Die Piraten von Greenpeace

Videosequenzen der Greenpeace-Aktion in der Petschorabucht.
Ende vergangener Woche hat sich in der Petschorabucht zwischen dem eurasischen Festland und Nowaja Semlja ein Vorfall ereignet, der sowohl in Rußland als auch in Westeuropa die Gemüter erregt hat. Allerdings aus unterschiedlichen Gründen. Gemeint ist der Angriff von Greenpeace-Mitgliedern auf eine Ölbohrplattform. Während man in Rußland den Vorfall als gefährlichen Akt einstuft, ereifert man sich hierzulande über die Behinderung einer angeblich friedlichen Protestaktion, welche einem hehren Ziel gedient habe. Aufgrund dieser stark divergierenden Meinungen und Darstellungen des Sachverhalts ist es wichtig, den Vorgang näher zu betrachten.
1. Der Hergang
Der Eisbrecher „Arctic Sunrise“, welcher der „Umweltschutz"-Organisation Greenpeace gehört, die Flagge des Königreichs der Niederlande führt und dessen kriminelle Karriere man auf der Wikipediaseite nachlesen kann, ist am vergangenen Donnerstag, dem 18. September, in der Petschorabucht im südwestlichen Teil der Barentssee aufgetaucht. Dieses Seegebiet liegt in der Ausschließlichen Wirtschaftszone (Abk.: AWZ) der Rußländischen Föderation. Seine Besatzung wollte dort gegen die Durchführung von Probebohrungen für die Förderung von Erdöl und Erdgas protestieren.
Wie für Greenpeace typisch, war natürlich kein friedlicher Protest geplant, auch wenn die sog. „Aktivisten“ ihre Handlungen als friedlich bezeichnen. Ihre Friedfertigkeit drückte sich darin aus, daß sie in der Nacht auf den 19.09. mit ihrem Schiff und dessen fünf Beibooten in die Sicherheitszone der Bohrplattform „Priraslomnaja“ (welche dem Unternehmen Gasprom Neft Schelf gehört und bereits 2012 von Greenpeace für 15 Stunden besetzt worden war) eindrangen und trotz ausdrücklichen Verbots seitens des Eigners versuchten, die Plattform von ihren Booten aus zu entern. Der Sturmangriff war langfristig und sorgfältig vorbereitet worden, so hatten sich die Angreifer u.a. mit Bergsteigerausrüstung versehen. Daß sie mit ihren Manövern die Bohrinsel in Gefahr brachten und unter Umständen gar eine Umweltkatastrophe hätten herbeiführen können, war den Greenpeace-Leuten egal.
Trotz heftiger Gegenwehr der Besatzung (u.a. durch Einsatz von Wasserschläuchen) ist es zwei Öko-Terroristen aus Finnland und der Schweiz gelungen, die Priraslomnaja zu erklimmen. Sie wurden von der herbeigeeilten Küstenwache kurzzeitig in Gewahrsam genommen und später wieder auf das Greenpeaceschiff verbracht.
Unterdessen forderte das Küstenwachschiff „Ladoga“ die Arctic Sunrise auf, ihre Aktionen einzustellen und ein Boarding-Team an Bord zu lassen. Dies wurde vom Greenpeace-Kapitän kategorisch abgelehnt. Er reagierte im weiteren weder auf Funksprüche noch auf optische und akustische Signale noch auf Warnschüsse. Erst einem Boardingteam, das am frühen Abend des 19.09. von einem Helikopter auf das sich feindselig gebärdende Schiff abgesetzt wurde, gelang es, die Arctic Sunrise unter Kontrolle zu bringen und so den Angriff auf die Bohrinsel endgültig zu beenden (s.u. 2. c). Entgegen anderslautender Darstellungen aus dem Greenpeace-Umfeld kamen während dieser Aktion keine Schußwaffen zum Einsatz.
Sodann wurde der Kapitän von den Küstenwächtern aufgefordert, mit seinem Schiff den Hafen von Murmansk anzulaufen, um dort den Sachverhalt endgültig zu klären und über weitere strafrechtliche Schritte zu entscheiden. Erneut weigerte sich der Skipper, einer behördlichen Aufforderung Folge zu leisten. Daraufhin wurde die Arctic Sunrise von der Ladoga ins Schlepp genommen. Dadurch verlängerte sich die Fahrtzeit erheblich, weshalb die Schiffe erst am Dienstag, dem 24.09., in Murmansk eintrafen.
