Und wie Sie das (vielleicht) vermeiden können.
Streit um die Finanzen ist einer der Hauptgründe für eine Scheidung. Jedenfalls in Amerika, wie einige Studien zeigen.
Und fast jeder, der in einer Partnerschaft lebt, kennt immer mal das Thema. Der andere ist entweder zu geizig, zu großzügig oder gibt das Geld für die falschen Dinge aus.
Konflikte entstehen ja immer dort, wo Wahlmöglichkeiten sind. Also wo man dieselbe Sache unterschiedlich betrachten kann. Deswegen streiten Paare über Sex, Kindererziehung und die richtige Ernährung. Aber warum über Geld?
“Weil immer zu wenig davon da ist”, verriet mir mal eine Frau in der Paartherapie. Ich blieb skeptisch, denn dann dürften sich ja reiche Prominente nicht ums Geld keilen. Tun sie aber auch.
Beim Thema Geld kann man zwischen Wert- und Verteilungskonflikten unterscheiden. Wertkonflikte sind schwieriger zu lösen, weil die Partner grundlegend unterschiedliche Bedürfnisse und Ziele verfolgen. Bei Verteilungskonflikten reicht das Geld nicht, um die Wünsche beider zu erfüllen.
Warum es meist gar nicht ums Geld geht.
Meist geht es aber gar nicht ums Geld, sondern mehr um das, was wir mit Geld verbinden. Wofür es steht und was wir uns davon erhoffen.
Vor dem Zusammenziehen wird selten ausführlich über Finanzen diskutiert oder über die Einstellung zum Geld. Aber jeder Partner lebt auch da schon seine jeweiligen Einstellungen, wie aus diesen Schilderungen von Paaren zu ersehen ist:
- “Er holte mich mit einem Porsche vom Büro ab. Ich sah die neidischen Blicke meiner Kolleginnen – und ich fühlte mich im siebten Himmel.”
- “Bei unserem ersten Treffen wurde sie ganz sauer als ich im Café einfach die Rechnung nahm und bezahlte. ‘Du hättest mich fragen müssen, ob Du mich einladen darfst’, sagte sie. Ich verstand die Welt nicht mehr.”
- “Wir wollten uns ein Auto kaufen, einen Opel Astra” berichtete der Mann. “Dafür reichte unser Geld. Eine Woche später stand ein BMW vor der Tür, ein Geschenk von ihrem Vater. Ich wollte den Wagen nicht aber meine Frau sagte, ich solle mich nicht anstellen.”
Geld steht für Werte.
Und diese Werte werden früh vermittelt, in Kindheit und Jugend. Wer früh gelernt, das Geld nicht zum Fenster rauszuschmeissen, wird diese Einstellung meist entweder auch im Erwachsenenleben befolgen – oder aus Protest und um sich von den Eltern abzusetzen – genau das Gegenteil tun. Doch rebellisches Andersmachen ist noch nichts eigenes, sondern genauso Anpassung.
Früh gelernt wird auch, was es wert ist, dafür extra Geld auszugeben. Bildungsgüter wie Konzerte, Musikinstrumente, Bücher, Aus- und Weiterbildungen. Oder eher Konsumartikel wie teure Kleidung und aufwendige Hifi-Anlagen und Fernseher. Sparte man auf den gemeinsamen Familienurlaub oder Vaters Motorrad? Wurde Geld für teures Biofleisch ohne Bedenken ausgegeben aber die Ausgabe für ein BRAVO-Abonnement wurde als Verschwendung abgelehnt.
Geld ermöglicht, eigene Ziele zu erreichen. Und Menschen haben unterschiedliche Ziele. Wem Sicherheit am Herzen liegen, wird mit Geld anders umgehen als der, dem Ansehen und Status wichtig sind. Und das zeigt sich dann zum Beispiel als Erwachsener, welches Auto man kauft oder wie man sein Geld anlegt.
“In unserer Familie wurde Liebe und Zuneigung immer durch teure Geschenke vermittelt”, berichtete mir eine Frau in der Paartherapie. “Und was schenkt mir mein Mann zu Weihnachten? Eine Dampfbügelstation!”
