Stellt Euch vor, Ihr lebt in einem Land, das jünger ist als Ihr selbst. Über acht Millionen Menschen im Südsudan geht es so. Ihre Heimat wurde erst im Jahr 2011 unabhängig und ist damit der jüngste Staat der Welt. Jung, aber bei Weitem nicht klein: Das Land erstreckt sich über 640.000 Quadratkilometer im Osten Afrikas und ist damit fast doppelt so groß wie die Bundesrepublik Deutschland.
James
James ist nicht gut zu erreichen. Das Internet funktioniert mal wieder nicht im Flüchtlingslager Ida im Unity State, „im Wald“, wie er selbst sagt. Der ausgebildete Mediziner leitet das Gesundheitsteam von CARE in dem Lager, wo 65.000 Menschen leben. Malaria, Durchfallerkrankungen, Hautkrankheiten – die Regenzeit und die schwierigen hygienischen Zustände bringen viele Krankheitsgefahren mit sich. Die Menschen im Ida-Lager sind geflohen vor erneuten Gewaltausbrüchen, Hunger und Unsicherheit über die Grenze aus dem Nordsudan in den Süden.
Die Heimat verloren, die Zukunft ungewiss.
Niemand versteht die Lage der Menschen besser als James: „Ich erinnere mich noch, wie ich gelaufen bin. Zwei Wochen haben wir uns im Busch versteckt. Die Männer aus dem Norden kamen mit großen Gewehren. 1985 war das, und vor meinen Augen erschossen sie einen älteren Mann. So viel Blut, sein Körper beinahe in zwei Teile zerfetzt. Diese Erinnerung werde ich nie wieder los.” James flüchtete ins Nachbarland Äthiopien und war dort völlig auf sich
alleine gestellt.
Aber es gab eine Schule: „In Äthiopien hatten wir keine Stifte und Hefte in der Schule. Also wischten wir den Boden blank und schrieben darauf. Wir mussten für uns selbst sorgen, haben Tukuls – traditionelle Spitzhütten – gebaut. Und als ich dann 1991 in den Sudan zurückkehrte, war dort auch fast nichts vorhanden. Wir haben unter den Bäumen gesessen, um zu lernen. Und hatten immer Angst vor Angriffen.“
Heute gebe es im Südsudan wenigstens Schulen, Schuluniformen und Lehrbücher, auch wenn James das Ausbildungsniveau der Lehrer kritisiert. Bildung, Bildung, Bildung – das Wort fällt im Gespräch mit dem Arzt immer wieder.
von Sabine Wilke
Lesen Sie hier: “Die Geschichte von James und Rose – Teil 1″
Aus: care_affair / care.de
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