Die Linke und die Rechte und was den Unterschied macht

Eine Abfuhr an den linken Populismus.
Abkehr von Europa, Brüssel als Entmachtung des Volkswillens, die EU ein Apparat zur Beseitigung nationaler Entscheidungskompetenzen, die Vereinigten Staaten als Kommandozentrale: Das sind so Schlagworte, die man bei den Anhängern der AfD wie von »Die Linke« gleichermaßen hört. Der Feind ist benannt und rechts wie links eigentlich derselbe. Dass man bei der AfD solche Feindbilder pflegt, ist eigentlich geschenkt. Was man der politischen Linken vorwerfen muss: Sie hat zwar im Ansatz das Problem erkannt, aber ein Konzept für eine kontinentale Union aufbauend auf linken Werten legt sie jedoch nicht vor. Auch sie macht es lieber populistisch und emotionalisiert.

Heute verwische alles, hört man zuweilen. Die Übergänge seien fließend. Manche behaupten sogar, dass rechts und links politische Strömungsrichtungen seien, die es im modernen Geflecht aus Wirtschaft, Staat und Gesellschaft gar nicht mehr gäbe. Daher demonstrieren auch Rechte mit, wenn es gegen das Freihandelsabkommen geht. Und Linke merken nur schwerlich, dass sie völkischen Predigern auf den Leim gehen, wenn sie mit ihnen für den Frieden kundgeben.
Beide Richtungen wollen schließlich in vielen Angelegenheiten dasselbe. Frieden, keine Einflussnahme von Außen, lehnen den aggressiven Amerikanismus ab, die fette EU-Bürokratie und ihre Krisen- und Rettungspolitik. Sie mögen das westliche Wertesystem nicht so richtig. Die Linken aufgrund der kapitalistischen Dekadenz; die Rechten, weil sie sie den Parlamentarismus für zu liberal halten. Was jedoch unterscheidet ist das Gesellschafts- und Menschenbild. Aber wenn man sich als gemeinsamen Nenner ganz allgemeine Abneigungen erwählt hat, dann ist der Zähler unter dem Ziele, Absichten, Wegrichtungen und Pläne zu suchen wären, nicht mehr besonders relevant. Gerade aber in diesen Tagen, da Europa auseinanderbricht, braucht es eine linke Alternative zum neoliberalen Kontinentalentwurf und nicht Häme und Spott, keine linke Akzeptanz der Renationalisierung und diesen Überschuss an fatalistischer Resignation.
Diese Europäische Union reibt sich an den Nationalegoismen auf; sie hat ja Konstruktionsfehler. Eine Währungsunion alleine reichte nie und nimmer aus. Das konnte man ahnen. Manche haben es vorab ausgesprochen. Sie war als ein uneinheitliches Wirtschaftsgebiet geplant und ist es geblieben. Bis heute existiert keine gemeinsame Wirtschaftspolitik (Stichwort: deutscher Exportüberschuss und von den anderen importierte Arbeitslosigkeit). Es wollte nie eine Arbeitsmarkt- und Sozialunion sein. Die Bundeskanzlerin hat speziell letzterem Entwurf noch vor zwei Jahren eine strikte Absage erteilt. Europa sollte weiterhin ein weitestgehend nicht homogenes Territorium sein, in dem nur Herausgepicktes standardisiert wird, nicht aber das Gros anpassungswürdiger Sujets. So wollte sich der Norden dem Süden gegenüber schadlos halten und sich übervorteilen.
Brüssel ist reformwürdig, aber nicht abschaffungsreif. So ist es mit vielem, dem man jetzt populistisch und ohne alternativer Programmatik entgegentritt. Dem westlichen Werten, die ja nicht per se schlecht sind. Den Amerikanern, die ja auch Leute wie Sanders aus ihrer politischen Kultur hervorbringen können - und nicht nur Trumps und Bushs. Man hört in diesen Zeiten viel von links davon, was alles nichts ist - was alles aber etwas sein könnte, hört man seltener. Deswegen halte ich Lafontaine mittlerweile für unerträglich. Dauernd schüttet er das Kind mit dem Badewasser aus. Gut, das Badewasser ist mittlerweile erkaltet und trübe, man sollte neues einlaufen lassen. Aber hierzu lupft man den Stöpsel und lässt das Kind drin sitzen. Das wäre linker Ansatz - der rechte schüttet immer alles aus. Das sollte die Linke dringend vermeiden.
Momentan wirken aber viele Akteure der politischen Linken ungenau besehen leicht wie Rechte. Sie argumentieren gleichfalls emotional und teilweise mit Schaum vorm Mund. Weisen dieselben politischen Einrichtungen und Entwicklungen zurück und pflegen ähnliche Feindbilder. Aber es kommt darauf an, das Beste aus allen Möglichkeiten zu machen, die wir haben. Alles wegzuwischen hat etwas Umwerfendes, politisch gesprochen: etwas Revolutionäres. Aber darum darf es einer aufgeklärten Linken nicht mehr gehen. Sie muss sich dem Reformismus verschreiben und das, was sie an Missständen beklagt, abändern wollen. Davon ist allerdings derzeit wenig zu vernehmen. Konstruktiv und ohne vereinfachende Parolen in den politischen Alltag zurückzukehren: Das wäre der erste Schritt, um sich von den rechten Parteigängern zu unterscheiden.
Und man darf sicher sein: Viele, die jetzt meinen, dass die AfD auch nur irgendwie gegen Ähnliches angeht, wie »Die Linke« die tut, fallen von dieser selbsternannten Alternativpartei ab, um wieder echten linken Grundsätzen zu folgen. Man muss sich konstruktiv unterscheiden und darf nicht alles, von Brüssel bis Washington abwerfen, wie den Ballast vorangegangener Zeiten, mit dem man nichts mehr zu tun haben will. So argumentiert die AfD ja auch. Aber nun ist es eben so, man muss das Beste aus dem machen, was man hat - und das Beste aus den vorfindbaren Strukturen herauszuarbeiten, das war stets beste linke Aufgeklärtheit. Man muss die Welt nicht neu erfinden, man muss sie nur neu machen.

