Gastbeitrag: „Boxkampf für direkte Demokratie von Joseph Beuys“

„Anlässlich der documenta 5 von Harald Szeemann (unter der Mitwirkung von Jean-Christophe Ammann) in Kassel 1972, fand am letzten Tag der Ausstellung im Museum Fridericianum als Abschiedsaktion ein Boxkampf statt zwischen Joseph Beuys (1921–1986) und dem jungen Kasseler Kunststudenten Abraham David Christian (*1952). Beuys, der seit 1964 sehr prominent auf allen documenta Ausstellungen vertreten war, hatte 1972 sein Düsseldorfer Informationsbüro der Organisation für direkte Demokratie durch Volksabstimmung für 100 Tage nach Kassel verlegt. Während dieser Zeit war er persönlich anwesend und diskutierte unermüdlich mit den Ausstellungsbesuchern über das Parteiensystem und direkte Demokratie durch Volksabstimmung. Er konstatierte dazu „Rede stehen ist auch eine Kunstform“ und bezeichnete ganz generell „Sprache als die erste Form von Plastik“. Für Beuys, der das Museum immer als einen Ort der permanenten Konferenz begriff, war das Büro für direkte Demokratie sein künstlerischer Beitrag und die Realisierung seines erweiterten Kunstbegriffes der „sozialen Plastik“.

Joseph Beuys, Boxkampf für direkte Demokratie, 1972,
© VG Bild-Kunst, Bonn 2018,
Foto: Axel Schneider

Der ebenfalls aus Düsseldorf stammende Bildhauer Abraham David Christian hatte Beuys bereits in den ersten Tagen der documenta in einem hitzigen Streitgespräch zu einem Boxkampf herausgefordert. Dieser Kampf fand schließlich am 8. Oktober 1972 um 15 Uhr im sogenannten „Denk-Raum“ des Konzept- und Nouveau Realiste-Künstlers Ben Vautier statt. In der Raummitte war auf einem flachen Podest ein klassischer Boxring errichtet. Beide Akteure kämpften mit freiem Oberkörper und mit Boxhandschuhen. Christian trug zusätzlich einen Kopfschutz aus Leder und einen Zahnschutz. Beuys blieb bis auf die Boxhandschuhe ungeschützt. Unter reger Anteilnahme zahlreicher Zuschauer gewann er schließtlich den Dreirundenkampf nach Punkten.

Die aus der Aktion resultierende Plastik Boxkampf für direkte Demokratie zeigt in einer extrem schmalen, fünf Meter breiten Zinkblech-Vitrine die Aktionsrelikte des Boxkampfes. Das Werk war richtungsweisend für die documenta-Arbeiten von Joseph Beuys, der wie kein anderer Künstler die documenta bis 1986 geprägt hat. Sein gesellschaftspolitischer Ansatz Anfang der 1970er-Jahre kann als Maßstab für folgende documenta-Ausstellungen bis in die unmittelbare Gegenwart gesehen werden.

1978 äußert sich Beuys zum Boxkampf wie folgt: „Ich bin überhaupt kämpferisch. In einem solchen Zeitalter, in dem wir leben, in dem der Mensch angelegt ist auf tatsächliche Freiheit, muss dieser Kampf natürlich anders sein als jemals in der Geschichte. Er muss sich ganz ins Innere verlegen, muss ein Kampf der Ideen, des Geistes sein. Jeder andere Kampf ist ein sinnloser Kampf. Wenn ich zum Beispiel, wie auf der documenta 1972, einen Boxkampf bestreite, dann ist das ein Boxkampf für direkte Demokratie, das heißt: Für einige Zuschauer wird eine Kampfsituation dargestellt. Die drückt aber symbolisch nichts anderes aus als diesen Kampf für eine humane Zukunft.“ (Joseph Beuys im Gespräch mit Gerd Courts, Kölner Stadtanzeiger, 1978)“ [Pressetext]

Das Werk ist seit kurzem im MMk, im  MUSEUMMMK FÜR MODERNE KUNST, in Frankfurt am Main zu sehen.


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