Die Opposition ist auf die Boulevards gegangen

07.05.12, 21:18

Den gan­zen Tag setz­ten sich im Zentrum Moskaus die Proteste gegen Wladimir Putins Amtseinführung fort. Die OMON rea­gierte daruf mit Massenfestnahmen, dabei wur­den unter ande­rem die Veranden von In-Cafes auf dem Nikitin-Boulevard aus­ein­an­der­ge­nom­men. Den gan­zen Tag über gab es auch Gerichtsverhandlungen gegen die am Vortag wäh­rend des „Marsches der Millionen“ Festgenommenen. Dabei erhiel­ten die Anführer der Opposition nur Geldstrafen, viele ein­fach Aktivisten aber Ordnungshaft.

Manege-Platz

Pussy Riot Die Opposition ist auf die Boulevards gegangen

Pussy Riot, Foto: Wikipedia

Am Tag der Amtseinführung Putins war die Innenstadt fast men­schen­leer. Metallgitter, Gefangenentransporter und Busse mit OMON patrou­lier­ten an den meis­ten Metrostationen in der Inenstadt. Die Stationen „Borovitzkaja“ „Kropotkinskaja“ und Leninbibliothek“ waren geschlos­sen.

Die am Vorabend ange­kün­digte Aktion der Opposition auf dem Manege-Platz begann mit eini­ger Verspätung, die Idee auf den an den Krem angren­zen­den Platz zu gehen ent­stand erst um 22:00 Uhr des Vorabends nach dem bru­ta­len Auseinandertreibens der Kundgebung auf dem Bolotnaja-Platz

Es gab keine Plakate oder Slogans bei der Aktion: Die Teilnehmer woll­ten nur schwei­gend mit wei­ßen Bändern gegen­über des Kremls ste­hen.

Die ers­ten tauch­ten um 10:00 mor­gens auf an der Ecke des Hotels „National“ direkt an der kreu­zung Tverskaja und Mochovaja. Es gab fast keine Menschen älte­ren oder mitt­le­ren Alters, die Mehrzahl war jung. Sie waren som­mer­lich geklei­det – recht teuer und geschmack­voll, nur einige Teilnehmer kamen in natio­na­lis­ti­schen T-Shirts „Ich bin Russe“, andere hat­ten Abzeichen von „Solidarnost‘“ ange­hef­tet.

Die Leute ver­sam­mel­ten sich wei­ter an der Maneschka (#manezhka wude am Vorabend auf Twitter kre­iert) Ungafähr um 10:30 waren es einige hun­dert Teilnehmer. „Nach ges­tern muss man vor­sich­tig sein, es gibt viele Provokateure“ sag­ten einige 19-jährige Mädels, die auf dem Gitter der Unterführung saßen, die, wie sich her­aus­stellte, zu Jugendbewegung von Jabloko gehör­ten.

Auf ein­mal ent­wi­ckel­ten sich die Ereignisse schnell: nach einem Befehl über Funk zogen die Plizisten plötz­lich die wei­ßen Metallgitter mit der Aufschrift UVD ZAO um die Aktivisten zusam­men und trenn­ten sie von der Fahrbahn. Wer hin­ter der Absperrung stand wurde gezielt in den Metroabgang abge­drängt. Die OMON schloss gleich­zei­tig die Absperrung von der Straße Ochotnyj Rjad her, eine andere Einheit lief nach vorne. So wur­den die Aktivisten von zwei Seiten zusam­men gekeilt und par­al­lel vom Manege-Platz weg zum Vordach des Hotels Ritz-Carlton gedrängt.

Dieses Mal schlug die OMON die Menschen nicht mit dem Kopf auf den Asphalt und wandte keine Schlagstöcke an. Die Leute wur­den ein­zeln aus der Menge gegrif­fen und an Armen und Beinen zu den Gefangenentransportern getra­gen.