Der Ehemann konnte nicht nachvollziehen, warum seine Gattin von dem teuren Geschenk so enttäuscht war. Doch wer von klein auf dazu erzogen wurde, kein Geld zu verpulvern, kommt eben auf so eine nützliche Idee.
Reich oder arm ist auch eine Einstellung.
Manche Menschen haben immer Angst um ihr Geld, egal wie viel sie besitzen. Entweder ist es zu wenig oder sie befürchten, es zu verlieren. Andere Menschen haben vielleicht definitiv weniger Geld zur Verfügung, genießen aber das, was sie haben.
Die Bedeutung, die Menschen dem Geld geben, hängt auch vom Geschlecht ab. Männer verbinden mit Geld am häufigsten die Chance auf Erfolg und Macht, Frauen eher mit Sicherheit und Selbstständigkeit. Das hat vielleicht damit zu tun, dass Sicherheit und Selbstständigkeit für Frauen wichtigere psychosoziale Ressourcen sind, weil sie oft beziehungsorientierter denken. Erfolg und Macht ist aber auch für Männer im Leben nicht leicht zu erreichen, und wird deshalb gern aufs Geld projiziert.
Wenn Paare um Geld streiten…
… geht es meistens nicht um Geld. Sondern sehr oft um …
1. Macht
Bei Paaren, wo der Mann Alleinverdiener ist oder deutlich mehr verdient als seine Partnerin, kann es gut sein, dass er bestimmte finanzielle Ausgaben tätigt ohne sie vorher abzusprechen. Darauf angesprochen, antwortet derjenige: “Aber ich bring doch auch das Geld nach Hause.”
Das ist das patriarchalische Ehemodell, das bis in die Sechziger auch bei uns vorherrschend war.
2. Wertschätzung
Wer mehr Geld nach Hause bringt (das kann auch die Frau sein) kommt vielleicht auf die Idee, dass er für Hilfe im Haus oder bei der Kindererziehung nicht mehr zuständig ist: “Um was soll ich mich denn noch alles kümmern.”
Doch dadurch fühlt sich der andere Partner meist in seiner Rolle, die mehr mit Haus- und Kinderarbeit zu tun hat, abgewertet.
3. Unterschiedliche Ziele
Ob jetzt die Anschaffung einer neuen Couchgarnitur wichtiger ist als der Kauf des neuesten 3-D-Plasma-Fernsehers mit Internetanschluss – darüber lässt sich heftig streiten. Wie auch ihre Kollektion von Handtaschen mit anderen Argumenten verteidigt wird als seine Sammlung von Modelleisenbahnen.
Diese Paare streiten oft über Geld.
In drei Jahrzehnten Paartherapie habe ich viele Paare gesehen, die über Geld Auseinandersetzungen hatten. Hier meine Vermutungen, was oft dahinter steckt:
Überholte Ansichten.
“Für meine Eltern waren Menschen, die Schulden machten, Menschen zweiter Klasse. Welche, die angeben wollten oder nicht mit Geld umgehen konnten”, berichtet der Mann. Leider verhinderte dies den Kauf einer Eigentumswohnung, was der Frau in Bezug auf Sicherheit und Unabhängigkeit von Vermietern wichtig war.
“Vielleicht sollten Sie sich von den Werten Ihrer Eltern lösen und Ihre eigenen finden”, wagte ich einen Lösungsversuch.
Angst vor Machtverlust
Es braucht schon ein gesundes männliches Selbstbewusstsein, wenn die Partnerin deutlich mehr verdient. Manchen Männern schlägt das auf die Potenz. In einem Fall hatte die Ehefrau drei erfolgreiche Geschäfte gegründet. Der Mann, ein Künstler, kümmerte sich um Haushalt und Kinder – und war im Lauf der Zeit impotent geworden.
Da dies meist eine Verweigerungsstrategie darstellt, die jedoch völlig unbewusst ist, kommt man mit direkten Interventionen nicht weiter. Ich versuchte es mit einer Metapher und fragte ihn: “Wenn Sie Ihre Frau schon als das Huhn sehen, das die goldenen Eier legt, frage ich mich, welchen Wert Sie Ihren beimessen?”
