Die Ukraine als Kolonie

"Friedliche Demonstranten" zünden Polizeibeamte an -
Bilder aus Kiew, bevor die Polizei am 22. Januar durchgegriffen hat.

Was sich seit fast zwei Monaten in und um die Ukraine ereignet, ist erschütternd. Und es ist keine prinzipiell neue Erscheinung. Manchmal könnte man meinen, daß sich Geschichte wiederholt. Blenden wir zunächst zurück ins Jahr 1917:
Das Deutsche Reich arbeitet mit einer kleinen Gruppe russischer Linksrevolutionäre um Wladimir Iljitsch Uljanow, genannt Lenin, zusammen. Diese werden per Zug aus der Schweiz über das neutrale Schweden und Finnland nach Petrograd transportiert. Ihnen stehen erhebliche finanzielle Mittel - mehrere Dutzend Millionen Goldmark - zur Verfügung. Ihr Auftrag: In Rußland, das nach der Februarrevolution schon in Unruhe gefallen war, weitere Zersetzungsarbeit leisten, um das Land aus dem Ersten Weltkrieg herauszuführen. Damit stünden die deutschen Truppen von der Ostfront für den Kampf in Frankreich und Belgien zur Verfügung. Der deutsche Agent Lenin und seine Genossen erfüllen ihren Auftrag. Mit dem Staatsstreich der "Oktoberrevolution" übernehmen sie die Macht, beginnen mit dem Kampf gegen alle Nichtbolschewiken und schließen schließlich am 3. März 1918 den Friedensvertrag von Brest-Litowsk ab.
Wesentlicher Inhalt des Vertrages war die territoriale Neuordnung Osteuropas. Große Teile des untergegangenen Zarenreiches wurden von Sowjetrußland abgetrennt und in der Folge von deutschen und österreichischen Truppen besetzt. Zeitweise befand sich nicht nur die Ukraine, sondern auch Teile Weißrußlands und des Kaukasus in deutscher Hand. Damit war - auch völkerrechtlich - die erste deutsche Kolonie namens Ukraine geboren. Um ihre Herrschaft abzusichern, bedienten sich die Generale unseres Kaisers der "unabhängigen" Ukrainischen Volksrepublik. Doch als sich das deutsche Militär Ende 1918 infolge des Waffenstillstandsvertrages mit der Entente aus den besetzten Gebieten in Osteuropa zurückziehen mußte, brach auch die "unabhängige" Ukraine recht bald zusammen. Die Truppen der (west-)ukrainischen Nationalisten lieferten sich nicht nur Gefechte mit den Bolschewiki, sondern auch mit den Polen, die ihre Herrschaft etwa über Lwow (Lemberg) nicht aufgeben wollten.
In der Folge banden sich diese politischen Kräfte aus Exil-Ukrainern wiederum stark an das Deutsche Reich. Berlin konnte Stepan Bandera und Konsorten zugleich gegen Polen und die Sowjetunion einsetzen - ein unschätzbarer Vorteil. Dabei dachte man in Deutschland natürlich nie ernsthaft an die Errichtung eines unabhängigen ukrainischen Staates, wie die Vorgänge der Jahre 1941 ff. belegen. Nachdem mehrere aus Exilukrainern gebildete Verbände in deutscher Uniform an der Operation "Barbarossa" teilgenommen hatten, kam es in der Westukraine zu spontanen Pogromen, die sich gegen die jüdischen Einwohner richteten. Soweit heute bekannt, haben deutsche Stellen diese "Säuberungen" zwar gebilligt, aber nicht initiiert.
Als dann die Bandera-Leute tatsächlich an den Aufbau eines eigenen Staatswesens gingen, wurde dieser Versuch von Berlin schnell beendet und Bandera inhaftiert. Die arischen Herrenmenschen brauchten die Ukraine - wie schon 1918 - als Reservoir für Nahrungsmittel und billige Arbeitskräfte. Daher lag ein unäbhängiger ukrainischer Staats nicht im deutschen Interesse. Man wollte Sklaven, keine Verbündeten. Ein erklecklicher Teil der ukrainischen Nationalisten spielte dieses Spiel freilich mit. Sie wurden dafür, daß sie bei der Unterdrückung und Ausbeutung ihrer Landsleute halfen, mit deutschen Uniformen ("Polizei") und zum Teil auch mit SS-Dienstgraden belohnt. Wer dem Großdeutschen Reich treu diente, durfte dafür auch etwas erwarten. Er war dann zwar immer noch ein Untermensch, aber schon ein besserer.
