Gunter Sachs (Foto: Wirtschaftswoche)
Henryk Goldberg über einen Suizid und einen Kardinal
Es ist diese Kälte.
Es ist diese selbstgewisse Erbarmungslosigkeit der Besitzer letzter Wahrheiten. Es ist diese emotionale Brutalität der Ideologen. Es ist dieser unerschütterliche Wille der Menschenbeglücker – koste es was es wolle. Zum Beispiel Menschenglück.
Kardinal Joachim Meisner erklärte jetzt sein Unverständnis über den Selbstmord von Gunter Sachs, der in Würde sterben wollte. Das sei „eine typisch atheistische Reaktion“. Auch ein Säugling, der nicht denken kann, habe doch seine Würde.
Welche Ignoranz!
Der Säugling weiß nicht, dass er ein Säugling ist.
Der Mann, der Alzheimer dämmern spürt, weiß, dass er zum Säugling wird. Und die Entscheidung, ob das in Würde hinzunehmen sei, kommt nur einem zu: dem, der zum Säugling wird.
„Abtreibung und Euthanasie heißen die Folgen dieses anmaßenden Aufbegehrens gegenüber Gott“, sagte Meisner 2005 über den Schwangerschaftsabbruch, und das war eine menschenverachtende Anmaßung – gegenüber den Müttern wie den Opfern.
Wenn dieser Mann könnte, er ließe Gunter Sachs gewiss vor den Toren der Stadt verscharren.
Es ist ein Segen und ein Trost, dass dieser Mann zwar seiner Kirche schaden, aber im Staate nichts entscheiden darf.
Es wäre ein Grund, sich nach einem anderen Land umzusehen.
[für die Thüringer Allgemeine vom 13. Mai 2011]
siehe auch:
Der gute Tod von Gunter Sachs: Mein Kopf gehört mir
Die Pflicht zu leben, das Recht zu sterben