Die Schule der drei Stufen (sanjiejiao) und frühes Chan

Der Mönch Xinxing (540-594) begründete die Sanjiejiao, die „Schule der drei Stufen“, die trotz offizieller Unterdrückung mehrere hundert Jahre lang recht populär war. In ihr werden fühlende Wesen nach ihrer spirituellen Auffassungsgabe unterteilt in Weise, Narren und die dazwischen. Xinjing hielt seine Zeitgenossen für Narren, die sich auf universelle Lehren (pufa) einer letztgültigen Wahrheit verlassen mussten, welche die Unterscheidung von rein und unrein oder richtig und falsch überschreitet. Weise hingegen konnten von den Lehren unterschiedlicher Schulen (biefa)profitieren.

Die Sanjie-Gemeinschaft konzentrierte sich auf fünf Klöster in der damaligen Hauptstadt Chang’an, hatte aber Anhänger im ganzen Land. Zu ihrem klösterlichen Leben gehörten Bußrituale, Rezitationen, der Almosengang; schon kleine Vergehen wurden geahndet. Bekannt war auch ihr „Unerschöpfliches Warenhaus“ (Wujinzang), das zinslos Güter an Bedürftige verlieh. Xinjing lehrte, gemäß der Buddha-Natur alle Lebewesen als Buddhas anzusehen.Dieser Beitrag fasst nun Eric Greens Betrachtung von Daoxuan, Bodhidharma und der Sanjie-Bewegung zusammen (Another Look at Early Chan: Daoxuan, Bodhidharma and the Three Levels Movement. In: T’oung Pao 94 (2008), S. 49-114). Zunächst klärt Green den Begriff „Zen-Meister“ (chanshi), der seit der Sung-Dynastie erleuchtete Buddhisten in der Chan-Linie (chanzong) beschrieb, die sich als spirituelle Erben Bodhidharmas ansahen. Doch die Vorstellung einer Chan-Linie entwickelte sich erst etwa 150 Jahre nach Bodhidharmas Tod. Darum können Bodhidharma selbst und seine unmittelbaren Schüler nicht als Chan-Meister (hier mit großem „C“) angesehen werden. Dennoch entstand Chan als Ideologie durch Mönche, die in ihrer Zeit als chan-Meister (hier zur Unterscheidung mit kleinem „c“, chin. chanshi) bekannt waren, also als Mediationslehrer. Diese Mediationslehrer hatten nicht unbedingt etwas mit dem späteren Chan gemein, und dieses wiederum betonte nicht unbedingt die Meditation.In seiner „Fortsetzung der Biografien herausragender Mönche (Xu gaoseng zhuan) erwähnt Daoxuan (596-667) Bodhidharma als einen chan-Übenden (xichan). Im Gegensatz zu Yanagida Seizan, dessen Ansichten große Teile der Buddhismusforschung lange dominierten, kommen neuere akademische Arbeiten zur Überzeugung, dass Daoxuan möglicherweise Bodhidharma nicht besonders schätzte; seine Achtung vor Sengchou (480-560), der sich vor allem am Nirwana-Sutra orientierte, ist hingegen offensichtlich. Schon der Philosoph Hu Shi merkte an, dass Daoxuan subtil Bodhidharmas Meditationsmethoden als „Nichtstandard“ (bu zhengtong) kritisiert hatte. Da Daoxuan, ein Vinaya-Meister (lüshi) mit Interesse an der chan-Übung, ein Nachfolger Sengchous in dritter Generation war, könnte seine Kritik auch auf Rivalitäten mit der Schule Bodhidharmas hindeuten. Eric Green konzentriert sich im Folgenden jedoch auf Daoxuans Auseinandersetzung mit Xinjings Dreistufen-Schule und liest Daoxuans Text als Wertschätzung sowohl von Sengchou als auch von Bodhidharma.Für Daoxuan war es unabdingbar, chan in Stille abseits von störenden Umständen zu praktizieren, also weitab vom Betrieb in den Städten. Er kritisierte diejenigen, die sich dem Studium der Doktrinen entzogen, und pries Zhiyi (538-597) und Huisi (515-577), weil sie