Am bru­tals­ten wurde Vadim Korovin, Aktivist von Rosagit; fest­ge­nom­men, als er in den Gefangenentransporter gedrängt wurde, schlug er einige Male mit dem Kopf gegen das Auto, lächelte aber wei­ter die Mitfühlenden an und rief „Russland ohne Putin“.

Letztlich drängte die Polizei die Menge auf die Gazetnyj-Gasse zu McDonalds. Einige ver­such­ten sich vor der OMON in den umlie­gen­den Cafes zu ver­ste­cken, ein Teil der Aktivisten ging in den McDonalds. Die OMON war bis dahin wild gewor­den und folgte der Opposition in das Fast-Food-Restaurant, drang ein und erschreckte die zahl­rei­chen Besucher mit ihren Kindern.

„Warum sitzt ihr hier, wenn ihr nichts kauft?“ frag­ten die OMON-Angehörigen Besucher, die ihnen ver­däch­tig erschie­nen.

Bald schnit­ten die Sicherheitsorgane den Zugang von der Gasse auf die Tverskaja ab und die Menschen mit den wei­ßen Bändern ent­fern­ten sich Richtung Nikitskij-Boulevard.

Große Dimitrovka

Gleich nach dem Ende der ers­ten Aktion der Opposition in der Gezetnyj-Gasse sowie auf der Tverskaja und der Großen Dmitrovka erschie­nen Leute, die Plakate um den Hals hän­gen hat­ten „Putin liebt alle“. In den Händen hiel­ten sie Georgsbänder und Trikolorenbänder und ver­such­ten sie Passanten zuzu­ste­cken, „Wir sind aus Tula gekom­men, wir sind von der ‚Jungen Garde‘. Wir sind für einen Tag gekom­men. Wer uns geru­fen hat? Es gab einen Anruf aus Moskau.“ Teilte eine etwa 24-jährige freu­dig dem Korresponeten von gazeta.ru mit. „Wie kom­men wir zum Arbat? Dort haben sich die Feinde Russlands ver­sam­melt.“  Fragte den Korrespondenten ein ande­res Mädchen, die mit ihrer Gruppe aus Saratow gekom­men war. Bei den Polizisten, die in der Kamergerskij-Gasse stan­den, ging das Funkgerät. „Es geht eine Gruppe mit wei­ßen Bändern über die <="" drängte="" p="" „ja="" wir="" kom­men.="" das="" dort­hin!“="" verstärkung“,="" brau­chen="" dmitrovka.="">

„Schneller, die müs­sen fest­ge­nom­men wer­den! Aber ver­wech­selt nicht wie beim letz­ten Mal die wei­ßen Bänder mit der Trikolore“, befahl das Funkgerät streng. An der Kreuzung Kamergerskij und Bolshaja Dmitrovka beob­ach­te­ten Passanten, die im Cafe saßen erstaunt, wie die Gasse von der OMON gesperrt wurde.

Verwüstungen auf dem Nikitskij und Tverskoj-Boulevard

Demonstranten, die nicht auf den Manegeplatz gekom­men waren, grup­pier­ten sich auf dem Tverskij und Nikitskij-Boulevard. Es waren einige hun­dert Menschen mit wei­ßen Bändern. Bald kamen OMON-Einheiten und began­nen Festnahmen nach bewähr­tem Muster, wobei sie alle von den Boulevards abdräng­ten.

Ein Teil der Oppositionellen sam­melte sich auf dem Nikitskij-Boulevard – das war der Ort der am nächs­ten zu Wladimir Putins Route in den Kreml lag. Dort gab es die auf­se­hen­er­re­gends­ten Ereignisse, die danach inten­siv von den Oppositionellen dis­ku­tiert wur­den: Die Verwüstungdes Cafes „Jean-Jaques“, das bei der Moskauer Presse und der Opposition beliebt ist und die Säuberungdes angren­zen­den Pubs „John Donn“.