1944 endete dann auch diese zweite Auflage einer deutschen Kolonie in der Ukraine. In der Folge wurden im Reichsgebiet die Nahrungsmittel immer knapper, denn die Zufuhren aus den besetzten Gebieten, die der deutschen Bevölkerung bisher ein relativ gutes Leben ermöglicht hatten, blieben aus.
Was zur Zeit in der Ukraine abläuft ist der dritte, maßgeblich von Deutschen getragene Versuch, die Ukraine als kolonieähnliches Gebilde an den eigenen Großraum - der heute "Europäische Union" heißt - anzuschließen. Bemerkenswert sind nicht nur die Aktionen und Reaktionen als solche, sondern auch die frenetische Art der (Nicht-)Berichterstattung in den deutschen Medien.
Das Assoziierungsabkommen
Zunächst hatte die EU die Unterzeichnung des Assoziierungsabkommens mit der Ukraine für ein Jahr auf Eis gelegt, um Präsident Janukowitsch unter Druck zu setzen. (Es ist überhaupt interessant, daß ausgerechnet dieser, angeblich besonders rußlandfreundliche Politiker so weit auf die EU zugegangen ist wie kein ukrainischer Staatschef vor ihm.) Als das Abkommen dann Ene 2013 tatsächlich in Vilnius unterzeichnet werden soll, brechen in Kiew Bedenken auf. Denn das Abkommen enthält Sprengstoff für das wirtschaftlich seit vielen Jahren schwer angeschlagene Land. Wenn die Ukraine mit der EU Freihandel vereinbaren würde, wäre sie gleichzeitig gezwungen, von sich aus gleichlautende Veträge mit der Rußländischen Föderation zu kündigen. D.h. die EU erwartet von der Ukraine, ihre bewährten Wirtschaftsbeziehungen mit Rußland weitgehend abzubrechen. Insoweit ist die Rede von einem Volumen von umgerechnet 10 bis 12 Mrd. Euro pro Jahr.  
Janukowitsch und seine Regierung waren, wie zwischenzeitlich bekannt geworden ist, sogar bereit dazu. Allerdings verlangten sie von Brüssel eine finanzielle Kompensation in gleicher Höhe. Darüber gab es seitens der EU wohl mündliche Zusagen. Als dann aber vor wenigen Monaten konkrete Zahlen auf den Tisch kamen, war die EU - vermutlich mit Rücksicht auf ihre eigene Wirtschaftskrise - nur noch zur Zahlung von einigen hundert Millionen bereit. Im übrigen wurde die Kiewer Regierung auf der Internationalen Währungsfonds verwiesen. Doch dessen Konditionen für Kredite sind offensichtlich unannehmbar. So forderte der IWF etwa, die Preise für Heizungen und andere öffentliche Leistungen massiv zu erhöhen. Dies hätte allerdings zur weiteren Verarmung weiter Teile der ukrainischen Bevölkerung geführt.
Deshalb hat Janukowitsch die Reißleine gezogen und bis auf weiteres von der Unterzeichnung des Abkommens Abstand genommen. Eigentlich eine vernünftige Entscheidung. Die positiven Handelsbeziehungen mit Rußland, die vor allem für die in der Ostukraine konzentrierte Industrie wichtig sind, bleiben unangetastet. Zudem gab es seitens der rußländischen Regierung weiteres Entgegenkommen, etwa in Gestalt einer weiteren Senkung des Gaspreises und eines Milliardenkredites. Rußland kann der Ukraine also das geben, was die vielgepriesene EU nicht geben kann oder will.
Die inszenierte Revolution
Schon kurz nach Janukowitschs Wahl zum Staatspräsidenten gab es im "freien Westen" die ersten bösen Kommentare, daß ukrainische Volk hätte die falsche Wahl getroffen. Nach dem Tauziehen um das Assoziierungsabkommen, mit dem Kiew eigentlich nur seine Handlungsfähigkeit demonstrieren wollte, setzten Deutschland und die EU ganz auf die innerukrainische Opposition. Nach den bekannten Vorbildern wurde versucht, eine Revolution zu inszenieren. Dazu hat man, da Julia Timoschenko noch wegen ihrer pro-rußländischen Politik im Gefängnis sitzt, aus Deutschland einen neuen Oppositionsführer eingeflogen. Klitschko mit seinem Boxtalent scheint für die gegenwärtige Lage in Kiew genau der richtige zu sein. Er forderte denn nicht nur die Unterzeichnung des Vertrages mit der EU, sondern such den Rücktritt von Präsident und Regierung.
