In den Stephen-King-Tümpel springen, Schlick rausschaufeln, etwas finden – vielleicht "Das Bild" (1995)? Oder "Der Straßenvirus zieht nach Norden" (aus der 2002 veröffentlichten Kurzgeschichtensammlung "Im Kabinett des Todes")? King hatte sichtbaren Spaß an Bildern, die sich zum Guten wie zum Bösen bekennen, lebendig werden und ihre Opfer heimsuchen. Flohmarktstoff eben. Doch der Großmeister erodierender Bindungen, die inmitten des familiären Alltagstrotts grassieren, wusste um die Spannung der Auflösung von Normalität. Er schrieb keine selbstherrliche Kunst, sondern ließ seine Leser eine Erfahrung durchleiden. Selbstherrliche Kunst ist dafür zuhauf zu finden in "Die Kunst des toten Mannes". Und jede Menge Bilder, auf denen ein Fluch lastet. Dan Gilroy ist kein Stephen King – sein Film proklamiert die Verständnislosigkeit gegenüber einer Geschichte, die bei King in der Schublade (wohl für immer unvollendet) gelegen hätte.
Der genialische, zeitlebens unentdeckte Künstler, um den Gilroy seichte Horrorvignetten verklammert, weist eine psychotische Vergangenheit auf, entstammt einem Elternhaus, in dem er vernachlässigt wurde, und taucht für mehrere Jahrzehnte ab, um seine Depressionen zu Stillleben des Wahnsinns zu vermalen. Welches altbackene Seemannsgarn der Regisseur Dan Gilroy spinnt, spottet jeder Beschreibung. Das von seinem Kunstkritiker Morf Vandewalt (Jake Gyllenhaal) geforderte Originalitätsparadigma löst "Die Kunst des toten Mannes" jedenfalls zu keiner Zeit ein. Im Gegenteil: Erschreckend gestrig, für ein Publikum verbaut, aus dessen Mund das Popcorn bei angetragener Lautstärke wasserfallartig rieselt, verfolgen die Bilder ihre Opfer bis zu einer stillgelegten, irrationalen Tankstelle und tröpfeln aus Spiegeln, vergelten Maschinenmenschen ungerechte Kritik und schwitzen Leinwände Blut. Nichts davon will satirisch zünden oder gruseln.
Die Entwürdigungen echten Horrors sind es nicht allein, die einen entwürdigenden Film hinterlassen. Gilroy inszeniert einen Film über Kunst. In der Hochburg der postmodern unverstandenen Kunst Miami beleuchtet er die Kunstszene ausnahmslos zynisch – hier ein Gespräch, das mit Champagner brüsk abgewehrt wird, dort eine Verkettung sterilen Smalltalks. Was Gilroy darüber zu sagen hat, ist genauso einfallslos wie kunstfeindlich. Kunst ist Kommerz ist ein Geschäft ist Oberfläche. Kunst ist gefährlich. Und irgendwie sind Künstler entweder versoffene, desillusionierte Arschlöcher, die sich ihren Denkraum in einem Basketball-Atelier eingerichtet haben (John Malkovich), oder sozialvernetzte, auf dem Belag der Straße beheimatete Randexistenzen (Daveed Diggs). Manch' einer mag das als ironischen Gegenwartskommentar zu einer marktkonformen Kunstindustrie auffassen, die sich in Hochmut verkleidet und in Würdelosigkeit gefällt.
Ideenreich ist das trotzdem nicht. Überall die Persiflage: Jake Gyllenhaal persifliert den Kunstkritiker, von dem die Welt abhängt. Er spielt ihn latent bisexuell, erregend, fahrig, mit modischer Hornbrille. Rene Russo persifliert die Branchenkennerin, biestig, steinig. Und Natalia Dyer die junge Aushilfskraft, schüchtern, schreiend. Entvölkert ist dieser Film, hohl und von der Beflissenheit eines schief hängenden Bilderrahmens. In wenigstens zwei Szenen gelingt es Gilroy, seine Munition abzufeuern: Eine blutige, einarmige Leiche wird Teil einer Installation, die von roten Schuhabdrücken orchestriert wird, und schließlich verlaufen die Farben über das Kunstwerk hinaus, erfassen die Beine, die Arme, die Hände, die Finger, den Kopf und die Augen. "Wir müssen uns selbst als ein Kunstwerk schaffen", etikettierte Michel Foucault den anbrechenden Zeitaltern ausfransender ästhetischer Urteile. Ästhetisch geschmacklose Filme wie "Die Kunst des toten Mannes" hat er damit nicht gemeint.