Die Geburt ist eine sportliche Höchstleistung

? Marion Sulprizio, Sie sind wissenschaftliche Mitarbeiterin am Psychologischen Institut der Deutschen Sporthochschule Köln und leiten das Online-Coaching sowie den Arbeitskreis “Sport und Schwangerschaft”. Der Volksmund geht häufig noch davon aus, dass Schwangerschaft Schonzeit bedeutet und somit Sport ein Tabu ist. Wie sehen Sie das? 

! Moderater Sport ist für die Schwangerschaft und das Kind ausgesprochen gut und verringert diverse Schwangerschaftsrisiken. Körperliche Beschwerden, eine verminderte Gewichtszunahme und komplikationslosere Geburten sind Vorteile, die mit einer aktiven Schwangerschaft einhergehen. Außerdem ist aus psychologischer Sicht zu erwähnen, dass weniger Stimmungsschwankungen und eine höhere Selbstwirksamkeit sowie ein verbesserter Umgang mit dem veränderten Körper nachgewiesen werden können.

? Natürlich startet jede Schwangere mit einem anderen Fitnesslevel in die Schwangerschaft. Was sollten dennoch alle Schwangeren beachten, wenn sie Sport treiben wollen?

! Grundsätzlich sollten alle Sportarten im moderaten Bereich stattfinden und es sollte auf intensive und ausbelastende Einheiten verzichtet werden. Wir empfehlen gemäß den WHO-Richtlinien einen Trainingszeitraum von 30 bis 60 Minuten pro Tag, dies muss natürlich individuell angepasst werden. Außerdem sollten die Frauen Sportarten wählen, die ihnen Spaß machen, sonst reicht die Motivation nicht aus, um dauerhaft Sport zu treiben.

? Sind Sportmuffel gut daran beraten, sich in der Schwangerschaft zu bewegen und ihren inneren Schweinehund zu überwinden?

! Aufgrund der vielen Vorteile sollten auch sogenannte Sportmuffel nicht auf Sport in der Schwangerschaft verzichten. Am besten integrieren sie den Sport in ihren Alltag, denn eine bestimmte Regelmäßigkeit ist sehr wichtig. Viele Besorgungen könnten beispielsweise mit dem Fahrrad gemacht oder mit einem flotten Spaziergang kombiniert werden. Das Hauptargument für diese Zielgruppe ist allerdings, dass das Baby von einer aktiven Mutter profitiert und dass auch die Geburt eine „sportliche Höchstleistung“ ist, auf die eine sportliche Frau besser vorbereitet ist.

Es ist also in jedem Fall ratsam, sich genug zu bewegen und auch bei wachsendem Bauch Sport zu betreiben. Um den „inneren Schweinehund“ zu bekämpfen, empfehlen wir generell, sich in einer Gruppe zum Beispiel einem Schwangerschaftskurs anzumelden.

? Inwiefern wirkt sich Sport in der Schwangerschaft positiv auf den Geburtsverlauf aus?

! Moderater Sport in der Schwangerschaft wirkt sich positiv auf den Geburtsverlauf aus. Insbesondere Ausdauertraining ist empfehlenswert, denn es verbessert nicht zuletzt die Arbeit von Herz und Lunge, sondern auch der Organismus der Mutter und der des Kindes werden optimal mit Sauerstoff versorgt.

In unseren Studien konnten wir zudem nachweisen, dass sportlich aktive Frauen zwar genauso die Schmerzen der Geburt erleben, aber mit diesen besser umgehen können, weniger Schmerzmittel benötigten und auch weniger Eingriffe wie beispielsweise mit der Zange oder Saugglocke.

? Wie sieht es mit Frauen aus, die sehr sportlich in die Schwangerschaft gestartet sind und denen es sehr schwer fällt, ihr Sportpensum herunter zu schrauben? Worauf sollten sie vor allem achten?