2. Rechtliche Würdigung
Umstritten ist die rechtliche Würdigung der Vorgänge. Dies soll nachfolgend ansatzweise geleistet werden. Unstrittig ist, daß sich die Bohrinsel in der Ausschließlichen Wirtschaftszone, welche der Rußländischen Föderation im Arktischen Ozean zusteht, befindet. Einschlägige Rechtsquellen sind mithin das multilaterale Seerechtsübereinkommen der UN vom 10.12.1982 (Abk.: SRÜ) sowie das Gesetz über die Ausschließliche Wirtschaftszone der RF vom 17.12.1998.
a) Bohrplattform und Sicherheitszone
Gemäß Artikel 60 I SRÜ hat der Küstenstaat – in diesem Falle Rußland – das ausschließliche Recht zur Errichtung von künstlichen Inseln und sonstigen Bauwerken in seiner AWZ. Der Küstenstaat hat über diese Anlagen die ausschließliche Hoheitsgewalt, einschließlich der Zoll-, Sicherheits- und Einreisegesetze (Art. 60 Abs. 2). Mit anderen Worten: Diese künstlichen Anlagen gehören zwar nicht zum Staatsgebiet des Küstenstaates (dies hätte Auswirkungen auf die Abgrenzung der Territorialgewässer – vgl. Art. 60 VIII), werden rechtlich aber so behandelt, als wären sie ein Teil seines Staatsgebietes.
Der Küstenstaat kann festlegen, daß um solche künstlichen Bauwerke herum eine Sicherheitszone eingerichtet wird (Art. 60 IV SRÜ). Diese soll in der Regel keinen größeren Radius als 500 m haben, es sei denn, daß international größere Abstände empfohlen oder üblich sind (Art. 60 V). Hier war eine Sicherheitszone von 3000 m eingerichtet und allgemein bekannt gemacht worden – was bei Ölbohrplattformen üblich ist. (Man denke nur an die möglichen Folgen einer Kollision zwischen einem Schiff und der Plattform.) Alle Schiffe sind verpflichtet, diese Sicherheitszone zu beachten (Art. 60 VI).
Im vorliegenden Fall haben das Greenpeace-Schiff und seine Beiboote die eingerichtete Sicherheitszone vorsätzlich verletzt. Damit haben sie die Umwelt und den sicheren Schiffsverkehr gefährdet. Die Ausrede von Greenpeace, die Arctic Sunrise sei angeblich mehr als 500 m von der Plattform entfernt gewesen, greift nicht durch, denn die zu beachtende Sicherheitszone hat einen Radius von 3000 m. Und diese wurden in jedem Fall unterschritten. Zudem befanden sich die Beiboote des Schiffes unmittelbar an der Bohrinsel. Und das Fehlverhalten der Beiboote wird seerechtlich dem Mutterschiff zugerechnet.
Fazit: Die Seefahrzeuge von Greenpeace sind vorsätzlich in eine ihnen bekannte und von ihnen zu respektierende Sicherheitszone eingedrungen. Das ist ihr erster Verstoß nicht nur gegen das innerstaatliche Recht Rußlands, sondern auch gegen das internationale Seerecht.
Soweit Greenpeace-Vertreter behaupten, ihre Kollegen hätten sich in „internationalen Gewässern“ befunden, so stellt dies bestenfalls eine Irreführung der Öffentlichkeit dar. Doch eigentlich ist es eine Lüge. Die sog. „Aktivisten“ befanden sich unmittelbar an der Plattform und damit in einem Gebiet, das der Hoheitsgewalt Rußlands unterliegt. Ihr Schiff befand sich auch, selbst wenn es die Sicherheitszone zwischenzeitlich verlassen haben sollte, auf jeden Fall in der AWZ. Und bei der AWZ handelt es sich eben nicht um internationale Gewässer in dem Sinne, daß Greenpeacemitglieder dort tun und lassen könnten, was ihnen beliebt. Die AWZ unterliegt der teilweisen Hoheitsgewalt des Küstenstaates (vgl. Art. 55 f. SeeRÜbk). Insbesondere ist es keiner Privatperson, weder in der AWZ noch auf Hoher See (den „echten“ internationalen Gewässern), gestattet, eine Ölbohrplattform oder ein sonstiges Schiff gegen den erklärten Willen des Eigentümers bzw. Betreibers zu entern.