Zur demonstrativen Unterstützung der Aufständischen sind denn auch maßgebliche Politiker aus den USA, der BRD, Polen und anderen Staaten auf dem Maidan-Platz geeilt. Sogar der kürzlich von seinem eigenen Volk abgewählte Saakaschwili, seines Zeichens georgischer Ex-Präsident, tauchte plötzlich in Kiew auf. An der Tatsache, daß die Opposition in erheblichem Umfang vom Ausland unterstützt wird, kann kein vernünftiger Zweifel mehr bestehen. Die Einmischung in die ukrainischen Innenpolitik geschieht ganz offen, man bemüht sich nicht einmal mehr um Tarnung.
Offenbar war das Kalkül folgendes: Wenn die ukrainische Regierung nicht das tut, was wir wollen, dann setzen wir eben unsere "fünfte Kolonne" in Marsch. Die werden einen Umsturz herbeiführen und schwups haben wir eine uns genehme Regierung in Kiew.
Dieser Plan ist bis dato jedoch nicht aufgegangen. Es gab zwar dieselben Bilder und dieselbe Gewalttätigkeit wie im Belgrad des Jahres 2000 und anderen Hauptstädten, wo zuvor das Bühnenstück "Revolution" gegeben wurde (und wo komischerweise dieselben NGO-Akteure aktiv waren). Doch die Opposition hat nicht obsiegt. Ewig kann sie ihre Unruhen nicht fortsetzen, denn die tausenden professionellen Demonstranten wollen auch bezahlt werden. Ergo muß sie die Lage eskalieren lassen. Eine solche Tendenz deutet sich seit dem letzten Wochenende an. Gestern gab es nach hunderten Verletzten vor allem unter den Sicherheitskräften die ersten toten Demonstranten. Ein paar Märtyrer als Vertreter des "unterdrückten Volkes" brauchen die Revolutionsmacher immer (siehe Libyen und Syrien), es verwundert, daß es sie nicht früher gab.
Mittlerweile richten sich die Gewaltausbrüche der "friedlichen Demonstranten" nicht mehr nur gegen den Staat und seine Vertreter, sondern auch gegen alle Ukrainer, die es wagen, anderer Meinung zu sein. So gab es mehrere gewaltsame Angriffe auf Anhänger der Partei der Regionen, um sie von der Teilnahme an Kundgebungen abzuhalten. Soviel zu demokratischen Selbstverständnis der sog. "demokratischen Opposition", die zwischenzeitlich durch ausländische Hooligans Verstärkung bekommen hat.
Merkwürdig auch, daß der "freie Westen" ganz offen mit Gruppierungen aus den Reihen der Opposition sympathisiert, die hierzulande als Neonazis gelten würden. Doch wenn die Anhänger der OUN-UPA in Tarnanzügen, mit Helmen und Gasmasken aufamrschieren, stört sich in den deutschen Medien kaum jemand daran. Schließlich sind diese nationalistischen Kämpfer für "uns" (also die EU), ergo gehören sie zu den Guten. Daß es sich um ausgemachte Antisemiten handelt, wird dabei ausgeblendet. (Die Neonazi- und Antisemitismuskarte wird nur bei ausgewählten Staaten wie z.B. Deutschland gespielt. Das mußten auch schon Vertreter jüdischer Organisationen mit Verwunderung feststellen.)
Noch ein paar Bilder von den "friedlichen Demonstrationen" gestern in Kiew.
Die Perspektiven in der Ukraine
Die Chancen für einen Erfolg der "Revolution" stehen freilich schlecht. Die Opposition ist nicht stark genug, um einen Umsturz ins Werk zu setzen, wohl aber fähig, das Land bis zu den nächsten Präsidentenwahlen 2015 im Chaos versinken zu lassen.
In vergleichbaren Fällen, etwa beim Sturz des jugoslawischen Präsidenten Milosevic, war es gelungen, mit dem vorhandenen ausländischen Geld Teile der Sicherheistkräfte zu bestechen und damit zu neutralisieren. Doch in der Ukraine scheinen die Sicherheistkräfte fest zur legalen Regierung zu stehen. Diese Position dürfte durch die heftigen Angriffe, denen die Polizisten in Kiew während der letzten Tage ausgesetzt waren, eher noch gefestigt werden. In ukrainischen Blogs und sozialen Netzwerken werden die Beamten der Spezialeinheit "Berkut" schon als Helden verehrt.
