Doku Deutschland: Limit für das Leben

Doku Deutschland: Limit für das LebenWir haben alle solche Tage, keiner weiß das besser als ich. Manchmal scheint morgens die Sonne, die Welt sieht aus, wie wir sie aus Büchern kennen. Man greift aus dem Bett nach dem Limi, schaut, rechnet, legt den Kopf vielleicht noch einmal zurück. Zwei Stunden später steht man schon an der Schranke, grell von Energiesparlampen beleuchtet. Und tut seine Arbeit.
Wir versuchen, über all das nicht nachzudenken. Wer nachdenkt, kann den Job nicht tun, das sage ich ihnen gleich. Sie haben hier kein Blut, natürlich nicht, keine Schreie, keine Gewalt. Aber wenn wir mit einem fertig sind, dann ist der nicht mehr da, dann ist der weg, dann tut der keinem mehr was, das ist Fakt.
Ich habe damit leben gelernt, das haben wir alle. Aber wie gesagt, jeder von uns hat Tage, da geht es besser, und Tage, da geht es schlecht. Der Junge war mir ja bis dahin nicht mal aufgefallen, muss ich gestehen. Von einem Moment auf den anderen hüpft er los und brüllt und reisst sich den Limiter raus und springt über die Absperrung. Was hätten wir machen sollen? Exceeter-Koller, aber akut!
In solchen Fällen gibt es klare Vorschriften. Da wird nicht einmal mehr auf den Stand des Limiters geschaut, da wird nur noch schnellstens gehandelt. Das Weltklimaregime verträgt keine Querschüsse mehr, das ist wie eine Brücke, die gerade noch so die trägt, die ganz langsam auf ihr langschlurfen. Aber niemanden, der hüpft und springt.
Den Jungen haben also gedeckelt, das heißt zugemacht. Dazu, das wissen Sie sicherlich, haben wir Stickstoffpistolen, die klimaneutral ein Lähmpfeil verschießen. Da klappen Sie ab als wären Sie vor eine Wand gelaufen. Ist Routine für uns, immer wenn hier jemand ankommt, dessen Limiter im Rot ist, läuft das so. Zumachen. Abschleppen. Exciting-Room. Röttgen. Ende.
Doku Deutschland: Limit für das LebenIch bin ja einer der Älteren hier in der Truppe, noch ein Stück weg von Rot, aber auch nicht im Grün wie früher, als wir alle jung waren und die Limiter eingeführt wurden. Das war, wenn ich mich richtig erinnere, vier Jahre nach der Klimanotkonferenz in Rangoon, die einberufen worden war, weil im Jahr davon in Durban nicht weiter rauskam. Abgesehen von diesem Vorschlag des späteren deutschen Klimakanzlers Röttgen, ein einheitliches CO2-Budget für jeden Menschen festzulegen. Der hatte sich das so überlegt, als Baustein einer „globalen Wettbewerbsordnung zum Schutz des Klimas."
Anfangs haben alle gelacht über sein Endziel, "ein Pro-Kopf-Budget für die Emission von Treibhausgasen für jeden Menschen auf der Welt" einzuführen, um die Vorhersagen zu verhindern. Sowas könne man weder kontrollieren noch durchsetzen, hieß es, es sei ja schon schwer gewesen, das Glühbirnenverbot, die Dämmungsvorschriften und die Sperrung der Innenstädte für den Autoverkehr durchzusetzen. Bis Röttgen die Details seines Plans einer Endlösung für das Weltklima öffentlich machte, clevererweise direkt nachdem ein Tsunami im Sommer 2013 im Indischen Ozean zehntausende Opfer gefordert hatte.
Egal, ob Amerikaner, Europäer, Asiate oder Afrikaner – auf einmal haben alle zugehört. Röttgen war so ein junger, weißhaariger Typ mit randloser Brille, ein Deutscher, der aussah, als könnte er in jedem Hollywood-Film den kulturbeflissenen SS-Mann spielen. Der saß dann da, ich glaube, bei der Uno in New York war das, New York war ja damals noch bewohnt, und erzählte, dass es ganz klar technische Möglichkeiten gebe, die Obergrenze durchzusetzen. Jeder Mensch weltweite bekomme ein technisches Instrument, klein, praktisch und so gut wie unzerstörbar, das werde von einem ambulant implantierten Mesfühler gespeist und zeige just in time, wieviel von seinem CO2-Lebenslimit der Träger noch hat.
