Von Stefan Sasse
Die Vorwahlen der republikanischen Präsidentschafts-Bewerber kommen auch in Deutschland mehr und mehr in die Nachrichten, von Rick Perrys legendären "oops" zu Hermann Cains Libyen-Aussetzer und Mitt Romneys "Hand drauf, 10.000 Dollar". Die Funktionsweise dieser Vorwahlen, ihre spezifischen Regeln und Zwänge, sind deutschen Zuschauern dagegen nur eingeschränkt bekannt. In diesem Beitrag soll deswegen kurz dargestellt werden, wie die Vorwahlen funktionieren und welche Bedeutung ihnen beikommt. - Die Vorwahlen werden seit den späten 1960er Jahren abgehalten, da die Ernennung Hubert Humphreys zum demokratischen Präsidentschaftskandidaten vielen Leuten so übel aufstieß, dass es in Chicago zu Krawallen kam. Die Demokratische Partei führte daraufhin flächendeckende Vorwahlen ein, und die Republikanische folgte auf dem Fuße. Diese Reform steht in der Tradition einer stärkeren Demomkratisierung amerikanischer Wahlprozesse. In dem Land wird vom Hundefänger bis zum Generalstaatsanswalt eine große Bandbreite öffentlicher Ämter gewählt, was für eine ganz andere Verantwortlichkeit gegenüber dem Volk führt - zumindest im theoretischen Anspruch. Auch die politischen Positionen wurden mehr und mehr der Volkswahl überlassen; die letzte große solche Reform war die Direktwahl der Abgeordneten des Senats 1913.
Die Vorwahlen ("primary elections") dienen dazu, den Präsidentschaftskandidaten der jeweiligen Partei auszuwählen. Sie werden, wie fast alles in den USA, in den Bundesstaaten selbst nach den jeweiligen dort verabschiedeten Regeln abgehalten. Wahlberechtigt sind je nach herrschender Gesetzeslage alle auch für die Präsidentschaftswahlen wahlberechtigten Bürger (selten) oder nur diejenigen Wähler, die sich entweder als Demokraten oder Republikaner haben registrieren lassen (häufig). Da die Demokraten und Republikaner keine Parteien im europäischen Sinne haben, ist diese Registrierung das, was einer Parteimitgliedschaft in den USA am nähesten kommt. Geld kostet dies nur selten, und eine weitere Verpflichtung für irgendetwas geht damit nicht einher. Registrierte Wähler können in diesen Staaten dann an den Vorwahlen teilnehmen. Diese sind entweder als vom Staat organisierte "primary elections" organisiert, bei denen ganz normal gewählt wird - mit Wahlschein und im Allgemeinen geheim - oder als so genannter "caucus", eine Einrichtung, die keine europäische Entsprechung kennt. Der caucus ist eine Art Überbleibsel oder romantische Reminiszenz an die Gründerzeit der USA: die Menschen treffen sich privat an einem halbwegs öffentlichen Ort, etwa einer von der jeweiligen Partei gemieteten Halle, und diskutieren öffentlich über die Kandidaten. Auch die Stimmabgabe ist öffentlich, und oftmals wechseln die Leute während des Prozesses mehrfach ihre Meinung, bis sich ein Sieger herauskristallisiert.
Wie bei den Präsidentschaftswahlen auch werden bei den Vorwahlen natürlich nur Elektoren (der geschlechtsneutrale Ausdruck für "Wahlmänner") gewählt, die dann (meistens) für den jeweiligen Kandidaten stimmen, wenn die Partei am Ende des Vorwahlprozesses zur "National Convention" ruft, was meist an irgendeinem heiß umämpften Ort im feindlichen Territorium passiert, um den kostenlosen Werbeeffekt abzugreifen. Deswegen finden demokratische National Conventions gerne einmal in Texas, Nevada oder Iowa statt, während die Republikaner nach New York oder California fahren. Auf diesen Parteitagen werden die Stimmen dann offiziell abgegeben. Häufig ist die Sache bereits vorher klar, weil ein Kandidat (wie John McCain 2008) bereits eine deutliche Mehrheit besitzt. In diesem (normalen) Fall ist die National Convention nur eine Akklamationsveranstaltung, in der die Einheit der Partei beschworen und der Kandidat als kommender Präsident gefeiert wird. Dies gilt besonders dann, wenn ein amtierender Präsident antritt, weil hier häufig keine ernsthafte Opposition in den Vorwahlen antrat. Besitzt jedoch bei der National Convention kein Kandidat die notwendige Anzahl der Stimmen (wie Hillary Clinton und Barack Obama 2008), schlägt die Stunde der superdelegates. Dabei handelt es sich um nicht gewählte, von der Partei selbst bestimmte Delegierte. Ihre Stimmen entscheiden nun die Wahl, ein sehr häufig als undemokratisch krisitierter Prozess (2008 stimmten sie überwiegend für Obama). Die National Convention kann aber auch Überraschungen beinhalten, da die Elektoren nach einigen erfolglosen Wahlgängen häufig befreit werden - dann kann praktisch alles passieren. Im Normalfall befreien nach ein oder zwei Wahlgängen die hoffnungslos platzierten Kandidaten ihre Delegierten und empfehlen ihnen einen Kandidaten zur Wahl. Irgendwann tritt in jedem Falle ein Sieger hervor und wird offiziell zum Kandidaten der jeweiligen Partei in den kommenden Präsidentschaftswahlen gekürt.
