Die Schuldenkrise ist noch lange nicht vorbei

Auch wenn sich die europäische Wirtschaft zumindest in einigen Ländern scheinbar erholt hat, so kann von einer Überwindung der seit Jahren andauernden Krise noch lange nicht die Rede sein. Ganz im Gegenteil: Uns droht noch eine massive Verschärfung.

Die Spitzenkandidaten für einen Kollaps der Staatsfinanzen sind angesichts der massiven Überschuldung derzeit Griechenland und Portugal. Doch auch die Krise in Zypern, Spanien und Slowenien ist noch lange nicht ausgesessen. Binnen der nächsten zwei Jahre droht zumindest in einigen dieser Länder die Stunde der Wahrheit.

Untragbares Schuldenniveau

In meinem Buch "Raus aus dem Euro – Rein ins Vergnügen?" habe ich einige Beispiele aufgezählt, weshalb der Vergleich der Staatsverschuldung mit dem Bruttoinlandsprodukt eigentlich völlig sinnlos ist. Immerhin beansprucht kein Staat 100% der Wirtschaftsleistung. Hier ein kleiner Auszug:

Als kleines Beispiel: Belgien ist aktuell mit etwa 100% des BIP verschuldet, Spanien hingegen mit 96% – und dennoch zahlt Spanien deutlich höhere Zinsen für den Schuldenberg. Dabei liegt die Abgabenquote in Belgien bei knapp 48%, während der Staatsanteil in Spanien gerade einmal 33% ausmacht. Würde Spanien (oder auch Griechenland oder Portugal) die Abgabenquote auch nur ein wenig nach oben drücken können, wären die Haushaltsdefizite längst hinfällig. Hier wäre nicht sparen angesagt, sondern eher eine Ausweitung der öffentlichen Steuern und Abgaben, um somit einerseits Konjunkturprogramme anzuwerfen, und andererseits einen ausgeglichenen Staatshaushalt zu finanzieren. Sozusagen eine Angleichung des Niveaus auf die Staatsquoten der wirtschaftlich stärkeren Länder. Allerdings müssten diese Konjunkturprogramme grundsätzlich auch so ausgerichtet sein, dass sie dabei hauptsächlich der Binnenwirtschaft zugute kommen.

Ein weiterer Staatenvergleich: Dänemark mit einer Abgabenquote von 48,7% gegenüber Frankreich mit 48,3% Staatsanteil bei den öffentlichen Einnahmen. Während das kleine Dänemark sehr gut dasteht und gerade einmal mit rund 46% des BIP verschuldet ist, trägt das große Frankreich eine Schuldenlast von über 93% – das Doppelte! – mit sich herum. Für zehnjährige Staatsanleihen bezahlt Frankreich dafür aktuell etwa 2%, während Dänemark letztes Jahr eine Anleihe sogar zum Negativzins ausgeben konnte. Das bedeutet, dass Frankreich für die bestehenden Schulden einen bedeutend größeren Anteil der Einnahmen für den Schuldendienst (Zins und Tilgung) aufwenden muss als Dänemark. Wie wir anhand dieser Beispiele deutlich sehen, haben wir in Europa unterschiedliche Ausgangslagen, welche man immer im Einzelfall überprüfen und bewerten muss. Denn nicht nur die Höhe der Schulden selbst spielt eine Rolle, auch nicht das laufende Defizit für sich alleine, sondern vielmehr das Gesamtpaket. Für Staaten wie Spanien, Portugal oder Griechenland stellen angesichts der niedrigeren Abgabenquoten höhere Zinskosten ein weitaus schlimmeres Problem dar, als dies in Ländern mit höheren Abgabenquoten der Fall ist, da diese einen weitaus geringeren Spielraum bei der Budgetgestaltung haben. Und das kostet bei Sparmaßnahmen eben auch Potential beim Wirtschaftswachstum.

Wie man anhand der obigen Beispiele deutlich erkennt, haben die einzelnen Staaten trotz ähnlicher Schuldenhöhe im Vergleich zum BIP angesichts der Steuer- und Abgabenquote eine völlig andere Ausgangslage. Ähnlich ist es auch beim laufenden Haushaltsdefizit.

Die wahren Budgetdefizite der Staaten

Wie auch bei den Schulden, müssen auch die laufenden Defizite mit der tatsächlichen Einnahmensituation verglichen werden. Immerhin vergleichen Sie etwaige Mehrausgaben auch mit ihrem tatsächlich verfügbaren Einkommen, und nicht mit dem Geld, welches Ihr Arbeitgeber tatsächlich für ihre Arbeitskraft ausgeben muss. Die politische Mär von einer "Schuldenbremse" ändert auch nichts an den Tatsachen, dass ausgeglichene Staatshaushalte für die meisten EU-Länder noch in weiter Ferne liegen.

Aus dem Buch

Wie man anhand der Grafik aus meinem Buch deutlich erkennt, macht es auch bei den Budgetdefiziten einen deutlichen Unterschied, ob man die laufenden Mehrausgaben mit den BIP, oder mit den tatsächlich verfügbaren Einnahmen vergleicht. Ganz zu schweigen davon, dass die Staaten bei ihren Defiziten und Schulden ohnehin tricksen und täuschen was das Zeug hält. In Wirklichkeit sind die ohnehin schon dramatischen Zahlen noch schlimmer.

Der große Krach kommt noch

Auch wenn die Politiker ständig davon sprechen, dass sie die Kontrolle über die dramatische Situation behalten hätten – In Wirklichkeit ist das Ganze schon längst aus dem Ruder gelaufen. Einzig das aktuell historisch tiefe Zinsniveau verschafft dem Großteil der Staaten noch etwas Luft zum atmen. Doch dies wird nicht mehr lange so bleiben. Und dann wird es auch für die noch stabilen Länder ziemlich eng.

Fakt ist jedenfalls, dass spätestens bis 2015 Griechenland und Portugal ohne umfassenden Schuldenschnitt zahlungsunfähig sein werden. Die andauernde Krise im europäischen Bankensektor könnte – trotz Bankenunion – sehr schnell zum Kollaps von Staaten wie Spanien, Slowenien, Irland und den Niederlanden führen. Mit verheerenden Folgen für ganz Europa und die Weltwirtschaft. Denn die EU-Führung steht Dank einem gewaltigen Lobbyistenheer ohnehin schon de facto unter Kontrolle der Konzerne, so dass es für die meisten Menschen ziemlich ungemütlich werden dürfte. Die Frage hierbei ist nur: Wird sich Europa danach wieder finden und einen gemeinsamen Neustart wagen – oder gehen wir dann wieder ein paar Schritte zurück in einen politisch zerstückelten Kontinent?


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