Nein, man kann im Grunde nichts über die Kriegs- und Krisenherde schreiben, die sich derzeit global auftun. Nichts über die Ukraine, den Nordirak oder den Gazastreifen. Wie will man als kleiner Blogger, der nicht über die nötigen Quellen und Kanäle verfügt, besser machen, was beim großen Journalismus, der viel weitreichendere Mittel besitzt, schon nicht richtig klappt? Der berichtet zwar ohne Unterlass, schmückt aber seine Nachrichten immer häufiger mit Floskeln wie »offenbar«, »mutmaßlich«, »nach Berichten« oder »angeblich sollen« aus. Nichts Genaues weiß man nicht. Aber erzählt wird es trotzdem.
So wie Freitagfrüh, als die Mehrzahl der Medien erklärte, dass die Hamas offenbar die Waffenruhe gebrochen habe. Nach Berichten der israelischen Armee seien zwei Raketen abgefeuert worden. (Der Bericht war ein Tweet eines Sprechers der israelischen Streitkräfte.) Angeblich soll aber nach ersten Angaben niemand verletzt worden sein.
Ständig diese einschränkenden, diese entkräftenden Zusätze. Aber das ist im Krieg normal. In ihm ist die Wahrheit die erste Geschädigte. Die Frage aber ist viel mehr, wie man über dergleichen berichten kann, ohne gleich in einen »Offenbar-Journalismus« zu verfallen, in eine Berichterstattung, die zwischen Spekulation und wahrem Sachverhalt nicht mehr unterscheidet, weil plötzlich auch wahr ist, was spekuliert werden kann? Berichterstatter, die heute den Einmarsch russischer Verbände für eine Frage der Zeit halten und morgen erklären, dass ein etwaiger Einmarsch nicht zu erwarten sei, kann man irgendwann auch nicht mehr ernstnehmen. Wer Auspizien betreibt, wo er beglaubigte Informationen weiterreichen soll, muss mit Einbußen an entgegengebrachtem Respekt wohl leben.
Klar, diese Sprache des Offenbaren ist weitaus sympathischer, als all diese tönenden Wochenschau-Stimmen von früher, die ohne einen Anflug von Zweifel die Situationen an der Front vollumfänglich erfasst zu haben schienen. Man will eben nicht mehr so klingen wie diese lächerlichen Berichterstatter, die so klangen, als seien sie die Herren der Wahrheit und nichts als der Wahrheit. So funktionierte Propaganda eben damals. Ein Mindestmaß an Skeptizismus ist allerdings schon notwendig. Aber wie vermittelt man seine skeptische Haltung so, dass die Konsumenten sie auch begreifen und vor allem, dass sich Offenbar-Meldungen nicht verselbständigen und plötzlich zu Ereignissen werden, die wirklich so geschehen sind, nicht weil sie geschehen sind, sondern weil die ganze Welt davon spricht?
Denn dass die Hamas nach Berichten offenbar die Waffenruhe gebrochen habe, das war nur eine kurze Weile offenbar und vermutlich. Etwas später war es schon in die Wahrheit übergegangen. Also schenkte man sich skeptische Zusätze und sagte, dass die Hamas die Waffenruhe gebrochen habe. Punkt. Was oft genug wiederholt wird, wird zur Wahrheit. Aus den sadistischen preußischen Offizieren, die in den alliierten Medien des Ersten Weltkrieges vorkamen und denen man unterstellte, sie töteten Kinder mit bloßer Hand und vergewaltigten Frauen bevor sie sie erstechen, wurden nach diesem Muster zum Beispiel Figuren für die Nickelodeons und letztlich Wahrheiten, an denen man nicht mehr zweifelte.
Eine zufriedenstellende publizistische Lösung dieses Dilemmas wird es nicht geben. Im Krieg ist der Berichterstatter immer jemand, der etwas erzählen soll, wovon er nur randständig etwas wissen kann. So richtig im Geschehen ist er natürlich nicht. Niemand weiß in einem solchen Szenario ganz genau, was gerade vor sich geht. Objektivität schwindet, wenn man um sein Leben rennt. Und in Zeiten, da Medien und Militär eine Synthese eingegangen sind, wird der Berichterstatter ohnehin nur zum Abnehmer militärischer Informationen und letztlich auch zum Instrument militärischer Interessen.
Aber was spricht denn eigentlich dagegen, einen Tweet eines Militärs einfach mal zu ignorieren? Man muss doch nicht gleich Meldungen mit »offenbar«, »nach Berichten« oder »angeblich sollen« um sich werfen. Einfach mal zurücklegen, abwarten was kommt, auf Bestätigung warten und sich von mehreren Quellen bestätigen lassen. Und dann abwägen und sich fragen, ob die Quellen seriös sind, Eigeninteressen haben und dergleichen mehr. Dann schleicht sich am Ende vielleicht doch noch manche Falschmeldung ein. Ganz sicher ist man da nie. Aber man minimiert diese Fülle an informativer Uninformiertheit, die seit Wochen und Monaten den Medienbetrieb bestimmt.
Das ist der Grund, warum ich zu all diesen Kriegsgeschehen nichts schreiben will. Einer sagte mir: »Warum schreibst du kaum was zur Ukraine und zu Russland?« Ich antwortete nur: »Weil sich mir der Kopf dreht und ich nicht weiß, worauf ich meine Meinung bauen soll. Überall dieses Durcheinander an Meldungen, ich kann nicht unterscheiden, was Meldung, Propaganda oder einfach nur Dramatisierung ist.«
Ich kann darüber schreiben, was diese Kriege aus unserer Gesellschaft machen, denn in ihr stecke ich tief drin. Aber was genau geschieht, wer wo bombardiert und wer angefangen hat, das kann ich unmöglich wissen, es sei denn, ich glaube irgendwelchen Tweets. Manchmal sollte man, wenn man keine Ahnung hat, einfach nur die Finger stillhalten.