Chantal Mouffe behauptet ja in ihrem Buch unter anderem, dass man Emotion und Populismus braucht, um die Linke neu zu erfinden - dem sollte man nicht folgen. Das ist ein Irrweg, der zur politischen Beliebigkeit führt, zur Verknappung und Inhaltslosigkeit. In Grundzügen erleben wir diese Masche heute schon. Man sollte zurückfinden zur Aufklärung, zur Maßhaltung, zu gebildeten Grundlagen moderner politischer Analyse. Die belgische Politologin empfiehlt, dass die Linke die Methoden der populistischen Rechten anwenden sollte, um sich Gehör zu verschaffen. Aber exakt das sind ja die Praktiken, die die Linke ununterscheidbar von der Rechten macht - jedenfalls auf den ersten Blick. Man kann nicht ähnliche Sachthemen wie rechte Parteien besetzen und diese dann auch noch mit ähnlichen Sprüchen umwerben, ohne als der Kopf derselben Hydra angesehen zu werden.
Wenn die Linke überhaupt etwas bedeuten soll, dann doch der Umstand, dass sie nachdenklicher agiert, mit mehr Überblick und unter Einzug möglichst aller betroffenen Gesellschaftsschichten. Die Rechte macht es aus dem Bauch heraus, erst reden, dann denken. Wer das der Linken empfiehlt, der gibt miese Ratschläge. So macht sie sich nicht zur Alternative, so gerät sie unter die Räder. Sie sollte erst denken, dann reden und besser noch: argumentieren. Faktisch ist es aber in vielen Punkten eh schon so, dass die Linke populistisch auftritt, wo sie es nicht sollte. Siehe die oben genannten Felder. Was wir jetzt schon beobachten können, hatte der Publizist Kurt Hiller Ende der Zwanziger, Anfang der Dreißiger bereits als »linke Leute von rechts« tituliert. Und irgendwie glich das damalige Verhältnis der Linken zur Rechten schon dem, was Mouffe ans Herz legt: Populismus auf beiden Seiten. Eine aufgeklärte Linke sollte sich das nicht leisten. So löst man nicht die Probleme unserer Zeit. So wird man zum Teil desselbigen.

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