Die schwarzen Westen der Politik

Die schwarzen Westen der Politik

Tatort: Seite 2, Politikteil der ZEIT vom 24.02.2011 (Nr. 9). Dort zu finden, ist eine Auflistung fast aller Präsidenten islamischer oder besser gesagt, islamisch geprägter Länder, zusammengestellt unter dem Titel „Könige, Despoten und Gestürzte“.  Wer jetzt ausreichende Informationen über die jeweiligen Staatsführer und der Situation ihrer Länder erwartet, wird bitter enttäuscht. Vier mickrige Zeilen opferte DIE ZEIT für jeden Staatsmann, vier Zeilen in denen die Personen – zugegebenermaßen – auf ziemlich primitive Art und Weise beschrieben werden. Was nicht heißen soll, dass ich Ahmadinedschad & Co. verteidigen möchte – das als allererstes. Aber um fundierte Fakten an den Leser zu bringen, braucht es mehr als eine halbe Seite Text. Hier ein kleiner Auszug:

„Abdelasis Bouteflika (Algerien): Regiert seit 1999. Manipuliert Wahlen. Kritiker werfen ihm vor, er errichte einen Polizeistaat. Lässt friedliche Demonstranten niederknüppeln.

König Hamad (Bahrain): Regiert seit 2002. Ist Sunnit. Selbst ernannter König. Schiitische Mehrheit demonstriert gegen ihn. Ließ erst schießen, will jetzt verhandeln.

Mahmud Ahmadineschad (Iran): Regiert seit 2005. Fälscht Wahlen, verfolgt Oppositionelle. Lässt zu, dass Minderjährige hingerichtet und Frauen gesteinigt werden.“

(Zusammengestellt von Felix Dachsel und Anna Mertens)

Man sollte gleich dazu sagen: Jeder, der sich mit der arabischen oder islamischen Welt auseinandergesetzt hat, kennt diese Fakten, die durchaus nicht falsch sind. Jedoch fragt man sich beim Lesen dieses „Artikels“: Wo ist eine entsprechende Statistik über westliche Politiker? Hat sich da schon einmal jemand die Zeit (oder sollte ich besser sagen, den Mut?) genommen und eine ähnliche Aufstellung über den amerikanischen oder französischen Präsidenten gemacht? Und bedeutet das Fehlen einer solchen Zusammenstellung, dass okzidentale Politiker eine weiße Weste haben? Die Antwort auf die letzte Frage lautet: Ganz sicher nicht! Weshalb zumindest ich den Moment gekommen sehe, etwas Derartiges zu „erarbeiten“ – natürlich ganz im Stile unserer Kollegen der ZEIT.

Silvio Berlusconi (Italien): Wird beschuldigt, Kontakte zur Mafia und Geldwäsche betrieben zu haben.  Hat illegalen Verkehr mit Minderjährigen. Feiert reichliche Parties mit viel Alkohol, Drogen und – wer hätte es gedacht – Prostituierten.

Wladimir Putin (Russland): Lässt Regierungskritiker und Oppositionelle wegen fragwürdiger Vergehen ins Gefängnis stecken. Steht in Verdacht, eine riesige Luxusvilla auf Staatskosten gebaut zu haben und in Berlusconis Sex-Skandale verwickelt zu sein. Unterstützt korrupte Verhältnisse, v.a. in der russischen Armee.

Nicolas Sarkozy (Frankreich): Unterstützt die Abschiebung von Roma nach Bulgarien oder Rumänien. Will Straftätern ausländischer Herkunft die französische Staatsbürgerschaft entziehen. Bezeichnet Bewohner der Vorstädte (Banlieues) als „Gesindel“. Soll illegale Parteispenden entgegengenommen haben.

Angela Merkel (Deutschland): Unterstützt das amerikanische Vorhaben in Afghanistan und lässt zu, zahlreiche junge deutsche Männer dorthin zu schicken. Hält weiterhin trotz offensichtlicher Ungerechtigkeiten bezüglich des Siedlungsbaus und Angriffen auf Gaza zu Israels Staatspolitik. Verfolgt zielstrebig das „Ich-hänge-mein-Fähnchen-nach-dem-Wind“-Konzept.

George W. Bush (Ex-Präsident der USA): Lässt amerikanische Truppen kurz nach 9/11 ohne logisch erkennbaren Grund in Afghanistan und wenig später in den Irak einmarschieren. Lässt zu, dass dort unschuldige Zivilisten getötet und gefoltert werden. Füllt das Gefängnis von Guantanamo mit angeblichen Verdächtigen, ohne den meisten von ihnen einen anständigen Prozess zu bieten.

Nicht alle westlichen Politiker, denen man fragwürdige Handlungsweisen unterstellen könnte, sind hier aufgelistet. Aber man erkennt dennoch, dass auch Staatsmänner (und –frauen) der abendländischen Gesellschaften keine weißen Westen haben. Um Bezug auf die derzeitige Situation in der arabischen Welt zu nehmen, sollte außerdem erwähnt werden, dass nicht wenige der genannten Personen Diktatoren, wie Ben Ali, Mubarak und Gaddafi nur zu gern unterstützt haben – sei es aufgrund des Tourismus, des Waffenhandels oder des Öls. Natürlich steckt auch die Angst vor einem Sturz Israels im Vordergrund. Genannte Aspekte sollten aber dennoch – oder gerade deswegen – keine Gründe bieten, westliche Politiker, wie unschuldige Lämmchen darzustellen. Auch sie haben ihren (negativen) Beitrag zu so mancher politischen und gesellschaftlichen Krise auf der Erde geleistet. Nur bezogen auf ihr persönliches Image kommen so manchem von ihnen die Stürze arabischer Unterdrücker sicherlich Recht.


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