Die Liebenden von Leningrad

An einem warmen Sommertag begegnet Tatiana dem jungen Offizier Alexander. Sie stehen mitten am Anfang eines Krieges, aber an diesem Sommertag ist alles, was sie trennt, eine Straße.
Auf der einen Seite sitzt Tatiana, jung, unschuldig, in einem Kleid mit roten Blüten, das Haar fliegt ihr ins Gesicht, fast meint man die Hitze auf der eigenen Haut zu spüren. Sie genießt ein Eis, für sie ist der Krieg so weit entfernt, wie er nur entfernt sein kann. Auf der anderen Seite steht Alexander, jung, groß, stattlich, fasziniert von einem Mädchen, dass in all der Hektik, nach der Ankündigung eines Krieges, doch die Zeit findet, unbekümmert ein Eis zu essen.
Eine Straße zwischen ihnen, eine Straße, die Alexander nur zu überqueren braucht. Ein paar Schritte, die sein gesamtes restliches Leben bestimmen.
Zu pathetisch, sagt ihr. Unter anderen Umständen hätte ich euch Recht gegeben. Aber nicht hier.
Die Liebenden von Leningrad
Als ich mit Tania das erste Mal Alexander erblickte, war es um mich geschehen. Ein paar Sekunden, und ich war verliebt.
Die Liebenden von Leningrad
Aber Alexander ist voller Geheimnisse, eins seiner Geheimnisse lüften wir leider viel zu schnell: er ist auch der Freund ihrer Schwester, Dascha. Tatiana will keinesfalls das Glück ihrer Schwester zerstören und räumt bereitwillig das Feld, aber kann man diese Liebe aufgeben?
Paullina Simons schreibt so gefühlvoll, ergreifend, lebendig, dass man die Menschen ( ja, für mich sind die Charaktere Menschen geworden), die Stadt, die Landschaft, das man einfach alles vor Augen hat. Man ist dort. Man ist so sehr dort, wie man nur dort sein kann- ich bin in dieses Buch gekrochen.
Das Leid des Krieges, der Hunger, die Kälte ist so nah, so intensiv, dass man selbst ohne Atem bleibt.
Man fühlt mit der Familie von Tania mit, ist entsetzt, was Hunger aus den Menschen macht. Man riecht den Gestank der Wohnungen, man will Marina am liebsten davon abhalten, den Tapetenkleister zu essen. Man will Tania beschützen auf dem Weg zur Essensausgabe. Ich will am liebsten die vereisten Treppen für sie freischaufeln, auf denen die Toten schon liegen.
Die Bilder in  meinem Kopf waren so intensiv, so echt. Sie kam mir so real vor, dass ich das Gefühl habe, die Geschichte ist zu meiner Vergangenheit geworden. Die Bilder, die ihre Worte erschaffen haben, haben sich in meinem Kopf gebrannt, auf die ich immer zurück greifen kann, wie an Erinnerungen. Ein Film den ich beliebig oft abspielen kann.
Und als die drei, Dascha, Alex und Tania, im Bett liegen? Als Dascha auf Toilette ist, liegen die beiden dort. Drückende Dunkelheit umgibt sie, alles was sie sehen, sind die Augen des anderen, all ihre Gefühle, die zwischen ihnen liegen, sie spüren die Nähe, der sich nicht nachgeben können und alles, was sie sich erlauben, ist das kurze berühren ihrer Knie. "Sag nichts, ich bin da, ich weiß, was du denkst und fühlst- denn ich fühle dasselbe."
Als sich ihre Knie berühren, war es fast schon zu viel für mich. Diese kleine, winzige Geste zerreißt mein Herz. Ich muss tief durchatmen, um weiterzulesen, um die Geschichte weiter zu ertragen.
Das Buch hat mehr Leid als Freude zu bieten, aber es ist ein Schmerz, dem ich mich nicht entziehen konnte.
Ich habe geweint, gezittert, unfassbar den Kopf geschüttelt, nicht mehr geatmet, geliebt, gelitten- alle Gefühle haben in mir getobt. Die Ausweglosigkeit, der Hunger- es war greifbar. Ich war dort, konnte den Gestank riechen, habe die Kälte auf den Straßen von Leningrad gefühlt.
Ich bin durch die Hölle gegangen. Ich kann das Buch nicht mehr öffnen, zu frisch ist noch die Wunde, ich würde das einfach nicht ertragen. Dass Buch zu öffnen, ist als würden alle Gefühle nochmal durch die Seiten fliegen, nochmal all das Leid zuzulassen. Dafür hab ich mich noch nicht genug vom ersten Schock erholt.
Ich hab mein Herz an Alexander verloren, und das ist mir lange nicht mehr passiert.
Die Liebenden von LeningradWelche Worte kann ich nehmen, welche Worte muss ich noch suchen, um meine Gefühle auszudrücken?
Dabei ist das Buch keinesfalls fehlerfrei. Alexander ist jähzornig und aggressiv, Tatiana ist naiv und oft dramatisiert sie dadurch nur noch mehr die Situationen, der Vater ist ein Säufer, Dascha ist egoistisch.
Niemand verhält sich so, wie er sich verhalten sollte. Wieso stehen Tatiana und Alexander nicht einfach mal zu ihrer Liebe? Oft wollte ich die beiden nur schütteln. Und am liebsten windelweich prügeln. Wie oft wollte ich alle fragen, wieso sie sich verhalten wie sie es tun!
Aber gerade das macht sie so realistisch, weil sie sich nicht verhalten, wie wir es wünschen. So wie Tatiana vom naiven Mädchen zur starken, erwachsenen Frau wird im Laufe der Geschichte, so verändern auch wir Leser uns. Machen Erfahrungen, verändern uns, leben mit den Figuren mit- und am Ende verstehen wir besser.
Alexanders Besuche im Krieg sind wie die Lichtblicke in einer sternlosen Dunkelheit. Wenn Alexander und Tania sich umarmen, sind sie wie die Drähte in einer Glühbirne, die verbunden sind, um Licht zu spenden.
An diesem Licht können sie festhalten, sich wärmen, wenn der andere nicht da ist, aufrecht stehen bleiben, wenn der Hunger sie in die Knie zwingt. Diese kleinen Momente halten sie am Leben.  Man schöpft selbst Kraft aus der Liebe von Tania und Alexander, die sie beide nicht ausleben können. Sie geben sich einen solchen Halt, dass ich am Ende sogar selbst glaube, überleben zu können, nur weil ein Mann mich so liebt, wie Alexander es tut. Die beiden halten sich am Leben, ohne das sie zusammen sind.
Tatiana folgt scheinbar jedem Befehl von Alexander wortlos, ohne eigene Meinung, sodass es scheint, als würde sie alles hinnehmen, was er sagt. Aber in Wahrheit ist sie eine starke Frau, die zwar Ja und Amen sagt, aber letzendes ist Alexander, derjenige der sich beugt. Denn Tatiana lebt nur nach ihren Prinzipien. Nicht jeder Kampf muss mit Geschrei und Streit gewonnen werden. Das fand ich sehr schön.
Man muss Paullina Simons Worte gelesen haben, um den Schmerz, die Angst, die Verzweiflung und Sehnsucht verstehen zu können.
Tausend Worte könnte ich schreiben und noch einmal tausend und doch würden sie nicht reichen, um euch Alexander und Tatiana näher zu bringen.
Die Liebenden von Leningrad
Eine Geschichte, die mir noch Tage danach nicht aus dem Kopf ging und Bilder, die mir niemals mehr aus dem Kopf gehen werden. 

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