Ist das Limit durch, der Mensch also im roten Bereich, müsse eine Regel greifen, dass Klimaschäden eine höhere Rangigkeit hat als Schaden am Menschen. Röttgen meinte, es sei an der Weltgemeinschaft, entsprechende Verfahren zu finden, mit denen Klimaschädlinge ausgeschaltet werden könnten, ohne die Allgemeinheit moralisch zu belasten.
Der Aufschrei war gigantisch, das kann ich ihnen sagen. Eine Empörung. Nazimethoden, hieß es, Menschenverachtung, Mord und so weiter. Als die ersten Limiter eingeführt wurden, ging das Geschrei sogar noch einmal los. Aber Röttgen sagte immer nur, der Limiter sei gerecht, weil er alle gleich behandele. Das hat auch viele überzeugt. Bei der Uno hatten sie da ja 0schon die Schlüsselzahlen berechnet, wieviel CO2-Rechte der Mensch nach dem Durchschnttsverbrauch und den Notwendigkeiten des Klimaregimes gutgeschrieben bekommen könnte.
Namenspate des Messgerätes, das heute alls „Limi“ nennen, wurde dann der Umwelterzähler Frank Schätzing, der ein Buch namens "Limit" geschrieben hatte. Ich es nicht gelesen und später gab es ja dann keine Bücher mehr. Aber ich erinnere mich noch genau an die Werbekampagne für die Limitierung, Günter Jauch und Gottschalk machten mit, auch Daniela Katzenberger und in den USA hatten sie sogar eine 3D-Kopie von Michael Jackson, die „Thriller“ neu einsang. "Killer" hieß das dann und der Text handelte von der Vergiftung der Erde durch den Menschen. War toll.
An die Limis hat man sich, das muss ich sagen, auch schnell gewöhnt. Und 52 Tonnen, ich frage Sie: Ist das nichts? Wenn man sich das gut einteilt, kommt man damit gut durch bis zum schluss. Schlecht ist es natürlich für korpulente Steakliebhaber, Vielflieger, Sportler, die paar letzten Raucher oder Leute, die viel trinken. Aber Vegetarier, schlanke Frauen, Menschen, die nach der Arbeit nicht viel ausgehen? Kein Problem.
Zu Air Limit Control hier am Flughafen bin ich dann gekommen, als die Leute suchten. Am Anfang war nicht ganz klar, wie das laufen würde, also uns war das nicht klar. Aus dem Verkehr ziehen, hieß es, alle aus dem Verkehr ziehen, bei denen der Limiter anzeigt, dass sie im Rot sind. Ich muss das erklären – rot sind die noch nicht, nein. Wenn sie rot wären, wir nennen die Exceeter eigentlich nur die Roten, würden wir sie ja nicht mehr so einfach zu fassen kriegen. Es gibt das so eine Art Hintertür in den Limitern, da können wir ferndrehen, jaja, sagen wir dazu. Der Rote denkt dann, okay, noch Platz. Dabei warten wir schon.
Nach einer Weile fing das mit den Exciting Rooms an. Man sagte, Entschuldigung, können Sie kurz mitkommen. Und kam dann, vorsichtig ausgedrückt, eben allein zurück. Das ist nicht angenehm, wenn Frau und Kinder da am Schalter stehen. Aber besser als morgens früh um fünf eine Tür einzutreten und einen völlig übernächtigten Roten das rauszuholen, wie die Kollegen von der City Limit Control das machen müssen, das versichere ich ihnen.
Was mit dem Jungen war, kann ich mir deshalb immer noch nicht erklären. Irgendeine Psychose. Vielleicht hatte er eine versteckte Krankheit, Liebeskummer, was weiß man schon.
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