b) Piraterie
Von seiten der russischen Behörden wird der Vorwurf erhoben, beim Vorgehen von Greenpeace handele es sich um einen Akt der Piraterie. Nach Artikel 101 SRÜ ist Seeräuberei jede rechtswidrige Gewalttat oder Freiheitsberaubung oder Plünderung, welche die Besatzung eines privaten Schiffes zu privaten Zwecken begeht und die gegen ein anderes Schiff oder Luftfahrzeug gerichtet ist.
Im vorliegenden Fall gab es unzweifelhaft eine rechtswidrige Gewalttat, nämlich das versuchte Erstürmen einer Ölbohrinsel, obwohl deren Eigner und Betreiber den Greenpeaceleuten das Betreten verboten hatten. Sie haben es dennoch versucht, auch gegen den Widerstand der Besatzung der Bohrplattform. Die Gewalttat wurde auch von der Besatzung des unter niederländischer Flagge fahrenden Privatschiffes Arctic Sunrise begangen. Sie war gegen ein anderes Schiff (in dem Fall eine Bohrinsel) gerichtet und sollte einem privaten und keinem staatlichen Zweck dienen, nämlich der Ökopropaganda von Greenpeace.
Somit liegt auf seiten von Greenpeace tatsächlich der seevölkerrechtliche Tatbestand der Piraterie vor, auch wenn die publicitygeilen Ökofanatiker sich mit Händen und Füßen gegen diese Zuschreibung wehren. Selbige spielt vor allem bei der späteren strafrechtlichen Bewertung des Vorgangs eine Rolle (siehe unten 3.). Für das Aufbringen des Schiffes war der Piraterievorwurf ohne Belang.
Er wird ergänzt und erweitert durch Artikel 3 des Übereinkommens zur Bekämpfung widerrechtlicher Handlungen gegen die Sicherheit der Seeschiffahrt vom 10.03.1988. Sonach macht sich strafbar, wer widerrechtlich und vorsätzlich durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt oder durch eine andere Form der Einschüchterung ein Schiff in Besitz nimmt oder die Herrschaft darüber ausübt oder versucht, eine solche Tat zu begehen.
Daraus folgt: Das Vorgehen von Greenpeace war kein harmloser „friedlicher Protest“, wie von den Anhängern dieser Organisation fälschlicherweise suggeriert wird, sondern eine offenkundig rechtswidrige Aktion.
c) Nacheile und Aufbringen der Arctic Sunrise
Besondere Aufmerksamkeit erregten die Umstände, unter denen das Greenpeace-Schiff von den rußländischen Behörden aufgebracht wurde. Aus der Küstenwache, die Teil des Grenzschutzdienstes ist (welcher wiederum dem Direktor des Föderalen Sicherheitsdienstes untersteht) wurden plötzlich finstere KGB-Agenten, die den armen Umweltschützern aus der Zivilgesellschaft rechtswidrigerweise das Leben schwermachen und, Gott sei bei uns, während ihres Dienstes auch noch Schußwaffen tragen. Die Greenpeace-Propaganda machte daraus die Behauptung, die völlig arg- und schuldlosen Umweltschützern würde von den bösen "FSB-Agenten" mit Waffen im Gesicht herumgefuchtelt, was die zuständige Behörde natürlich bestreitet.
Die Heftigkeit und Dreistigkeit der Greenpeace-Verlaubarungen gibt allerdings Anlaß zu der Vermutung, daß die Ökofanatiker lügen und daher durch eine starke Emotionalisiserung des Vorgangs von ihren eigenen rechtswidrigen (Gewalt-)Handlungen ablenken wollen. (Diese Nebelkerze ist natürlich vor allem für die westeuropäische Öffentlichkeit bestimmt.) Nunmehr sollen die rechtlichen Aspekte dieses Vorfalls beleuchtet werden.
Das Recht der Nacheile außerhalb des Küstenmeeres und der Anschlußzone besteht gem. Art. 111 II SRÜ dann, wenn die Behörden des Küstenstaates guten Grund zu der Annahme haben, daß das betreffende Schiff gegen die Gesetze des Küstenstaates, die auf einer künstlichen Anlage nach Art. 60 und in deren Sicherheitszone gelten, verstoßen hat. Das Recht zur Nacheile schließt das Recht zum Stoppen und zur Überprüfung des Schiffes ein.