Eine Beruhigung der Lage kann jedoch nur Eintreten, wenn die EU und Washington ihre Vasallen im Kiewer Oppositionslager zurückrufen. Ob sie das tun werden, ist offen, auch wenn es die ersten besonnenen Töne aus Berlin und Warschau gibt. Ansonsten droht der schon seit Jahren schwer schlingernden Ukraine ein weiterer Abstieg.
Dabei geht es Janukowitsch gar nicht um eine pro-russische Politik (wie in den deutschen Medien gern behauptet), das glaubt auch in Rußland niemand. Vielmehr will er mit beiden Seiten - Brüssel und Moskau - gut auskommen (und möglichst beide erpressen und gegeneinander ausspielen können). Es geht also darum, die Position der Ukraine "zwischen allen Stühlen" zu zementieren (wie ein Kommentator schrieb). Doch dieses Spiel scheint jetzt an seine Grenzen zu stoßen.
Dabei ist es wohl das, was die zerrissene Ukraine braucht. Im Osten das Landes, wo wirtschaftlich die Musik spielt, sprechen die Menschen russisch, sind orthodox und auch sonst auf Rußland bezogen. Im Westen des Landes ist man dagegen katholisch oder uniert, spricht ukrainisch und orientiert sich eher an Wien, Berlin und Warschau. Ein Präsident, der diese zentrifugalen Kräfte, die jeweils etwa die Hälfte der Bürger umfassen, ausgleichen möchte, kann keine stringente Politik betreiben. Solange der ukrainische Staat in seiner heutigen Gestalt existiert, wird es weder eine "Ukrainifizierung" des Ostteils noch eine "Russifizierung" des Westteils geben (auch wenn z.B. der vorletzte Präsident Juschtschenko alles unternommen hat, um den Gebrauch der russischen Sprache zu verbieten und die Menschen in der Ostukraine zu "richtigen Ukrainern" umzuerziehen). Man könnte es auch anders sehen und die Ukraine als "failed state" betrachten, dessen Auflösung für alle Beteiligten wünschenswert wäre. Doch für ein solches Szenario scheinen im Lande selbst die Integrationskräfte noch zu groß zu sein.
Insofern ist der Vorschlag der ukrainischen Regierung, in Dreierverhandlungen Kiew-Brüssel-Moskau einzutreten, in denen besonders die Wirtschafts- und Handelsfragen erörtert werden sollen, ein sachgerechter Vorschlag. Jedenfalls wäre es höchst töricht zu glauben, mit dem Schwenken der blauen EU-Flagge durch ein paar tausend Demonstranten ließen sich jahrhundertelange engste Bindungen übertünchen. Im Juli 2013 wurde in Kiew das 1025. Jubiläum der Taufe des Kiewer Rus - und damit der Ostslawen insgesamt - feierlich begangen. Gegen dieses historische und kulturelle Erbe wiegen auch ein paar Jahrzehnte Kollaboration mit den jeweiligen deutschen Besatzern wenig.
Die internationale Dimension
Das Engagement der EU beim Umsturz in der Ukraine ist deshalb so stark, weil mit der Nichtunterzeichnung dieses Assoziierungsabkommens die gesamte Politik der östlichen Partnerschaft auf dem Spiel steht. Diese Politik bezweckte - ganz so wie deutsche Großraumphantasien aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts - die Bindung der Nachfolgestaaten der früheren UdSSR an die EU, ohne ihnen freilich eine Beitrittsperspektive zu eröffnen. Diese Länder sollten im Status von Kolonien verbeiben: von der EU abhängig, dazu genötigt, Brüsseler Vorgaben zu befolgen, ohne allerdings einen Einfluß auf deren Ausgestaltung zu haben. Die "Nachbarschaftspolitik" sollte das Bild der westeuropäischen Eliten über die osteuropäischen "Untermenschen", mit denen man nicht auf gleicher Augenhöhe verhandeln darf, juristisch fixieren.
Doch das Projekt, dessen Ziel vor allem die Schwächung und Isolation Rußlands war, ist fast auf ganzer Linie gescheitert. Daß sich Belarus nicht von seinem ostslawischen Nachbarn lossagen wird, war von vornherein klar, auch wenn die EU Minsk Avancen gemacht hat. Dann war da noch Armenien. Doch nachdem sich die EU nicht kooperativ zeigte (etwa in der Frage des Genozids in der Türkei), beantragte Jerewan den Beitritt zur Zollunion Belarus-Rußland-Kasachstan.