Im Gegensatz zu etwa dem deutschen System, in dem die Kanzlerkandidaten für gewöhnlich hinter den Kulissen ausgekungelt werden (wenngleich mit Hinblick auf Umfragen und Medienmeinung) ist das amerikanische Vorwahlsystem durch die direkte Volksbeteiligung natürlich demokratischer. Es garantiert auch, dass die Kandidaten medienkompatibel sind und vor laufender Kamera eine gute Figur machen, dass sie reden können und dass sie in der Lage sind, zumindest die eigenen Wähler zu überzeugen. Wie immer kommt aber kein System ohne Nachteile. Da für die Vorwahlen exzessiver Wahlkampf betrieben werden muss, sind bereits die Vorwahlen stark von privatem Vermögen und Spenden der Wirtschaft und der Unterstützer abhängig. Ärmere Kandidaten (solche "aus dem Volk") haben schlechte Aussichten. Das aktuelle republikanische Bewerberfeld sieht entsprechend auch viele Millionäre im Rennen, von Cain über Gingrich hin zu Romney. Auch Clinton und Obama waren von ihren persönlichen finanziellen Verhältnissen her kaum mit Angela Merkel oder Sigmar Gabriel zu vergleichen. Zudem bestimmt der mediale Zirkus bereits weitgehend die Vorwahlen mit.
Im Prozess der Vorwahlen werden die Kandidaten sehr genau durchleuchtet. Die Medien stürzen sich auf jede Schwachstelle, und die Gegner sind nur allzu glücklich, solche Schwachstellen auszugreben. Dieser Vorgang ("vetting") vermeidet im Allgemeinen unangenehme Überraschungen während des tatsächlichen Präsidentschaftswahlkampfs. Die Wähler kennen die jeweiligen Kandidaten deutlich besser als dies etwa in Deutschland der Fall ist. Dies muss nicht zwingend eine gute Sache sein, denn die Frage, ob der private Lebensstil in der politischen Arena etwas zu suchen hat wird diesseits und jenseits des Atlantiks sehr unterschiedlich beantwortet. Es ist allerdings Fakt, dass er in den USA eine sehr gewichtige Rolle spielt. Die Frage, mit welchem der Kandidaten man eher ein Bier trinken würde bestimmt die Wahlentscheidung vieler Amerikaner relativ stark (vergleichbar mit der generellen Parteipräferenz in Deutschland) und half etwa George W. Bush 2004 zu seinem überraschend deutlichen Wahlsieg gegen den als arrogant und abgehoben wahrgenommenen John Kerry.
Die Vorwahlen finden dabei nicht in allen Staaten gleichzeitig statt. Die ersten Wahlen sind traditionell in Iowa (der "Iowa Caucus"). Iowa besitzt zwar nur wenige Einwohner, und die Menge seiner Elektoren ist deswegen auch vernachlässigbar, aber in den amerikanischen Vorwahlen ist der Iowa Caucus generell eine Art Pulsmesser. Wer hier gewinnt, geht mit einem gewissen Momentum in die weiteren Wahlen, und wer hier deutlich verliert kann häufig gleich ganz einpacken (wie Giuliani 2008). Darauf folgen die New Hampshire Primaries (bei den Republikanern vorher noch der Wyoming Caucus), für die im Endeffekt dasselbe gilt: es gibt wenige Elektoren zu gewinnen, aber viel Momentum zu verlieren. Diesen Staaten kommt daher einer ihre Größe kaum entsprechende Bedeutung in den Vorwahlen zu, und die Kandidaten müssen auf die Bedürfnisse des jeweiligen Elektorats (etwa der mächtigen Agrarlobby in Iowa) dezidiert eingehen, wenn sie eine Chance haben wollen. Die Bevölkerung in beiden Staaten ist auch entsprechend stolz auf ihre Rolle. Da die anderen Bundesstaaten gerne auch etwas vom Kuchen abhaben wollen, haben sie ihre Termine im Lauf der Jahre immer weiter nach vorne verlegt. Dies führte dazu, dass am so genannten "Super Tuesday" (dem 5. Februar) in 21 (Republikaner) bzw. 22 (Demokraten) Staaten gleichzeitig Vorwahlen stattfinden. Häufig entscheidet sich das Rennen um die Präsidentschaftskandidatur am Super Tuesday, und die folgenden Vorwahlen sind nur noch Makulatur. Der Ruf danach, dieses System zu reformieren, wird deswegen in den USA immer stärker.