Nicht folgen können
Bei Paaren, die viel streiten, sind beide Partner oft älteste Geschwister. Das hat seinen Preis. Beide sind von klein auf gewöhnt zu führen – aber nicht zu folgen. Ideal wäre eine Partnerschaft zwischen einem ältesten Bruder und einer jüngsten Schwester.
Da man an dem Schicksal nichts mehr drehen kann, bleibt, etwas Neues zu lernen: “Beziehung ist wie Tanzen. Einer führt, einer folgt. Beim Tanzen ist das der Mann. In einer Beziehung darf man die Rollen tauschen.”
Zwei Besserwisser
Über so ziemlich jedes Thema kann man unterschiedlicher Meinung sein. Ob Fleisch zur guten Ernährung gehört oder Mord ist an unschuldigen Lebewesen. Ob Impfen sinnvolle Vorsorge ist oder eine Erfindung der Pharmaindustrie. Ob zu viel Fernsehen schädlich ist, zu viel Bücherlesen aber nicht.
Für jede Position gibt es gute Argumente. Als Paar muss man oft zu einer gemeinsamen Haltung und entsprechenden Handlungen finden. Wenn beide meinen, es besser zu wissen als der andere, sind heftige und ergebnislose Streits die Folge. Es fehlt der Faktor Verträglichkeit.
Ich sage dann manchmal zu solchen Paaren: “Sie müssen sich entscheiden. Wollen Sie vor allem Recht behalten oder gut zusammenleben?”
Zu viel des Guten
Wenn die Bilanz von Geben und Nehmen über lange Zeit unausgeglichen ist, kommt es bisweilen zum Beziehungs-Konkurs. Das kann passieren, wenn ein Partner deutlich mehr verdient und der andere keinen Beitrag leistet, der ähnlich wichtig und anerkannt ist und als Ausgleich gilt. Aber ein Ungleichgewicht kann auch anders entstehen:
“Ich habe sein ganzes Medizinstudium finanziert mit meinem Gehalt und sogar seine Doktorarbeit”, beklagte sich die Frau “und jetzt wo er Arzt ist, gut verdient und wir ein schönes Leben haben könnten, verlässt er mich! Ich verstehe das nicht.”
Auch der Mann konnte es nicht erklären, hatte große Schuldgefühle, stand aber zu seiner Trennungsabsicht. Ich hatte eine Vermutung und sagte zu der Frau: “Sie haben all die Jahre so viel für Ihren Freund getan, dass er tief in Ihrer Schuld stand. Vielleicht so tief, dass er glaubte, das nie wieder gut machen zu können.” Der Mann weinte.
Kann man Streits über Geld vermeiden?
Die Beispiele zeigen, wie kompliziert und verwickelt Konflikte um Geld sein können. Hilfreich ist es, die Bedeutung, die man dem Geld gibt, für sich zu klären. Und zuzugestehen, dass andere Einstellungen und Strategien, mit Geld umzugehen, nicht falsch sein müssen, wenn sie den eigenen Werten und Zielen zuwider laufen.
Streits über die Verwendung des Haushaltseinkommens kann man auch ganz pragmatisch zu lösen versuchen. Finanzberater raten zum Drei-Konten-Modell.
Beide zahlen auf das erste Konto ein, was monatlich für Miete, Auto, Kinder, Freizeit und Urlaub fällig ist. Vom hoffentlich verbleibenden Rest finanzieren sie getrennt ihre Altersvorsorge. Was da noch übrig bleibt, kann jeder auf sein eigenes Konto einzahlen, das ganz zu seiner persönlichen Verfügung steht.
Geld ist also eine XXL-Projektionsfläche für eigene Wünsche und Ängste. Was wir glauben, im Leben zu brauchen und was wir fürchten zu verlieren. Kein Wunder, dass zwei Menschen, die ihr Leben miteinander teilen, darüber manchmal in Streit geraten.
Wie ist das bei Ihnen? wie streiten Sie über Geld?
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