Aus: Spektrum der Wissenschaft, Februar 2012
Die Wasserkraft ist weltweit der größte erneuerbare Stromerzeuger. Dabei wird bislang erst ein Viertel ihres Potenzials genutzt. Neben konventionellen Wasserkraftwerken, etwa Pumpspeicheranlagen, wird zunehmend ein riesiges, noch unerschlossenes Reservoir attraktiv: die Energie der Weltmeere.
Die Wasserkraft deckt aktuell 16 Prozent des weltweiten Elektrizitätsbedarfs. Vor allem in Teilen Asiens und Afrikas kann sie noch massiv ausgebaut werden. Sowohl Wellen- als auch Gezeitenkraftwerke könnten über zehn Prozent des weltweiten Strombedarfs decken. Die dafür nötigen Technologien stecken noch in den Kinderschuhen, auch wenn seit einigen Jahren Dutzende Prototypen erprobt werden. Welche von ihnen sich durchsetzen werden, muss sich zeigen. In seiner aktuellen Februar-Ausgabe wirft Spektrum der Wissenschaft im Rahmen seiner sechsteiligen Energieserie einen kritischen Blick auf die Chancen dieser wichtigen erneuerbaren Energiequelle.
Der Beitrag des Wassers zur Energieversorgung stammt heute ausschließlich aus Flüssen und Stauseen. Die meisten Wasserkraftwerke stehen in China, Brasilien, den USA, Kanada und Russland. Und manche Nation vertraut fast vollständig auf die Kraft des Wassers: Norwegen bezieht seinen kompletten Strom daraus, die Schweiz und Österreich immerhin mehr als die Hälfte. In Deutschland stammen gerade einmal 3,4 Prozent der Elektrizität aus Wasserkraft.
Der Weltklimarat der Vereinten Nationen IPCC schätzt in einer im Mai 2011 erschienenen Studie, dass sich die derzeit durch diese Energiequelle erzeugte Strommenge theoretisch vervierfachen ließe. Das Potenzial steckt zum einen in den 45.000 größeren Dämmen, die rund um die Welt Flussläufe stauen. Lediglich ein Viertel von ihnen wird momentan zur Stromproduktion genutzt.
Als Großprojekte greifen Staudämme allerdings in der Regel erheblich in bestehende Ökosysteme ein, außerdem müssen oft tausende Menschen umgesiedelt werden. Und so CO2-neutral, wie man einst dachte, sind sie auch nicht: Stauseen setzen unter anderem erhebliche Mengen Methan frei, da Bakterien organisches Material auf dem Meeresgrund vergären und das Treibhausgas anschließend nach oben steigt. Auch beim Sturz des Wassers durch die Turbinen gelangt Methan in die Atmosphäre; allerdings ist umstritten, wie viel klimaschädliche Gase tatsächlich aus Stauseen stammen.
Die kühleren Stauseen Europas sind von dieser Diskussion aber auch deswegen kaum berührt, weil hier so gut wie alle Standorte für Talsperren bereits erschlossen sind. Ein Ausbau auf dem europäischen Kontinent ist daher hauptsächlich noch durch die Aufrüstung und Erneuerung bestehender Anlagen möglich. Erneuerungen wird es vor allem im Voralpenland geben. In Bayern, das mit über 4.000 Anlagen mit Abstand die meisten aufweist, will die Landesregierung den Ertrag des Wassers bis 2021 um 15 Prozent steigern, womit Wasserkraft fast ein Fünftel des Strombedarfs decken würde. Aber auch zu DDR-Zeiten stillgelegte Flusskraftwerke in Ostdeutschland könnten saniert werden.
Nationen ohne Gebirge können Wasserkraft dagegen bislang so gut wie nicht nutzen. Doch vielleicht ändert sich das bald. Vor den Küsten Europas versuchen derzeit über 100 Projekte, Strom aus dem Meer zu gewinnen. Vor allem die Strömungen der Gezeiten und das Auf und Ab der Wellen sollen Quellen fast unerschöpflicher Energie werden – so die Vision der Ingenieure.
