mit einem überdimensional grossen Einkaufswagen durch die – gefühlt – kilometerlangen Regale, um den Grosseinkauf für meine fünfköpfige Familie mit bald drei pubertierenden und dauer-hungrigen Sprösslingen zu tätigen.
Die Qual der Wahl: Braucht es überhaupt so viel Auswahl?
Italien kennt weder Migros-, noch Coop-Kinder, sondern eine wachsende Anzahl an Supermärkten mit den fantasievollsten Namen wie Conad, Carrefour, Esselunga oder Eurospin („Euro“ steht für die Währung und „spin“ für „spesa intelligente“, intelligenter Einkauf), einer grösser als der andere. Denn in Italien ist ja alles eine Spur grösser, also auch die Supermärkte und die Einkaufswägeli. Es gibt den kleinen Coop als Dorfladen, oder aber den „Ipercoop“ als Supermarkt.
Mein Tante-Emma-Lädeli gegenüber der Strasse, das mich oft aus kulinarischen Engpässen gerettet hat, hat leider dichtgemacht. Oft stellte ich während der Vorbereitung des Abendessens fest, dass eine Zutat fehlte und konnte kurz über die Strasse hechten, um diese zu besorgen. Jetzt muss ich ein paar hundert Meter weitersprinten. Meine in die Jahre gekommenen Nachbarn sind dem Tante-Emma-Laden treu geblieben. Zum Glück. Auch ich versuche, so oft ich kann, im Dorf einzukaufen. Etwa im Dorfcoop, oder aber am Wochenmarkt, wo ich feinen Alpkäse aus der Region oder frischen Fisch bekomme.
Für alles andere fahre ich zu meinem Lieblingssupermarkt Esselunga, der letztes Jahr sein 60-Jahr-Jubiläum begangen hat. Entstanden ist er im Jahr 1957 als kleiner Supermarkt an der Viale Regina Giovanna in Mailand. Für den Namen „Esse – lunga“ (langes „S“) wurden die Gründer vom Schriftzug „Supermarket“ inspiriert, dem der Grafiker Max Huber ein langes „S“ verpasste. Dort finde ich alles, was ich brauche. Tomatensauce? Ein ganzes langes Regal voll, so dass ich nur noch rot sehe. Pasta? Eine ganze Abteilung, links und rechts. Und viele hauseigene Biomarken. Praktisch von jedem Lebensmittel gibt es auch die Bio-Ausgabe. Ach ja – die Esselunga ist übrigens zweistöckig! Das macht den Einkauf noch eine Spur aufregender.
Per Rolltreppe gelange ich zum oberen Stock; mittlerweile weiss ich, was ich wo bekomme. Und das ist wichtig, denn beispielsweise bei Ipercoop werden die Waren alle paar Monate mal umgestellt, und jedes Mal, wenn ich einkaufen gehe, verliere ich den Überblick ob der neuen Einteilung. Gar nicht kundenfreundlich, wie ich finde.
Das schönste am italienischen Einkauf ist, neue Produkte zu entdecken. Wie im Schlaraffenland! Neue Guetsli oder Crackers ausprobieren, yeah! Und das Beste – meistens ist gerade einer von jenen Artikeln in Aktion, den ich auf meiner Liste stehen habe. Ist euch das auch schon passiert? Und so wird auf Vorrat gehamstert, äh, gekauft und der Wagen wird immer voller. Bis ich ausser Atem, aber glücklich, mit vier bis fünf prallvollen Einkaufstaschen den Heimweg antrete. Die ich von zuhause mitgebracht habe, klar. Wie immer mehr Stiefelbewohner es auch tun, denn die „Säckli“ kosten, seit Anfang Jahr auch die kleinen für Früchte und Gemüse. Was die Italiener auf die Palme brachte. Aber das ist eine andere Geschichte.
Wie sieht euer Einkaufsverhalten aus? Wie oft macht ihr Grosseinkäufe? Könnt ihr im Dorf, im Quartier einkaufen? Auf dem Markt? Ist das Einkaufen eher Lust oder Frust?
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Sarah Coppola-Weber ist gebürtige Ostschweizerin mit italienischem Pass. Sie lebt mit einem neapolitanischen Ehemann, zwei Töchtern (16 und 13) und einem Sohn (9) seit 17 Jahren in der Nähe von La Spezia. Für “Die Angelones” schreibt die ausgebildete Doula über Familien -, Gesundheits- und Ernährungsthemen sowie Themen, die Eltern den Alltag mit ihren Sprösslingen erleichtern und lässt dabei die LeserInnen am facettenreichen italienischen Alltag teilhaben, wo der Ausnahmezustand oft an der Tagesordnung und von „dolce far niente“ keine Spur ist!
Mehr über Sarah und ihre Familie erfahrt ihr in im spannenden Interview, das wir mit ihr führen durften!
Seid gespannt auf Sarahs nächsten Beitrag, wenn sie uns vom Jahr berichten wird, das noch so neu und frisch riecht, ganz so wie kalter Kaffee…!
Sarahs bisher erschienenen Beiträge könnt ihr hier nachlesen:
Aus dem Leben einer Doula:
- Sex gute Gründe für ein Schäferstündchen
- Die Geburt: Ein maschineller Prozess oder ein magischer Vorgang
- In Erwartung
- 10 gute Gründe, um eine Doula zu engagieren
- D wie Doula
Elterntipps:
- Pubertät ist, wenn die Welt Kopf steht
- Geteiltes Leid…
- Das Glück auf die Haut tätowiert
- Ferien auf Balkonien: Von wegen Langeweile
Dolce Vita:
- Unschöne Überraschungen im Belpaese
- Kleine Geschenke erhalten die Kundschaft
- Kalter Kaffee und Schnee von gestern
- Von elterlichen Hausaufgaben
- Im Wunder – äh, Gardaland
- Auf sonntäglicher Shoppintour
- Strandleben mit Kids im blauen Paradies
- Familientrip nach Rom
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