Im Fall der Arctic Sunrise verlief die Verfolgungsjagd zwar wie in einem Actionfilm, was Verhalten der rußländischen Küstenwache war jedoch lehrbuchmäßig und ist rechtlich nicht zu beanstanden. Zunächst wurde die Besatzung des Greenpeace-Schiffes per Funk aufgefordert, ihren Angriff auf die Bohrinsel zu unterlassen, dann folgten die in Art. 111 Abs. 4 SeeRÜbk vorgesehenen Sicht- und Schallsignale. Als auch darauf nicht reagiert wurde, schossen die Grenzschützer mit Gewehren in die Luft – wiederum ohne Erfolg. Daraufhin hat eines der Küstenwachschiffe mit seiner Bord-Flak einige Warnschüsse in die Luft abgegeben. Das war der sprichwörtliche Schuß vor den Bug, das schärfste im Seevölkerrecht anerkannte Warnmittel. Doch die Greenpeace-Mitglieder waren voller Selbstgerechtigkeit und fühlten sich auch jetzt nicht bemüßigt, ihren Angriff abzublasen und ihr Schiff zu stoppen.
Diese demonstrative Mißachtung internationalen Rechts und seemännischer Gepflogenheiten durch Greenpeace ist in der europäischen Seefahrt wohl nahezu beispiellos. Die nächste Stufe auf der Eskalationsleiter wäre nun ein gezielter Kanonenschuß in den Maschinenraum der Arctic Sunrise gewesen, um das Schiff bewegungsunfähig zu machen. Doch der Einsatzleiter der Küstenwache entschied anders. Er forderte einen Hubschrauber an, von dem aus sich sieben Beamte einer Spezialeinheit auf den Eisbrecher abseilten, um so endlich das elende Schauspiel zu beenden und das Schiff unter Kontrolle zu bringen.
Rechtlich ist an diesem Vorgehen nichts auszusetzen. Es hilft Greenpeace auch nicht weiter, wenn sie behaupten, ihr Kapitän habe der Küstenwache ausdrücklich verboten, an Bord zu kommen. Dazu hatte er kein Recht, denn die Arctic Sunrise befand sich widerrechtlich innerhalb der festgelegten Sicherheitszone um die Bohrinsel. Alle weiteren Handlungen der Behörden waren eine Re-Aktion darauf und dienten lediglich dazu, den Angriff auf die Bohrinsel zu beenden und für die Einhaltung der diesbezüglichen Rechtsvorschriften durch das Greenpeaceschiff und seine Besatzung zu sorgen. Dabei haben die Behörden der RF innerhalb der Grenzen des Art. 111 SeeRÜbk gehandelt. Somit ist der von Greenpeace erhobene Vorwurf der Piraterie von seiten der Küstenwache absurd (zumal Piraterie begriffsnotwenig nur von Privatschiffen begangen werden kann).
d) Verbringung in den Hafen von Murmansk
Gemäß Art. 111 VII SRÜ darf das infolge einer Nacheile aufgebrachte Schiff zum Zwecke der Überprüfung auch in einen Hafen des Küstenstaates verbracht werden. Folglich steht diesem Ansinnen der russischen Küstenwache nichts entgegen, zumal sich die Beamten des Untersuchungskomitees, die die strafrechtlichen Aspekte des Falles zu bearbeiten haben, dort aufhalten und deren Verbringung mitten in die Petschorasee unverhältnismäßig wäre, auch mit Blick auf den Fortgang des Verfahrens.
e) Festnahme der Greenpeace-Mitglieder
Entgegen deutscher Medienberichte waren die dreißig, an Bord der Arctic Sunrise befindlichen Greenpeacemitglieder noch nicht festgenommen worden. Ihr Schiff wurde gemäß seerechtlicher Bestimmungen gestoppt und zwecks weiterer Untersuchung in einen Hafen gebracht, doch die Einzelpersonen hätten es theoretisch ohne weiteres verlassen können – was mitten auf dem Meer freilich untunlich ist. Eine förmliche Festnahme ist erst am 24.09. in Murmansk erfolgt, nachdem das Ermittlungsverfahren eröffnet worden war. Am heutigen Donnerstag ist gegen die ersten Besatzungsmitglieder (darunter der aus den USA stammende Kapitän) ein zunächst auf zwei Monate befristeter Untersuchungshaftbefehl erlassen worden.