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So wie Freitagfrüh, als die Mehrzahl der Medien erklärte, dass die Hamas offenbar die Waffenruhe gebrochen habe. Nach Berichten der israelischen Armee seien zwei Raketen abgefeuert worden. (Der Bericht war ein Tweet eines Sprechers der israelischen Streitkräfte.) Angeblich soll aber nach ersten Angaben niemand verletzt worden sein.
Ständig diese einschränkenden, diese entkräftenden Zusätze. Aber das ist im Krieg normal. In ihm ist die Wahrheit die erste Geschädigte. Die Frage aber ist viel mehr, wie man über dergleichen berichten kann, ohne gleich in einen »Offenbar-Journalismus« zu verfallen, in eine Berichterstattung, die zwischen Spekulation und wahrem Sachverhalt nicht mehr unterscheidet, weil plötzlich auch wahr ist, was spekuliert werden kann? Berichterstatter, die heute den Einmarsch russischer Verbände für eine Frage der Zeit halten und morgen erklären, dass ein etwaiger Einmarsch nicht zu erwarten sei, kann man irgendwann auch nicht mehr ernstnehmen. Wer Auspizien betreibt, wo er beglaubigte Informationen weiterreichen soll, muss mit Einbußen an entgegengebrachtem Respekt wohl leben.
Klar, diese Sprache des Offenbaren ist weitaus sympathischer, als all diese tönenden Wochenschau-Stimmen von früher, die ohne einen Anflug von Zweifel die Situationen an der Front vollumfänglich erfasst zu haben schienen. Man will eben nicht mehr so klingen wie diese lächerlichen Berichterstatter, die so klangen, als seien sie die Herren der Wahrheit und nichts als der Wahrheit. So funktionierte Propaganda eben damals. Ein Mindestmaß an Skeptizismus ist allerdings schon notwendig. Aber wie vermittelt man seine skeptische Haltung so, dass die Konsumenten sie auch begreifen und vor allem, dass sich Offenbar-Meldungen nicht verselbständigen und plötzlich zu Ereignissen werden, die wirklich so geschehen sind, nicht weil sie geschehen sind, sondern weil die ganze Welt davon spricht?
Denn dass die Hamas nach Berichten offenbar die Waffenruhe gebrochen habe, das war nur eine kurze Weile offenbar und vermutlich. Etwas später war es schon in die Wahrheit übergegangen. Also schenkte man sich skeptische Zusätze und sagte, dass die Hamas die Waffenruhe gebrochen habe. Punkt. Was oft genug wiederholt wird, wird zur Wahrheit. Aus den sadistischen preußischen Offizieren, die in den alliierten Medien des Ersten Weltkrieges vorkamen und denen man unterstellte, sie töteten Kinder mit bloßer Hand und vergewaltigten Frauen bevor sie sie erstechen, wurden nach diesem Muster zum Beispiel Figuren für die Nickelodeons und letztlich Wahrheiten, an denen man nicht mehr zweifelte.
Eine zufriedenstellende publizistische Lösung dieses Dilemmas wird es nicht geben. Im Krieg ist der Berichterstatter immer jemand, der etwas erzählen soll, wovon er nur randständig etwas wissen kann. So richtig im Geschehen ist er natürlich nicht. Niemand weiß in einem solchen Szenario ganz genau, was gerade vor sich geht. Objektivität schwindet, wenn man um sein Leben rennt. Und in Zeiten, da Medien und Militär eine Synthese eingegangen sind, wird der Berichterstatter ohnehin nur zum Abnehmer militärischer Informationen und letztlich auch zum Instrument militärischer Interessen.
Aber was spricht denn eigentlich dagegen, einen Tweet eines Militärs einfach mal zu ignorieren? Man muss doch nicht gleich Meldungen mit »offenbar«, »nach Berichten« oder »angeblich sollen« um sich werfen. Einfach mal zurücklegen, abwarten was kommt, auf Bestätigung warten und sich von mehreren Quellen bestätigen lassen. Und dann abwägen und sich fragen, ob die Quellen seriös sind, Eigeninteressen haben und dergleichen mehr. Dann schleicht sich am Ende vielleicht doch noch manche Falschmeldung ein. Ganz sicher ist man da nie. Aber man minimiert diese Fülle an informativer Uninformiertheit, die seit Wochen und Monaten den Medienbetrieb bestimmt.
Das ist der Grund, warum ich zu all diesen Kriegsgeschehen nichts schreiben will. Einer sagte mir: »Warum schreibst du kaum was zur Ukraine und zu Russland?« Ich antwortete nur: »Weil sich mir der Kopf dreht und ich nicht weiß, worauf ich meine Meinung bauen soll. Überall dieses Durcheinander an Meldungen, ich kann nicht unterscheiden, was Meldung, Propaganda oder einfach nur Dramatisierung ist.«
Ich kann darüber schreiben, was diese Kriege aus unserer Gesellschaft machen, denn in ihr stecke ich tief drin. Aber was genau geschieht, wer wo bombardiert und wer angefangen hat, das kann ich unmöglich wissen, es sei denn, ich glaube irgendwelchen Tweets. Manchmal sollte man, wenn man keine Ahnung hat, einfach nur die Finger stillhalten.
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