Vor einiger Zeit suchte ich auf Linkedin nach einem entfernten Verwandten.
Ich fand auch eine Person mit dem entsprechenden Namen, Lebenslauf und Ausbildung erschienen mir plausibel und beim Profilfoto entdeckte ich sogar eine gewisse Familienähnlichkeit. Angespornt durch meinen Fahndungserfolg suchte ich ihn noch auf Google und dachte, mich trifft der Schlag: Unter den ersten Ergebnissen stand dort seine Todesanzeige!
Dieser Mann ist also seit einem halben Jahr tot, lebt aber noch auf einem sozialen Netzwerk weiter …
Das virtuelle Leben und der Tod
Inzwischen sind ja große Teile der Bevölkerung in irgendeiner Weise vernetzt. Auch wir älteren Semester verfügen über Emailadressen und Kundenkonten bei den diversen Onlinehändlern; viele von uns bewegen sich ganz munter auf den diversen sozialen Netzwerken.
Aber was ist, wenn wir mal nicht mehr sind?
In vielen Fällen ist das egal, zum Beispiel wenn der Verstorbene nichts mehr bei Zalando bestellt. Wenn es aber noch offene Rechnungen geben sollte, sind die Erben dafür verantwortlich, was diese vielleicht gar nicht so toll finden. Dagegen würden die Erben vielleicht eine Zeitlang den Posteingang der Emails verfolgen, um dann irgendwann die Konten vom Rechner löschen.
Aber in dem Wust der sozialen Netzwerke wird es schon umständlicher und komplizierter, ein Benutzerkonto zu löschen. In der Regel verlangen die Betreiber eine Kopie der Sterbeurkunde und darum muss sich halt jemand kümmern.
Ich hatte einen Bekannten, der es zu Lebzeiten geschafft hat, sich auf Facebook zwei Konten mit fast gleichlautenden Namen zuzulegen. Er starb vor Jahren im fernen Thailand, aber dennoch erhalte ich Jahr für Jahr die Aufforderungen, dem XY doch mal zum Geburtstag zu gratulieren – in doppelter Ausführung. Seine thailändische Witwe will sich darum bestimmt nicht kümmern. Ich weiß aber, dass seine in Deutschland lebende Schwester diese Nachrichten auch erhält und ich möchte gar nicht wissen, was sie dabei empfindet.
Unser digitales Erbe
Die meisten Internetuser sind wohl noch so jung, dass sie an solche Situationen noch gar nicht denken. Aber unter dem Aspekt, dass wir ja alle nicht wissen, was mal passieren wird, macht es vielleicht schon Sinn, sich im Vorfeld über sein digitales Erbe Gedanken zu machen.
Zumindest wäre es praktisch, wenn man eine organisierte Passwortverwaltung hätte und dann einer Vertrauensperson mitteilt, wo sich diese befindet. Ich glaube, dass die wenigsten Leute wissen, wo der eigene Partner überall angemeldet ist.
Für alle anderen Fälle gibt es tatsächlich digitale Nachlassverwalter, die sich darauf spezialisiert haben, Konten im Internet ausfindig machen, um diese dann zu löschen. Mehr zu dem Thema „Digitales Erbe“ könnt ihr in diesem Artikel der Süddeutschen nachlesen.
Ob dann wirklich alle Chats, Eintragungen, Fotos, Emoticons, LOL’s und YOLO’s und mein Artikel vom letzten Montag, in dem ich über dumme Frauen motze, eliminiert sein werden? Das bezweifle ich. Denn das Internet vergisst ja nichts.
Da sieht man mal wieder, dass man auch in seinem jugendlichen Überschwang nichts veröffentlichen sollte, für das man sich posthum einmal schämen muss.
Aber das ist wohl das Gerede einer älteren Frau
Der Tod im Internet
Es ist schon hart, wenn im Internet eine verstorbener Kontakt quasi wieder wie „ein Zombie aus der Gruft“ (wie es einmal eine Freundin von mir ausgedrückt hat) auftaucht.
Andererseits ist das dann doch wieder der Beweis, dass niemand so ganz stirbt. Die uns lieben Menschen leben in unseren Gedanken weiter, genauso wie in ihren Blogartikeln und Tweets. Und das ist dann irgendwie wieder sehr tröstlich, wie ich meine.
Und um auf meinen entfernten Verwandten zurückzukommen: Bei dem Verstorbenen (und dem Linkedin-Profil) handelte es sich um einen Namensvetter. Denn bei dem Abgleich mit dem Geburtsdatum in der Todesanzeige fiel mir auf, dass das Geburtsjahr nicht stimmen kann.
Es gibt also keinen Todesfall in diesem entfernten Zweig meiner Familie.
Was ist der Webmasterfriday?
Für die Blogaktion Webmasterfriday schreibe ich normalerweise auf meinem Blog sabienes.de.
Ich fand aber, dass das neue Thema vom WMF sehr gut auf diesen Blog passen würde (weil wir hier schließlich in den besten Jahren angekommen sind) und ich sowieso einen Artikel über das virtuelle Leben nach dem Tod schreiben wollte.
Habt ihr euch eigentlich schon mal Gedanken um euer Erbe im Internet gemacht?
Habt ihr Todesfälle in euren digitalen Netzwerken zu betrauern und wie geht ihr damit um?