Die Kriegsbemalung auf den Schnauzen

Über die geistige Mobilmachung.
Wir sind so weit. Wir sind kriegsbereit. Unsere geistige Verfassung scheint geebnet zu sein. Man braucht nur so ein bisschen durch die Pinnwand bei Facebook klicken und man kann sehen, dass es genau so ist. Die gemäßigten, die besonnenen Stimmen sind Mangelware. Der Stoizismus kupiert. Selbst potenzielle Linke sind dort plötzlich Agitatoren des Krieges oder bekunden wenigstens ihre Solidarität mit dem Bombenkrieg. Der Islam ist in den sozialen Medien für viele natürlich nicht weniger als Faschismus. Und diese Dschihadisten seien nichts anderes als Tiere. Facebook scheint der Frontabschnitt zu sein, in dem die Verrohung und Barbarisierung popularisiert wird. Früher brauchte man Politruks, die durch die Reihen gingen, heute schwört sich der freie Teil der Welt in sozialen Netzwerken ein.
Die Kriegsbemalung auf den SchnauzenIch traue dieser Tage meinen Augen kaum. Linke, Rechte, Konservative und Progressive, alle wollen sie mehr oder minder den militärischen Einsatz. Der Krieg. Einerlei ob nun unter UN-Mandat oder nicht. Warum nicht die Bundeswehr dorthin schicken?, fragen sie. Gegen den Islam, wäre das doch eine richtige Sache. Denn der Islam ist schlecht. Der Islam ist mörderisch. Der Islam. Es gibt ja nur den einen, so wie eben ein amerikanischer Evangelikaler und Frau Fromm, die nur Ostern in die Kirche geht und auch ansonsten nicht betet, »die Christen« sind. Das ganze verfluchte Internet ist voll von diesem »Der-Islam-ist-...«-Gewese. Jeder Trottel hat eine Ansicht zum Thema. Ansicht, aber keine Ahnung. Meist sondern sie nur Ungehobeltes, Dummes und was weiß ich alles ab.

Mann, der Islamische Staat ist die beste Erfindung, die man sich denken konnte - nicht wahr, Herr Gauck? Die Generalmobilmachung der Gemüter funktioniert heute mit Daumen nach oben. Jeder noch so ahnungslose Idiot weiß dort ein Statement abzugeben. Zusammenhangslos. Geschichtsvergessen. Einfach nur vom Gefühl der Rache angeleitet. Vor kurzem sah meine Pinnwand, diese Summe aller »Freunde«, die ich mir dort irgendwann zugelegt habe, noch anders aus. Man zürnte dem Militärpfarrer, der Krieg fordere. Im Angesicht des IS sieht dieselbe Pinnwand plötzlich ganz anders aus. Selbst das Bombardement verteidigt mancher. »Schlichtes Weltbild« nennt man es, wenn man das für einen falschen Weg hält. Und Christine Buchholz, linke Bundestagsabgeordnete, kriegt ihr Fett weg, weil sie glaubt, dass Bomben keinen adäquaten Lösungsansatz liefern. Ich las Stellungnahmen von Autoren und Bloggern, die sich davon distanzierten und von Schamgefühl quatschten. Wie kommen diese Leute jetzt alle dazu, Bomben als Grundlage einer neuen Ordnung zu akzeptieren? Bomben, die gestern auch die zerrissen, die verteidigt werden sollten ...
Die Kurden sind plötzlich ein Vorposten eines Westens geworden, in dem der ideologische Burgfrieden ausgebrochen ist. Wer hat sich denn vorher für die Sorgen der Kurden interessiert? Aber plötzlich sind sie die Herzensangelegenheit aller. Auch der Dummköpfe, die ihren Hass auf den Islamischen Staat freien Lauf lassen und es dann auch noch Meinung nennen. Einen muslimischen Blogger, den ich auch in meiner Freundesliste habe, und der versucht, dieser islamophoben Eindimensionalität Einhalt zu gebieten, nennt man dort einen »Muslim«. Muslim in Anführungsstrichen. Denn er ist friedlich, wortgewandt und humorvoll. So kann doch kein Muslim sein. Der kann zwar von denen abstammen, aber so richtig ist er sicher keiner. Das sind doch alles Tiere.
Ich könnte hier so viele Frechheiten, Anstiftungen, Gewaltbekundungen, Pogrommotive, Beleidigungen, Entmenschlichungen und Brachialrhetorik auflisten, dass dieser ganze Freitagvormittag mit dem Lesen dieses Verzeichnisses draufgehen würde. Was da anschwillt, das ist die Bereitschaft dazu, sich jetzt in einem gerechten Krieg hineinzufühlen. Endlich sind die Leitmotive da, die diese an sich pazifistische Masse aufrüttelt. Emotionalisiert durch TV-Bilder glaubt man nun, man dürfe nicht mehr falsch friedfertig sein. Pazifisten sind plötzlich die wirklichen Kriegstreiber. Denn wer nicht kämpft, der will den Untergang, belehren sie einen. Sie klingen wie Vulgärdarwinisten, wie Hitler, der über den Kampfwillen als Grundlage des Lebens rezitiert. Dabei tun sie noch so, als sei alles nur noch alternativlos.
Was mich erschreckt ist nicht die Entdeckung, dass es vermutlich ohne militärischen Druck nicht zu einem Ende dieses Terrors kommt. So ist die Welt zuweilen. Aber dass plötzlich ein Massenpublikum Parolen ruft, wie sie Kriegsherren brauchen, um relativ unkontrolliert ihres Amtes walten zu können, das macht mir Sorgen. Mit Geschöpfen, die so beschaffen sind, kann dieser Schwachsinn hemmungslos vollzogen werden. Geht von mir aus als internationale Koalition von Bodentruppen dorthin. Aber auch in diesem Falle wollte ich eine Öffentlichkeit, die nicht  »Hurra!« schreit und bei jeder erfolgreichen Frontmeldung so tut, als seien tote Menschen ein Grund zur Freude. Schließlich seien es ja nur Tiere, die man mordet. Mit Zoomorphismen war es immer leichter. Die Tutsi waren Schaben. Und Juden Ratten oder Ungeziefer. Dass Krieg stattfindet, das ist ja schon schlimm genug. Wenn er aber stattfindet und die Menschen unterstützen den Einsatz ohne Skepsis und in naiver Umnachtung, dann ist das ein moralischer Niedergang.
Der Krieg steht vor der Türe, die Gemüter sind abgestumpft genug, für Einfühlungsgabe unempfindlich. Diese Haltung färbt auch auf zukünftige Konflikte ab. Ich las irgendwo auf meiner Pinnwand einige Kommentare. Dort hieß es, dass man mit den Problemen, die der islamische Teil der Welt habe, endlich mal Schluß machen müsse. Endgültig. Ihnen Regeln auferlegen. Ich befürchte, diese Denkweise setzt sich langsam durch. Die Kriegsbemalung ist schon auf diese Schnauzen aufgetragen. Wir sind bereit. Im Kopf. Als Gesellschaft. Für das große Schlachten. Für die Verantwortung in der Welt.
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