Am Tag konnte man bereits die geschlos­se­nen Cafes „Jean-Jaques“, „John Donn“ und „Capussino“ bewun­dern. „Aus tech­ni­schen Gründen arbei­tet das Cafe z.Zt. nicht“, ver­kün­de­ten die Aushänge an den Türen. Gegenüber taten Gefangenentransporter Dienst, auf dem Vorlpatz der Cafes patrou­lierte OMON. Tische auf der Veranda des „Jean-Jaques“ waren nicht zu sehen, obwohl sie noch am Vorabend da waren.

Was dort mor­gens pas­siert ist: „Wir saßen im Cafe, tran­ken Kaffee; ich, der Journalist Aleksandr Korsunskij, der Politiker Boris Nemtsow, der Chefredakteur von grani.ru Wladimir Korsunskij“, erzählte Lew Rubinshtein, ein Augenzeuge, dem Korrespondenten von gazeta.ru. „Auf ein­mal sahen wir, dass einige Menschen mit wei­ßen Bändern den Boulevard ent­lang kamen. Sie stan­den an der Straße, die Polizei bat sie von der Fahrbahn weg­zu­ge­hen, die­ser Forderung kamen sie nach. Plötzlich tauchte eine OMON-Einheit auf dem Nikitskij-Boulevard auf, die auf die Aktivisten los­rann­ten und mit Verhaftungen begann und gleich dazu noch die Cafe-Besucher; sie zogen Leuten von den Tischen weg, stürz­ten die Tische um, zer­schlu­gen Geschirr, Gläser, Tassen.

„Das Jean-Jaques wurde gesäu­bert, Mich war­fen sie aus dem Cafe hin­aus, zer­schlu­gen mir die Nase, steck­ten mich in einen Gefangenentransporter. Sie packen alle. Gewöhnliche Cafe-Besucher. Höllische Stickigkeit. Sie wei­gern sich, die Ventilation ein­zu­schal­ten. Entgegnen ‚Atmet weni­ger‘“ schrieb Nikolaj Beljaev, Aktivist der Bewegung „Liga der Wähler“ in sei­nem Blog.

Später stellte sich her­aus, dass er bei der Festnahme an einem Wirbel ver­letzt wurde, des­sen unge­ach­tet erhielt er einen Einberufungsbefehl.

Auf der Puschkinskaja setzte OMON die Massenfestnahmen fort, kreis­ten die Aktivisten ein und grif­fen die her­aus, die sie woll­ten. Im Eifer des Gefechtes gerie­ten auch nor­male Passanten dar­un­ter.

In der Nähe der Ansammlung von Leuten mit wei­ßen Bändern ohne Plakate und Losungen gab es eine Aktion der Kremljugend, die vom Arbat hier­her gekom­men war. Auf ein­mal ver­ließ die Kremljugend orga­ni­siert den Boulevard. Die Teilnehmer die­ser Aktion sag­ten dem Korrespondenten von gazeta.ru, dass OMON sie darum gebe­ten hatte, damit die Putin-Anhänger nicht zufäl­lig wäh­rend der Festnahmen der Oppositionellen auch in die Gefangenentransporter gerie­ten.

Die Menge der Protestierenden mit wei­ßen Bändern löste sich bald auf. Gleichzeitig ver­kün­dete die Hauptstelle des Innenministeriums, dass es wäh­rend Putins Amtseinführung in Moskau etwa 120 Festnahmen gege­ben habe, die Situation in der Stadt aber „ins­ge­samt ruhig“ sei.

An der Metrostation Puschkinskaja gab es einen Stau aus Gefangenentransportern, alle waren gefüllt. Die Oppositionellen ver­ein­bar­ten in der Zeit über soziale Netzwerke, dass man sich an die Tchistye Prudy ver­la­gert.

