Die Rückkehr von Guttenberg: Zweiter Akt

12.12.2011 – Spätestens seit Herausgabe des „Interviewbuches“ mit Teilabdruck in der ZEIT ist jedem klar, dass es Karl-Theodor zu Guttenberg zurück in die Politik drängt.

Die Rückkehr von Guttenberg: Zweiter Akt

In Brüssel hat der Ex-Minister heute die zweite Stufe seiner Comeback-Kampagne gezündet. Anlässlich einer gut besuchten Pressekonferenz ließ er sich von der EU-Kommissarin Neelie Kroes als neuer Berater in Sachen Internetfreiheit vorstellen. Die konservative holländische Politikern beeilte sich zu beteuern, sie suche „Talente, keine Heiligen“.

Nun versteht es sich wohl von selber, dass Guttenberg ganz sicher kein Heiliger ist. Mit welchen Talenten er Neelie Kroes allerdings von diesem Engagement überzeugt haben soll, bleibt ungewiss.

Die Rückkehr von Guttenberg: Zweiter Akt

Einschlägige Erfahrungen

Guttenberg steht der Presse heute vor dem vertrauensbildenden, blauen Hintergrund mit EU-Rapport gegenüber. Vor ihm, ganz wie in alten Zeiten, ein offizielles Rednerpult. An seiner Seite die EU-Kommissarin für die digitale Agenda Neelie Kroes. So entstehen Fotos und Videos, wie sie sich Guttenbergs PR-Strategen nicht passender wünschen könnten.

Ohne die unwesentliche Voraussetzung einer demokratischen Wahl wirkt der mehrfache Ex nun wieder in jenem politischen Kontext, zu dem er sich von Geburt, Stand, Bildung und Talent hingezogen und verpflichtet fühlt. Guttenbergs Qualifikation ist einschlägig: „Last but not least“ sei er in diesem Jahr selbst der Macht des Internets ausgesetzt gewesen.

Das Projekt, innerhalb dessen Guttenberg künftig als Berater und Botschafter tätig sein soll, setzt sich für „Freiheit im Internet“ ein und trägt den programmatischen Namen „No Disconnect“. Nun erinnert sich manch einer daran, dass sich der frühere Minister während seiner Amtszeit für die Vorratsdatenspeicherung und für Internetsperren gegen Kinderpornografie eingesetzt hat. Und auch das Verhältnis zu unabhängigen Netzaktivisten, die sich eingehend mit der Dissertation des Ex-Doktors beschäftigt haben, dürfte nicht ungetrübt sein.

Ist es hier zu einem spontanen Sinneswandel gekommen und befürwortet Guttenberg neuerdings plötzlich Freiheitswerte im Web? Auf die Frage eines Journalisten, ob „Freiheit im Internet“ nach seiner LesartCopy und Paste für alle“ heiße rückt er unbegründete Erwartungen schnell zurecht:

„Die Freiheit des Internets ist das Hauptziel, das wir hier verfolgen. Aber ich habe auch von Grenzen gesprochen, die man innerhalb von demokratischen Ländern einhalten muss.“

Spätestens hier wird klar, wohin die Reise geht: In rechtskonservativen Kreisen entspricht es einer weit verbreiteten Gepflogenheit, Länder wie beispielsweise China oder Kuba aufgrund ihres autoritären Umgangs mit der Web-Freiheit zu geißeln und sich hierzulande für immer stärkere Kontrollen und Restriktionen stark zu machen.

Mit Neelie Kroes hat Guttenberg in Brüssel eine Partnerin auf politischer Augenhöhe für sich eingenommen.

Die Rückkehr von Guttenberg: Zweiter Akt

Umstritten und rechtsliberal

Karl-Theodor zu Guttenberg und Neelie Kroes: Beide sind umstritten und beide sind rechtskonservativ.

Kroes gehört seit 1965 der rechtsliberalen „Volkspartij voor Vrijheid en Democratie (VVD)“ an, einer Partei, die in ihrem Programm die Verantwortung des einzelnen Menschen betont und dem Sozialstaat kritisch gegenüber steht. In den Niederlanden ist die VVD vor allem für ihre Forderungen nach einer Beschränkung der Einwanderung bekannt und beliebt. Die wirtschaftsliberale Partei deckt dabei das Spektrum zwischen der rechten Mitte und dem rechten Rand ab.

Von 1982 bis 1989 war Neelie Kroes niederländische Ministerin für Verkehr, Post und Telekommunikation und zeichnete für die Privatisierung der Post der und der staatlichen Telefongesellschaft OTT verantwortlich.

1989 wechselte sie nach Brüssel und beriet dort zunächst den europäischen Verkehrskommissar. 2004 wurde Kroes selber Wettbewerbskommissarin der EU. Vor der Ernennung und während ihrer Amtszeit wurden immer wieder ihre Verbindungen zu Großunternehmen kritisiert. Die Politikerin war nach ihrer Zeit als Ministerin unter anderem in den Aufsichtsräten von McDonald´s, der Rentenversicherung ABP-PGGM, des Transportkonzerns Ballast Nedam und der privatisierten niederländischen Eisenbahn tätig gewesen. Bis heute ist Neelie Kroes Aufsichtsratsmitglied bei verschiedenen Konzernen, darunter beispielsweise Nedlloyd oder Lucent Technologies.

Einige Kritiker sprachen sogar von angeblichen Verwicklungen in dubiose Waffengeschäfte, während ihrer Zeit als Ministerin. Damals soll Kroes beim illegalen Verkauf von Kriegsschiffen mitgewirkt und Beziehungen zu einer Tankerreinigungsfirma (TCR) unterhalten haben, die sich unberechtigte staatliche Zuschüsse verschafft hat.

In Deutschland war Neelie Kroes im Jahr 2006 in die Schlagzeilen geraten, als sie die Arbeit der deutschen Sparkassen und Genossenschaftsbanken als „wettbewerbsverzerrend“ kritisiert hatte.

Im Ergebnis treffen hier also zwei rechtskonservative Politiker mit umstrittener Vergangenheit zusammen und profitieren gleichermaßen von ihrer neuen Verbindung. Guttenberg erzeugt Bilder, die ihn wieder in angestammter Politikerpose zeigen und erfährt die anerkennende Wirkung der EU. Und Neelie Kroes erhält für ihr Projekt weit mehr öffentliches Interesse, als es ohne den prominenten Plagiator der Fall gewesen wäre. Der gemeinsame Wunsch nach „Grenzen“ in Bezug auf die Freiheit im Internet, dürfte beide noch stärker verbinden.

Zur Besänftigung der Argwöhnischen verkündet Guttenberg ungefragt, er wolle in den nächsten „Wochen oder Monaten“ nicht nach Deutschland zurückkehren. Was für eine beruhigende Perspektive.



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