Das Vorzeigeprojekt der Meeresenergie in Portugal glich einer Seeschlange. Die 180 Meter lange "Pelamis" bestand aus fünf Segmenten, deren Gelenke geknickt wurden, wenn die zum Wellenkamm hin ausgestreckte Schlange von einer Welle erfasst wurde. In den Gelenken installierte Kolbenpumpen sollten über ein Hydrauliksystem eine Leistung von 750 Kilowatt erzeugen. Aber die 8,5 Millionen teure Wellenfarm mit drei knallroten Seeschlangen scheiterte 2009 fünf Kilometer vor der Atlantikküste bei Póvoa de Varzim, die Geräte gingen wiederholt kaputt bis zum Konkurs des Hauptinvestors.
Auf den Britischen Inseln hat auch die Seeschlange ein neues Zuhause gefunden. Dort entstand in den letzten Jahren der weltweit größte Testpark für Meeresenergien. Etwa ein Dutzend Projekte in verschiedenen Entwicklungsstadien werden derzeit rund um die Inselkette aufgebaut. Gleich zwei Prototypen der "Pelamis"-Anlage wurden dort in den letzten zwei Jahren zu See gelassen, bis Ende des Jahrzehnts sollen bis zu 66 weitere folgen. 50 Megawatt könnten die Seeschlangen dann insgesamt ins Netz speisen.
Allgemein schätzen Experten, dass nur wenige der Wellenenergieprototypen den Sprung zur Marktreife schaffen werden. "Von den verschiedenen Projekten werden viele unwirtschaftlich bleiben oder nicht zuverlässig arbeiten", schreibt Tom Thorpe in einem 2010 erschienenen Bericht für den Weltenergierat. Das gelte auch für einige der Projekte, die bereits Investoren gefunden haben. "In den nächsten Jahren wird es einige spektakuläre Fehlschläge geben", prognostiziert der britische Meeresenergieexperte.
Auch sonst scheint die Zukunft der Meeresenergie vor allem eine Frage des Geldes zu sein. Denn ob das Meer auf lange Sicht preislich mit dem Strom aus Wind oder Biomasse konkurrieren kann, muss sich erst noch zeigen. Momentan sind die Investitionskosten sehr hoch: zehn Millionen Euro für jedes installierte Megawatt Leistung. Bis zur Marktreife muss die Meeresenergie aber noch einige Hürden nehmen, meint Energieexperte Frank Neumann: "Erst mal müssen ein oder zwei Technologien einen ganzen Winter ohne Schäden betrieben werden."
Die Wasserkraft ist weltweit der größte erneuerbare Stromerzeuger. Dabei wird bislang erst ein Viertel ihres Potenzials genutzt. Neben konventionellen Wasserkraftwerken, etwa Pumpspeicheranlagen, wird zunehmend ein riesiges, noch unerschlossenes Reservoir attraktiv: die Energie der Weltmeere.
Die Wasserkraft deckt aktuell 16 Prozent des weltweiten Elektrizitätsbedarfs. Vor allem in Teilen Asiens und Afrikas kann sie noch massiv ausgebaut werden. Sowohl Wellen- als auch Gezeitenkraftwerke könnten über zehn Prozent des weltweiten Strombedarfs decken. Die dafür nötigen Technologien stecken noch in den Kinderschuhen, auch wenn seit einigen Jahren Dutzende Prototypen erprobt werden. Welche von ihnen sich durchsetzen werden, muss sich zeigen. In seiner aktuellen Februar-Ausgabe wirft Spektrum der Wissenschaft im Rahmen seiner sechsteiligen Energieserie einen kritischen Blick auf die Chancen dieser wichtigen erneuerbaren Energiequelle.
Der Beitrag des Wassers zur Energieversorgung stammt heute ausschließlich aus Flüssen und Stauseen. Die meisten Wasserkraftwerke stehen in China, Brasilien, den USA, Kanada und Russland. Und manche Nation vertraut fast vollständig auf die Kraft des Wassers: Norwegen bezieht seinen kompletten Strom daraus, die Schweiz und Österreich immerhin mehr als die Hälfte. In Deutschland stammen gerade einmal 3,4 Prozent der Elektrizität aus Wasserkraft.
Der Weltklimarat der Vereinten Nationen IPCC schätzt in einer im Mai 2011 erschienenen Studie, dass sich die derzeit durch diese Energiequelle erzeugte Strommenge theoretisch vervierfachen ließe. Das Potenzial steckt zum einen in den 45.000 größeren Dämmen, die rund um die Welt Flussläufe stauen. Lediglich ein Viertel von ihnen wird momentan zur Stromproduktion genutzt.
