Die Nackte und der Boxer

Es gilt eine Künstlerin zu entdecken bzw. wieder zu entdecken: Birgit Jürgenssen. Ihr widmet die Kunsthalle Tübingen bis zum 17.02.2019 eine Werkpräsentation „Ich bin / I am" mit rund 200 Werken.

„Birgit Jürgenssen (1949-2003) gehörte neben Valie Export und Maria Lassnig zur Avantgarde der 1970er Jahre in Österreich. An kunsthistorische Traditionen, wie den Surrealismus, anknüpfend, entwickelte sie im Stillen ein eigenständiges Œuvre, das neben einem großen Fundus an Zeichnungen auch Skulpturen, experimentelle Objekte, Videos und vor allem Fotografie umfasst. [...]

Dreh- und Angelpunkt im Werk von Birgit Jürgenssen ist dabei der Körper. Dieser ist nicht nur Gegenstand ihrer Zeichnungen, sondern auch die Erfahrungsinstanz, aus der heraus sie diese entwickelt. In den Zeichnungen der 1970er Jahre hat sie mit seismografischem Spürsinn festgehalten, was dem begrifflichen und damit bewussten Erfassen vorausgeht: Zwischenmenschliche Beziehungen, Sexualität, gesellschaftsbedingte Schönheitsvorstellungen und Geschlechterverhältnisse werden von ihr mit subversivem Humor selbstironisch ebenso reflektiert wie tiefere Schichten ihrer eigenen Identität. [Pressetext]"

Die Ausstellung zeigt, „dass Birgit Jürgenssen Bilder und Symbole unserer gesamten Kulturgeschichte mit eigener geistiger und emotionaler Energie aufgeladen und so für die Gegenwart aktualisiert hat. Ihr körperbezogener Ansatz erhält gerade heute, in einer Zeit, in der es durch die Digitalisierung zu einer zunehmenden Verflachung der Alltagswahrnehmung kommt, eine neue Aktualität. Ihr Werk, das aus dem Intimen kommt, steht nicht zuletzt für ein authentisches, innengeleitetes Leben und letztlich auch für den selbstbestimmten und emanzipatorischen Impuls der Kunst.

(...) Birgit Jürgenssen gilt neben Valie Export als eine der wichtigsten österreichischen Künstlerinnen der Feministischen Avantgarde. Sie wollte "die gängigen Vorurteile und Rollenbilder, die Frauen in der Gesellschaft zu gewiesen werden" und mit denen sie persönlich häufig konfrontiert war, aufzeigen und die Missverständnisse des Alltags darstellen. Mit beißender Ironie, provokant und subversiv spielte Jürgenssen unterschiedliche Identitätskonzepte durch." [Pressetext]

In dem Werk „The Hour of the Feather" spielt Jürgenssen mit weiblichen und männlichen Rollenbildern. Federn schweben über dem Körper einer nackten Frau, die auf eine Massagebank liegt. Einerseits verweisen die Federn auf die Frauen zugeschriebene Sanftheit. Gleichzeitig nehmen sie andererseits aber auch Bezug auf die zu erwartenden federleichten Berührungen des Massierenden. An der Stelle des Masseurs erscheint jedoch ein Boxer in Boxerhose, Boxstiefeln und mit bandagierten Händen.

Man könnte dieses Bild verstehen als eine Parabel dafür, dass die Wünsche der Frauen nicht kompatibel sind mit dem, was Männer ihnen bieten können. Dies wäre eine feministische Deutung.

Man könnte das Bild auch als ein surrealistisches Werk betrachten, in dem mit den Sehgewohnheiten des Betrachters gespielt wird. Eine alltägliche Szene wird verfremdet durch Versatzstücke aus einem anderen Kontext. Dafür sprich die ungewöhnliche Uhrzeit, die man auf der gezeichneten Uhr links oben ablesen kann.

Das Bild gibt Rätsel auf und das ist ja auch gut so.

Die sehr besuchenswerte Schau ist bis zum 17.02.2019 in der Kunsthalle Tübingen zu sehen.

(C) Uwe Betker


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