dieses mit der Meditation verbanden. Letztlich sei es wichtig, sowohl Weisheit (hui) als auch chan zu meistern.Die Ansichten, gegen wen sich Daoxuans wesentliche Kritik richtet, gehen je nach Lesart seines Textes auseinander. Wäre Bodhidharma gemeint, müssten mit ihm verbundene „Chan“-Doktrinen im frühen 7. Jahrhundert angesiedelt werden, wozu auch die klösterliche Selbstversorgung durch körperliche Arbeit gehörte. Eric Green sieht Daoxuans Kritik jedoch vornehmlich an Xinjings Schule gewandt, die er in seiner erweiterten Biografie nicht unter „herausragenden chan-Meistern“ erfasst, da Xinjing die Mehrheit der Buddhisten als Irrende ansieht, die in Großstädten leben, wonach genau dort vornehmlich die chan-Übung zu vollziehen sei. Auch für die Weisen in seiner Dreiklassen-Vorstellung gilt, dass sie sowohl in als auch abseits von Städten wirken können, lediglich der Gruppe dazwischen (etwa Pratyekabuddhas) sei die Einsamkeit nahezulegen. Damit stand Xinjing im Widerspruch zu Daoxuan. Xinjing sah Mahayana-Sutren wie das Kegon als angemessen für die Weisen der ersten Stufe an, wohingegen die der zweiten Stufe mit dem Vinaya und anderen Sutren (also im Grunde der Theravada-Lehre) gut bedient seien, die Irrenden der dritten Stufe mit Lehren, wie sie denen gegeben wurden, die Ansichten von Existenz und Leere hegen: „Der Mönch Xiaoci aus Cimen war etwa fünfzig Jahre alt und hing seit seiner Jugend Meister Xinxing an. Er predigte die Lehre von den Drei Stufen. Seine Praxis bestand vor allem aus Entbehrung und Almosengang; sechs Mal täglich wurden Ehrbezeugungen und Buße vollzogen, dabei trug er eine Flickenrobe. (…) Wo immer er hinging, sagte er, es sei nicht angemessen, die Schriften des Mahayana zu lesen.“ Was Daoxuan als Verstoß gegen den Vinaya ansehen musste, war die Doktrin des „universellen Respektes“ (pu jing), wonach Xinjings Gemeinschaft den Mönch „Nichts verachten“ (bu qing) aus dem Lotussutra nachahmte, indem sie sich vor Klerus und Laien gleichermaßen verneigte. Seit Huiyuan hatten die Klostergemeinschaften sich geweigert, sich vor dem Kaiser zu verbeugen. Bei Xinjing galt auch nicht das Senioritätsprinzip unter Mönchen, wonach man sich vor den Ordensälteren verbeugte.Eric Green zieht schließlich aus seinen Beobachtungen weitere Schlüsse. Bisher sei üblicherweise die Chan-Schule als eine Entwicklung von den frühen Nachfolgern Bodhidharmas zur sogenannten Gemeinschaft vom Ostberg (Daoxin und Hongren) betrachtet worden, die mit dem sechsten Patriarchen Huineng in der „plötzlichen Erleuchtung“ (dun wu) gipfelte und sich von der Nordschule Shenxius abgrenzte. Textfunde aus Dunhuang legen jedoch nahe, dass es keine Übertragungslinie von Bergmönchen gab, die in die Stadt kamen, sondern dass Mönche aus der Hauptstadt das Hilfsmittel der geheimen Übertragung(slinie) erfanden, um am Prestige der früheren chan-Eremiten teilzuhaben. Selbst die Bedeutung der Kurzversion des Lankavatara-Sutras, die traditionell mit Bodhidharma verbunden, tatsächlich aber erst nach dessen Tod ihm nachweislich angedichtet wurde, könnte tatsächlich auf Xinjing zurückgehen, von dem Zitate daraus überliefert sind.   Weitere Lektüre: 

Hubbard, Jamie. Absolute Delusion, Perfect Buddhahood: The Rise and Fall of a Chinese Heresy. Honolulu: University of Hawaii Press, 2001.

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