3. Mögliche strafrechtliche Konsequenzen
Hätten die Greenpeaceleute ihre Aktion in der deutschen AWZ in der Nordsee durchgeführt, so hätten sie mit einer Anklage gem. § 315a StGB (Gefährdung des Schiffsverkehrs) und § 123 (Hausfriedensbruch) rechnen müssen. Eine mit dem genannten § 315a vergleichbare Rechtsnorm gibt es im rußländischen Strafrecht nicht. Daher wird den Greenpeace-Leute zur Zeit vor allem Piraterie vorgeworfen. Dabei handelt es sich nach Artikel 227 StGB-RF um einen Angriff auf ein See- oder Flußschiff, der unter der Drohung mit Gewalt oder der Anwendung von Gewalt ausgeführt wird und bezweckt, sich fremden Eigentums zu bemächtigen. Hierfür droht eine Strafe von fünf bis zehn Jahren Gefängnis (Art. 227 Abs. 1).
Die von den Medien kolportierten 15 Jahre Haft, die den arretierten Greenpeacemitgliedern angeblich bevorstehen würden, sind nicht korrekt. Bis zu 15 Jahre sind lediglich möglich, falls während des Piratenüberfalls ein Mensch getötet wurde (Abs. 3), was hier Gott sei dank nicht der Fall war. Bis zu 12 Jahre Haft sind ferner möglich, sofern beim Überfall Waffen oder gefährliche Gegenstände eingesetzt worden sind (Abs. 2). Auch dies dürfte vorliegend nicht zutreffen.
Es bleibt abzuwarten, ob es tatsächlich zu einer Anklage kommt und wenn ja, wie die Anklageschrift aussehen wird. Möglicherweise wird die Staatsanwaltschaft den weitgereisten Inselstürmern auch andere Delikte zur Last legen (z.B. Art. 215.3 StGB-RF: Angriff auf Einrichtungen der Öl- und Gasförderung).
Die Herbeiführung einer Verurteilung wegen Piraterie dürfte sich jedoch als schwierig erweisen, denn deren Legaldefinition im rußländischen Strafrecht ist wesentlich enger als die in Artikel 101 des Seerechtsübereinkommens (s.o. 2. b). § 227 StGB-RF fordert zumindest den Versuch, sich fremden Eigentums zu bemächtigen. Bei einer weiten Auslegung könnte man die Greenpeace-Aktion durchaus darunter fassen, denn auch bei einer zeitweiligen Besetzung der Bohrinsel durch die Ökofanatiker wären die Verfügungsrechte des Bohrinseleigentümers stark eingeschränkt gewesen. Doch diese Argumentation der Anklagebehörde wird in jedem Fall knifflig.
4. Resümee
Die Vorgehensweise von Greenpeace in der Petschorabucht war nicht nur höchst rechtswidrig, sondern darüber hinaus unseemännisch, ja geradezu unzivilisiert. Im Seerecht existieren zahlreiche ungeschriebene Regeln, deren Beachtung jedoch international üblich ist. Nicht einmal die somalischen Piraten wagen es, die Warnschüsse eines Kriegsschiffes zu ignorieren. Lieber stoppen sie ihre Boote. Doch die Mitglieder von Greenpeace sind so weit abgehoben, daß sie aus lauter Selbstgerechtigkeit meinen, die Regeln des Seerechts würden für sie nicht gelten.
Sie sind so dreist und verbreiten Lügen, obwohl die Rechtswidrigkeit ihres Tuns jedem verständigen Betrachter sofort ins Auge springt. Statt dessen gebärden sie sich als verfolgte Unschuld und basteln zusammen mit Journalisten an einem Mythos, wonach die armen und rechtschaffenen „Aktivisten“ vom finsteren Putin-Regime wegen eines „friedlichen“ und „ungefährlichen“ „Protestes“ in den Kerker geworfen würden. Daß sie selbst zahlreiche Rechtsnormen verletzt haben und das Vorgehen der rußländischen Behörden nur eine legitime, legale und überdies maßvolle Reaktion darauf war, wird in der Berichterstattung zum Teil ignoriert. Selbst deutsche Völkerrechtler knicken vor Greenpeace ein kritisieren deren Vorgehen nur ganz zaghaft.