Als Großprojekte greifen Staudämme allerdings in der Regel erheblich in bestehende Ökosysteme ein, außerdem müssen oft tausende Menschen umgesiedelt werden. Und so CO2-neutral, wie man einst dachte, sind sie auch nicht: Stauseen setzen unter anderem erhebliche Mengen Methan frei, da Bakterien organisches Material auf dem Meeresgrund vergären und das Treibhausgas anschließend nach oben steigt. Auch beim Sturz des Wassers durch die Turbinen gelangt Methan in die Atmosphäre; allerdings ist umstritten, wie viel klimaschädliche Gase tatsächlich aus Stauseen stammen.
Die kühleren Stauseen Europas sind von dieser Diskussion aber auch deswegen kaum berührt, weil hier so gut wie alle Standorte für Talsperren bereits erschlossen sind. Ein Ausbau auf dem europäischen Kontinent ist daher hauptsächlich noch durch die Aufrüstung und Erneuerung bestehender Anlagen möglich. Erneuerungen wird es vor allem im Voralpenland geben. In Bayern, das mit über 4.000 Anlagen mit Abstand die meisten aufweist, will die Landesregierung den Ertrag des Wassers bis 2021 um 15 Prozent steigern, womit Wasserkraft fast ein Fünftel des Strombedarfs decken würde. Aber auch zu DDR-Zeiten stillgelegte Flusskraftwerke in Ostdeutschland könnten saniert werden.
Nationen ohne Gebirge können Wasserkraft dagegen bislang so gut wie nicht nutzen. Doch vielleicht ändert sich das bald. Vor den Küsten Europas versuchen derzeit über 100 Projekte, Strom aus dem Meer zu gewinnen. Vor allem die Strömungen der Gezeiten und das Auf und Ab der Wellen sollen Quellen fast unerschöpflicher Energie werden – so die Vision der Ingenieure.
Das Vorzeigeprojekt der Meeresenergie in Portugal glich einer Seeschlange. Die 180 Meter lange "Pelamis" bestand aus fünf Segmenten, deren Gelenke geknickt wurden, wenn die zum Wellenkamm hin ausgestreckte Schlange von einer Welle erfasst wurde. In den Gelenken installierte Kolbenpumpen sollten über ein Hydrauliksystem eine Leistung von 750 Kilowatt erzeugen. Aber die 8,5 Millionen teure Wellenfarm mit drei knallroten Seeschlangen scheiterte 2009 fünf Kilometer vor der Atlantikküste bei Póvoa de Varzim, die Geräte gingen wiederholt kaputt bis zum Konkurs des Hauptinvestors.
Auf den Britischen Inseln hat auch die Seeschlange ein neues Zuhause gefunden. Dort entstand in den letzten Jahren der weltweit größte Testpark für Meeresenergien. Etwa ein Dutzend Projekte in verschiedenen Entwicklungsstadien werden derzeit rund um die Inselkette aufgebaut. Gleich zwei Prototypen der "Pelamis"-Anlage wurden dort in den letzten zwei Jahren zu See gelassen, bis Ende des Jahrzehnts sollen bis zu 66 weitere folgen. 50 Megawatt könnten die Seeschlangen dann insgesamt ins Netz speisen.
Allgemein schätzen Experten, dass nur wenige der Wellenenergieprototypen den Sprung zur Marktreife schaffen werden. "Von den verschiedenen Projekten werden viele unwirtschaftlich bleiben oder nicht zuverlässig arbeiten", schreibt Tom Thorpe in einem 2010 erschienenen Bericht für den Weltenergierat. Das gelte auch für einige der Projekte, die bereits Investoren gefunden haben. "In den nächsten Jahren wird es einige spektakuläre Fehlschläge geben", prognostiziert der britische Meeresenergieexperte.
Auch sonst scheint die Zukunft der Meeresenergie vor allem eine Frage des Geldes zu sein. Denn ob das Meer auf lange Sicht preislich mit dem Strom aus Wind oder Biomasse konkurrieren kann, muss sich erst noch zeigen. Momentan sind die Investitionskosten sehr hoch: zehn Millionen Euro für jedes installierte Megawatt Leistung. Bis zur Marktreife muss die Meeresenergie aber noch einige Hürden nehmen, meint Energieexperte Frank Neumann: "Erst mal müssen ein oder zwei Technologien einen ganzen Winter ohne Schäden betrieben werden."