Die neue Partei der Heimatlosen

Da kugelt die Maske endgültig vom Gesicht! Jetzt, ausgerechnet jetzt, da landauf landab von einer neuen konservativen Partei salbadert wird, deren geistigen Vorsitz ein Chefideologe namens Sarrazin innehaben soll, mag sich auch Erika Steinbach, Präsidentin des Bundes der Vertriebenen, eine solche neue Partei vorstellen. Inspiriert haben sie diejenigen dazu, die sie für ihre Äußerungen zur Mobilmachung Polens schalten, die aus der Vertriebenenpräsidentin gerne eine vertriebene Präsidentin gemacht hätten. Unverstanden wie sie sich nun fühlt, jetzt auch noch heimatlos geworden auf dem politischen Parkett, giert sie nach einer neuen politischen Heimat, in der "Töne der linken Schickeria" nicht vernehmbar sind.

Zweierlei Gebrechen, an denen der deutsche Elitedünkel darniederliegt, werden an Erika Steinbachs Verhalten sichtbar: Erstens, glaubt sie an einen allgemeinen linken Zeitgeist und, zweitens, bezeichnet man radikale Positionen, rassistische und relativistische Ansichten heute wieder ganz schamlos als Konservatismus. Dass man immer wieder lesen muß, der linke Zeitgeist sei in Mode, das ist man mittlerweile ja gewohnt - wie Sozialabbau, kriegerische Auslandseinsätze oder das Publizieren von sozialeugenischen Hirngespinsten in eine solche linke Mode hineinpassen, wird in der Regel nicht erläutert. Und dass ausgerechnet solche, die von Parasiten und Schmarotzern kündeten, so wie einst Clement oder nun im "wissenschaftlichen" Gepräge Sarrazin, als Köpfe des Konservatismus gezeichnet werden, wirft schon ein trauriges Licht, eine dustere Funzel auf die politische und wirtschaftliche Blüte dieses Landes.

Überraschend ist indes nicht Steinbachs Geschichtsvergessenheit, die nicht historisch beseelt, sondern relativierend motiviert war; und auch ihr beleidigtes Gehabe ist es nicht: man kennt Steinbach ja schon lange genug, kannte ihre Eskapaden und fehlende Feinfühligkeit mit Polen - was nicht verwundert, hat sie doch damals - 1991 war es - als Bundestagsabgeordnete gegen eine Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze, gegen den Deutsch-polnischen Nachbarschafts- und Grenzvertrag gestimmt. "Man kann nicht für einen Vertrag stimmen", sagte sie, "der einen Teil unserer Heimat abtrennt." Und genau hier, in Fragen der Heimat, das was Steinbach als Heimat definiert, lugt hervor, mit welcher Motivation diese Dame in Diensten steht. Wenn man weiß, woher sie stammt, wenn man weiß, was für sie Heimat bedeutet, dann muß man keinerlei Skandale dieser Person kennen, um zu ertasten, wess Geistes Kind sie ist.

Der obersten Heimatvertriebenen angebliche Heimat, war ursprünglich die Heimat anderer Vertriebener. Sie wurde 1943 im kurzlebigen Reichsgau Danzig-Westpreußen geboren - als Tochter eines hessischen Feldwebels der Luftwaffe, der 1939 ins besetzte Polen beordert wurde. Vier Jahre vor klein Erikas Geburt, lebten Polen und Juden dort, wo jetzt deutsche Besatzungssoldaten und deutsche Herrenmenschen hausten. Die Heimat, aus der Steinbach nach dem Krieg vertrieben wurde, war kurz zuvor noch die Heimat anderer, heimatlos gewordener, ums Leben gebrachter Menschen. Die Familie Steinbachs als Integrationswunder! Sie hatten sich in der Fremde schnell heimisch gefühlt, schnell integriert - vielleicht auch daher der Drang, im Kielwasser aktueller Integrationsdebatten, als deren erlesener Experte Sarrazin auserkoren wurde, eine neue Partei zu fordern, die dann konservativ wie sie wäre, dafür Sorge zu tragen hätte, dass sich Türken und Araber hier so schnell heimisch fühlen sollen, wie weiland die Steinbachs im besetzten Polen.

Steinbachs Heimat, die sie so grässlich aufgeben musste, war eine Heimat, die schon vormals ihre Beheimateten verloren hatte. Sie selbst hat dort keine zwei Jahre gelebt - sich aber derart heimisch gefühlt, dass sie heute noch Anspruch auf dort vorhandenes familiäres Eigentum stellt. Kurz gesagt, Steinbach ist eine Lobbyistin, denn um Heimatgefühle kann es ihr nicht gehen - wäre dem so, triebe sie immer noch die verlorene Heimat an, die sie als Säugling verlassen musste, die nicht die historische Heimat ihrer Familie war, sonder die eroberte, so müsste man sie nach ihrer Integrationswilligkeit befragen. Doch das tut keiner! Wie überhaupt wenig Fragen zu dieser Dame gestellt werden. Was ist ihr Movens, könnte man fragen. Woher kommt sie, wäre auch so eine Frage. Stattdessen geistert sie zuweilen als streitbare Dame durch die Journaille, als Eskapaden-Madame, die leider immer falsch verstanden wird - dass sie jedoch keine Vertriebene im Sinne dessen ist, was man naiverweise darunter verstehen könnte, ist allerdings von wenig Interesse.

Bei diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass sie in Tagen, da viel von einer neuen Partei um Sarrazin, Clement und Merz phantasiert wird, auch eine Erika Steinbach mitmischt. Jene Herren gefallen ihr gut - sie stellen nämlich das dar, was sie gerne geworden wäre, wenn man sie nicht zur Heimatlosen vertrieben hätte: Gutsherrin! Junkerin! Indem sie sich freudig in die Aufbruchsstimmung zur Gründung einer neuen Partei hineingeworfen hat, hat sie sich das letzte Stück kaschierender Maske abgerissen. Mit Wahrheitsjüngern und Herrenmenschen im Bunde zu stehen, um Gutsherrin zu werden: das ist doch nicht das Schlechteste! Steinbach ist eben nicht die leicht schrullige Frau, die unbedarft schnell mal den Polen die Kriegsschuld zuschustert; sie ist auch nicht die integere und relativ untadelige Person, die ein trauriges Martyrium ihr Leben nennt: Steinbach, die vorsitzende Lobbyistin für Vermögensansprüche im Ausland, sie kalkuliert genau, mit wem sie ihre Interessen durchsetzen kann und mit wem nicht. Sarrazin und Konsorten, mit ihrem ganzen haarsträubenden Weltbild: das sind Burschen, mit denen zurückgeschossen werden kann!


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