Die Mitglieder und Sympathisanten von Greenpeace glauben offensichtlich, sie als selbsternannte Ökoheilige stünden sie über dem Gesetz. Anders läßt sich nicht erklären, daß angeblich 450.000 Menschen eine Petition unterzeichnet haben sollen, in welcher die Freilassung der Arctic Sunrise gefordert wird. Eine derartige Welle der Sympathie für offensichtliche Rechtsbrecher gibt auch mir als Deutschem schwer zu denken. Welche Gehirnwäsche hat meinen Mitmenschen den Geist vernebelt?
Daß die Ökoterroristen in Westeuropa überdies soviel Macht und Einfluß besitzen, daß die Niederlande Rußland mit gerichtlichen Schritten drohen, sollte das Greenpeace-Schiff und seine Besatzung nicht unverzüglich freigelassen werden, ist mehr als verwunderlich. Offenbar goutiert Den Haag gewisse Gewaltakte auf See - und nimmt zugleich an der Anti-Piraten-Operation Atalanta teil. Nun ja, die übliche westliche Schizophrenie eben, sobald es um Rußland geht.
Sofern man davon ausgeht, daß bei Greenpeace nicht ausschließlich Idioten arbeiten, so muß man konstatieren, daß die Ökoterroristen erstens wußten, daß ihr versuchter Sturm auf die Bohrinsel Priraslomnaja illegal war und zweitens auch vorhersehen konnten, daß ihnen strafrechtliche Konsequenzen drohen. Es wirkt kläglich, wenn sie jetzt versuchen, sich mit einer Mischung aus Lügen und Emotionen ihrem gerechten Schicksal zu entziehen.
Leider besitzt offenbar kein anderer Staat den Willen, diesen Ökoterroristen Einhalt zu gebieten. Frankreich hat es einmal versucht (Stichwort: Rainbow Warrior), hat aber untaugliche Methoden verwendet und ist danach eingeknickt. Also muß Rußland Westeuropa wieder einmal einen Dienst erweisen, indem es vormacht, wie man das Seevölkerrecht durchsetzt.
Käme Greenpeace mit seiner demonstrativen Mißachtung des Rechts durch, würde es nicht mehr lange dauern und die „Aktivisten“ würden ihren Opfern eine (vor Gericht einklagbare?) Duldungspflicht für ihre rechtswidrigen Aktionen auferlegen. Das wäre dasselbe, als würde der „arme“ (also vom Kapitalismus benachteiligte) Einbrecher vom Bestohlenen verlangen, ihm auf Verlangen die Tür zu öffnen, damit er sich nicht die Mühe machen muß, eine Scheibe einzuschlagen. Bedauerlicherweise finden die Ökofreaks unter unseren Journalisten willige Kollaborateure, deren Meinungsmache genau in die gerade skizzierte Richtung geht, wenn etwa in völliger Verkennung der Sach- und Rechtslage behauptet wird, "die Russen" hätten das Greenpeaceschiff "überfallen" - als seien die Beamten der Küstenwache die eigentlichen Unruhestifter.
Auf der taktischen Ebene lassen sich aus dem Vorfall folgende Lehren ziehen: Der Einsatzleiter einer Küstenwachoperation benötigt immer nicht nur See-, sondern auch Lufteinsatzmittel. Gut geschulte Boardingkräfte sind unverzichtbar. Der Verlauf der Operation muß gut dokumentiert werden, um den mit Sicherheit auftretendenden Verleumdungen seitens der Rechtsbrecher zu begegnen. Und Küstenwachschiffe müssen gut bewaffnet sein, denn manche Rechtsbrecher sind sich nicht einmal durch die Warnschüsse einer 30 mm-Flak zu beeindrucken. Dem weltweit zu beobachtenden Trend (auch in Rußland, in der BRD ohnehin), wonach Seefahrzeuge der nichtmilitärischen Sicherheitsbehörden zunehmend auf Geschützbewaffnung verzichten, stellt offenkundig eine Fehlentwicklung dar; 76 mm auf der Back erscheinen zumindest bei größeren Patrouillenbooten als unverzichtbar.
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