! Wichtig ist, dass sie nur den Sport machen, der ihnen gut tut und jedes Unwohlsein in einer Bewegung ernst nehmen. Sie sollten ebenfalls darauf achten, nicht zu intensiv oder im anaeroben Bereich zu trainieren. Dazu sind die empfohlenen Herzfrequenzzonen einzuhalten. Außerdem sollte die Schwangerschaft als eine Zeit angesehen werden, in der es nicht um sportliche Höchstleistungen gehen sollte, sondern eher um das Erhalten einer grundlegenden Fitness.

? Gibt es bestimmte Sportarten, die für Schwangere besonders geeignet sind? 

! Fahrradfahren, Sport im Wasser wie zum Beispiel Aqua-Fitness oder Wassergymnastik und (Nordic)Walken zählen zu den empfehlenswerten Sportarten während der Schwangerschaft. Des Weiteren eignen sich auch sanfte Sportarten wie etwa (Schwangerschafts-)Gymnastik, Pilates und einige Formen von Yoga.

? Viele Frauen leiden in der Schwangerschaft unter Wassereinlagerungen. Können Schwangere diesen Wassereinlagerungen durch ein gezieltes Sportprogramm vorbeugen?

! Bei solchen Beschwerden wäre es am besten, spezielle Schwangerschaftskurse zu besuchen, um dort mit ausgebildeten Trainerinnen den passenden Sport zu betreiben. Vor allem Sportarten im Wasser wie zum Beispiel Aquafitness sind empfehlenswert, denn durch den hydrostatischen Druck des Wassers werden auch die Venen und Lymphbahnen angeregt und es gibt weniger Wassereinlagerungen.

? Was halten Sie von der Einstellung, dass jede Schwangere Sport treiben kann und darf, so lange es ihr damit gut geht und sie sehr achtsam mit sich und ihrem Körper umgeht?

! Das wichtigste ist, dass jede Frau in sich hinein fühlt und beobachtet, welcher Sport und welche Intensität ihr gut tun. Dies ist in den meisten Fällen dann auch genau die zu empfehlende „individuelle Menge an Sport“. Es gibt Sportarten wie Joggen, die sich in der Spätschwangerschaft eigentlich nicht mehr empfehlen. Da das Joggen Geweberisse im Bauch verursachen kann. Wer aber auf jeden Fall weiter joggen möchte, sollte sich einen Bauchgurt zulegen. Und die Anschaffung einer Pulsuhr ist auf jeden Fall obligatorisch.

? Kann man also sagen, dass jede Schwangere herausfinden muss, welches Pensum und welche Sportart ihr gut tun?

! Im Prinzip ist das richtig; man sollte sich aber schon an die aktuellen Empfehlungen zum Beispiel der ACOG halten, denn wissenschaftliche Erkenntnisse sollten schon die Basis für das eigene Sporttreiben darstellen. Zudem sollte der Gynäkologe grünes Licht geben. Jede Frau reagiert außerdem anders in der Schwangerschaft, hat unterschiedlich viel Kraft und einen unterschiedlichen Fitnessstand. Es kann demnach keinen pauschalen Trainingsplan für alle geben. Das Sportpensum sollte in jedem Fall individuell gestaltet werden.

Wir danken für das informative Gespräch!

Marion Sulprizio Spoho Köln Sport in der SchwangerschaftDiplom-Psychologin Marion Sulprizio ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Psychologischen Institut der Deutschen Sporthochschule Köln und leitet das Online-Coaching sowie den Arbeitskreis “Sport und Schwangerschaft”. Ein wichtiges Ziel des Arbeitskreises ist es, mehr „Wahrnehmung des Themas Sport und Schwangerschaft in der Öffentlichkeit“ zu erreichen und sowohl in Front- und Weiterbildung als auch in der Forschung voran zu bringen. Das Online-Coaching-Team des Arbeitskreises beantwortet individuelle Fragen rund um das Thema „Sport und Schwangerschaft“ unter [email protected] und außerdem kann ein Flyer zu den 10 wichtigsten Fragen kostenlos angefordert werden. Wissenschaftliche Informationen und aktuelle Tätigkeiten der Arbeitsgruppe finden sich auf dem Informations- und Serviceportal www.sportundschwangerschaft.de.


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