Die Verhandlungen Brüssels mit Aserbaidshan laufen zwar noch, doch auch Baku braucht Rußland z.B. als Abnehmer für Arbeitskräfte, die man im Land selbst nicht beschäftigen kann. Und die EU wird kaum darauf erpicht sein, mit einem Schlag zehntausende Wanderarbeiter aus dem Südkaukasus aufzunehmen.
Das Assoziierungsabkommen mit Georgien ist nach wie vor nicht unterzeichnet, trotz der Festivitäten im November 2013 in Vilnius. Das gleiche gilt für das Abkommen zwischen der EU und Moldawien. Für dieses Land wäre die Assoziierung mit der EU ohnehin nur ein weiterer Schritt zur Auflösung des moldawischen Staates und seiner Integration mit Rumänien. Viele Moldawier besitzen bereits seit Jahren die rumänische Staatsbürgerschaft und sind damit de jure bereits jetzt EU-Bürger.
In diesem komplizierten Mosaik war die Ukraine für Brüssel ein wichtiger Faktor, um die "Nachbarschaftpolitik" wenigstens als Teilerfolg verkaufen zu können. Doch so droht der EU neben dem tatsächlichen Mißerfolg auch ein PR-Desaster.
Rückwirkungen auf die EU-Mitglieder
Als aufmerksamen Deutschen mußte es mich hellhörig machen, als die deutschen Medien im November vorigen Jahres, als die Krise in Kiew akut wurde, damit begannen, das Assoziierungsabkommen der EU mit der Ukraine über den grünen Klee zu loben. Was haben unsere Journalisten da alles gefaselt, Chance auf eine "europäische Entwicklung" etc. pp. Doch kein einziger dieser Journalisten kannte zum damaligen Zeitpunkt den Text des Vertrages, denn er wurde von der EU (wohl bis heute) geheimgehalten. Erst im Dezember sickerten aus Kiewer Regierungskreisen einige Details an die Öffentlichkeit. Wie kommen also unsere "kritischen Journalisten" und unsere "freie Presse" dazu, ein Abkommen zu rühmen, dessen Inhalt sie gar nicht kennen? Das muß doch stutzig machen.
Erstens war der Vertrag gegen Rußland gerichtet. Und jeder Angriff auf Rußland - egal, in welcher Form vorgetragen - wird von unserer Journaille goutiert.
Zweitens sind unsere Journalisten EU-Fanatiker. Alles, was mit dieser Organisation zu tun hat, wird frenetisch bejubelt. Insofern sei etwa an die (noch nicht ausgestandene) Euro- und Staatsschuldenkrise erinnert, wo jede Überlegung, evtl. aus der Gemeinschaftswährung auszusteigen, äußerst negativ kommentiert wurde. Z.T. mit dem "Argument", der Euro müsse auch entgegen ökonomischen Überlegungen gerettet werden, koste es, was es wolle. 
Und die EU-Fanatiker in den deutschen Medien blicken mit Schaudern in die Zukunft. In wenigen Monaten wird das EU-Parlament neugewählt und es wird in mehreren Mitgliedsstaaten ein Stimmenzuwachs für EU-kritische Parteien erwartet. Sie könnten den geliebten Brüsseler Moloch ebenso schwächen wie die Bemühungen um einen Austritt Großbritanniens aus der EU. (Dessen Protagonisten kommen im deutschen Staats-TV ebenfalls durchweg schlecht weg.)
In dieser Gemengelage sind die Unruhen in Kiew ein Gottesgeschenk. Damit können die EU-Propagandisten ihr einheimisches Publikum einlullen: Wenn die heldenhaften Ukrainer so beherzt darum kämpfen, wenigstens im Status einer Kolonie an die EU angeschlossen zu werden, dann dürft ihr undankbaren EU-Vollbürger die Union nicht schädigen, indem ihr euer Kreuz an der falschen Stelle macht. Seid lieber froh darüber, daß es Brüssel mit seinen weisen Institutionen gibt. Ohne die EU und alles, was sie getan hat und weiter tut, ginge es euch viel, viel schlechter.
PS: Im übrigen sei auf die hervorragenden Beiträge des Chartophylakeion-Blogs zum Thema verwiesen.
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