Die Sache mit dem (nicht) schreien lassen

Ich bin jemand, der Infos in sich aufsaugt und bei einem neuen Thema immer gern alles liest was mir in die Hände fällt. Sei es jetzt unser Projekt Garten und Gemüse anpflanzen, die Erziehung unseres Hundes oder eben jetzt das Thema Familie und Kind. Zu all dem stapeln sich bei mir die Fachbücher, die ich auch alle brav gelesen habe.

Ein Buch, das ich in der Schwangerschaft gelesen habe und das mir sehr gefallen hat war “Das Geheimnis zufriedener Babys” von Nora Imlau. Sie hat mir in dem Buch irgendwie aus dem Herzen gesprochen und mich bestärkt, dass mein Grundgedanke vom Weg mit Kind richtig ist. Dazu zählen so Sachen wie das Familienbett, das Tragen mit Tragetuch oder eben das Nicht-Schreien-Lassen. In meiner Vorstellung sah ich mich Tag ein, Tag aus mit glücklichem Baby im Tragetuch, das bei uns am Bett schläft und nur schreit um kurz anzumerken, dass es Hunger hat. Ähm ja. Keine Ahnung ob diese Verklärtheit meinen Schwangerschaftshormone zu verdanken war, auf jeden Fall kann ich jetzt nur den Kopf über mich selbst schütteln.

Denn das Tragen ist zwar wunderbar und ich wüsste gar nicht was ich ohne Tragetuch machen sollte, aber schon beim Thema Schlafen wurde mir klar, dass hier ein kleiner Mensch mit eigenem Kopf meiner schönen Vorstellung einen Strich durch die Rechnung macht. Aber wir haben unseren Konsens in dieser Sache gefunden und können alle aktuell ganz gut mit unserer Routine leben. Aber das mit dem Schreien, das macht mich manchmal doch recht unglücklich.

Natürlich war mir von Anfang an klar, dass Babys schreien und das nicht nur weil sie Hunger haben. Sie haben ja schließlich noch eine ganze Reihe anderer Bedürfnisse. Mal ganz abgesehen von so fiesen Sachen wie Bauchweh. Und weil ich dies im Grunde ja weiß, möchte ich für mein Kind da sein wenn es schreit. Es soll wissen, dass es nicht allein ist, auch wenn ich vielleicht mal nicht weiß was sie zum schreien veranlasst.
Nun ist es aber so, dass Sophia sich nicht ablegen lässt ohne sofort los zu brüllen. Keine zwei Minuten. Nicht mal den Augenblick den ich brauche um das Tuch zu binden. Das heißt auch, dass es oft Situationen gibt, in denen ich sie, zumindest für einen Augenblick, schreien lassen muss. Weil ich doch mal auf´s Klo muss, weil ich den Auflauf aus dem heißen Ofen holen muss, weil ich mich schnell anziehen möchte. Genauso im Auto, wenn ich mit ihr alleine unterwegs bin. Und das sind die Momente in denen ich verzweifeln könnte. Ich komme mir schlecht vor, weil ich sie dann doch mal für ein paar Minuten schreien lassen muss, frage mich, warum sie nicht wenigstens mal zehn Minuten ohne Gebrüll liegen bleiben kann und frage mich wie das andere Mütter hinbekommen. Vorallem jene, die das Schreienlassen so vehement verpönen.

Inzwischen bin ich jedoch an dem Punkt angekommen, an dem ich Sophia dann eben doch mal fünf Minuten schreien lasse bis ich mich eben angezogen oder den Auflauf aus dem Ofen geholt habe. Auch wenn es mich schmerzt. Meist rede ich dann eben mit ihr oder halte ihr sogar die Hand, wenn es die Situation zulässt.
Trotzdem komme ich mir dann oft wie eine Verräterin vor, habe Angst den Stempel: “Das ist Eine die lässt ihr Kind schreien” bekomme. Und an den Tagen, an denen gar nichts hilft, weder Mutter´s Brust noch Tragetuch, da ist es ganz schlimm, dieses Gefühl nichts tun zu können. Da hilft mir nur der Rat meiner Hebamme, das Geschrei anzunehmen. Manchmal müssen die Kleinen eben ihren Weltschmerz rausposaunen. Und ganz ehrlich, wollen wir das nicht alle manchmal, einfach mal ganz laut Schreien???



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