Tchistye Prudy und Kitaj-Gorod

An den Tchistye Prudi gab es etwa 200 Putin-Gegner, viele hat­ten nicht ein­mal weiße Bänder ange­hef­tet und stan­den ein­fach an dem Brunnen und rede­ten mit­ein­an­der. Die Kämpfer der OMON kreis­ten die fröh­li­chen jun­gen Menschen ein, die ohne Plakate, ohne Losungen und nicht ein­mal in einer Menge, son­dern in klei­nen Gruppen stan­den.

Die sich Erholenden auf den Bänken beob­ach­te­ten, wie Menschen, die an der Fontäne spa­zie­ren gin­gen, fixiert und in Gefangenentransporter getra­gen wur­den, die OMON zog die Absperrung enger, um die nicht geneh­men Spaziergänger aus dem öffent­li­chen Raum abzu­drän­gen.

Unter dem Druck von OMON wichen die Aktivisten, rutsch­ten auf dem regen­feuch­ten Grass aus. „Wir brau­chen Verstärkung. Hier ist die basch­ki­ri­sche OMON im Einsatz, wir brau­chen noch eine Einheit“, befahl in der Zeit ein Polizist über Funk.

Der Eifer des Gefechtes traf auch Aleksander Tchernych, den Korrespondenten von Kommersant, und Konstantin Janukasukas, einen Stadtratsabgeordneten, der die Polizisten dar­auf auf­merk­sam machte, dass ihre Namensschilder von den Taschenklappen ver­deckt waren. Als Antwort auf die Forderung, die Abzeichen kennt­lich zu machen nahm OMON die auf die Einhaltung des Gesetzes Drängenden fest. Nach eini­ger Zeit wurde Tchernych jedoch wie­der frei­ge­las­sen.

Zum Abend ent­schie­den die Aktivisten, sich nach Kitaj-Gorod zur Verwaltung des Präsidenten auf­zu­ma­chen. Hier ver­sam­mel­ten sich um 19:00 Uhr etwa 300 Menschen am Denkmal für die Helden von Plevna. Im wei­te­ren erin­nerte das Geschehen an die Ereignisse auf den Boulevards: punk­tu­elle Verhaftungen, ein Kreis aus OMON und die Aufforderung der Polizei aus­ein­an­der­zu­ge­hen. Zum Redaktionsschluss war das Aufeinandertreffen in Kitaj-Gorod noch nicht been­det. Die Zahl der dort Festegnommenen betrug 30 – 40 Menschen, ein Teil der Protestierenden wurde zur Marosejka abge­drängt.

Gerichte

Die Gesamtzahl der in zwei Tagen ver­haf­te­ten Aktionsteilnehmer betrug laut Hauptstelle des Innenministeriums etwa 1000 Menschen, damit kamen offen­sicht­lich weder Gerichte noch Polizei zurecht. Die OMON klagte über Funk über einen Mangel an Gefangenentransportern und die meis­ten Fälle, die den Gerichten über­ge­ben wur­den, konn­ten nicht ver­han­delt wer­den.

Ein Teil der Festgenommenen konnte nach pro­phy­lak­ti­schen Gesprächen gehen. 100 Menschen im wehr­fä­hi­gen Alter erhiel­ten eine Vorladung ins Armeekommissariat („Kreiswehrersatzamt“). Einige Urteile am frü­hen Morgen waren hart. So wurde der Aktivist Nikolaj Ljazkin zu fünf Tagen Arrest wegen „Widerstandes gegen Polizeibeamte“ ver­ur­teilt. Dabei erhiel­ten die Anführer der Opposition, die am Vorabend fest­ge­nom­men wor­den waren, leich­tere Strafen. Der Politiker Aleksej Navalnyj und der Anführer der „Linken Front“ Sergej Udaltsov erhiel­ten eine Geldstrafe in Höhe von 1000 Rubeln (ca26 Euro) für den­sel­ben Paragraphen wie Ljazkin. Navalnyj ver­mu­tete nach sei­ner Freilassung, dass die bekann­ten Oppositionsführer gezielt nur eine Geldstrafe erhal­ten haben, damit der Protest nicht wei­ter eska­liert.


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