Das republikanische Bewerberfeld hat in diesem Prozess bisher den Prozess des "vetting" durchgemacht. Die republikanischen Kandidaten sind dem Publikum weitgehend bekannt, ihre Stärken und Schwächen sind auf offener Bühne diskutiert worden. Sie bereiten sich nun auf den Iowa Caucus vor, von wo sie sich einen Schub erhoffen. Eine halbwegs gute Platzierung in Iowa bringt noch einmal Spendengelder und damit die Chance, weiterzumachen, wenn diese bisher versiegen - das gilt besonders für Rick Perry. Mitt Romney dagegen könnte eine Niederlage in Iowa gut verkraften und sich auf New Hampshire fixieren, wo er gegenüber den Tea-Party-Kandidaten deutliche Heimvorteile hätte. Der Iowa Caucus bietet aber auch bisherigen Underdogs wie Ron Paul, Michelle Bachmann oder Jon Huntsman die Chance, durch einen Achtungserfolg plötzlich doch noch in die Riege der ernsthaften Wettbewerber zu gelangen. So oder so ist das Rennen noch lange nicht zu Ende, und es wartet wohl noch die eine oder andere Überraschung am Wegesrand.
Links: Extra 3 - Satirische Erklärung des US-WahlsystemsWest Wing - Rede von Präsidentschaftsbewerber Matt Santos auf der National Convention
Die Vorwahlen der republikanischen Präsidentschafts-Bewerber kommen auch in Deutschland mehr und mehr in die Nachrichten, von Rick Perrys legendären "oops" zu Hermann Cains Libyen-Aussetzer und Mitt Romneys "Hand drauf, 10.000 Dollar". Die Funktionsweise dieser Vorwahlen, ihre spezifischen Regeln und Zwänge, sind deutschen Zuschauern dagegen nur eingeschränkt bekannt. In diesem Beitrag soll deswegen kurz dargestellt werden, wie die Vorwahlen funktionieren und welche Bedeutung ihnen beikommt. - Die Vorwahlen werden seit den späten 1960er Jahren abgehalten, da die Ernennung Hubert Humphreys zum demokratischen Präsidentschaftskandidaten vielen Leuten so übel aufstieß, dass es in Chicago zu Krawallen kam. Die Demokratische Partei führte daraufhin flächendeckende Vorwahlen ein, und die Republikanische folgte auf dem Fuße. Diese Reform steht in der Tradition einer stärkeren Demomkratisierung amerikanischer Wahlprozesse. In dem Land wird vom Hundefänger bis zum Generalstaatsanswalt eine große Bandbreite öffentlicher Ämter gewählt, was für eine ganz andere Verantwortlichkeit gegenüber dem Volk führt - zumindest im theoretischen Anspruch. Auch die politischen Positionen wurden mehr und mehr der Volkswahl überlassen; die letzte große solche Reform war die Direktwahl der Abgeordneten des Senats 1913.
Die Vorwahlen ("primary elections") dienen dazu, den Präsidentschaftskandidaten der jeweiligen Partei auszuwählen. Sie werden, wie fast alles in den USA, in den Bundesstaaten selbst nach den jeweiligen dort verabschiedeten Regeln abgehalten. Wahlberechtigt sind je nach herrschender Gesetzeslage alle auch für die Präsidentschaftswahlen wahlberechtigten Bürger (selten) oder nur diejenigen Wähler, die sich entweder als Demokraten oder Republikaner haben registrieren lassen (häufig). Da die Demokraten und Republikaner keine Parteien im europäischen Sinne haben, ist diese Registrierung das, was einer Parteimitgliedschaft in den USA am nähesten kommt. Geld kostet dies nur selten, und eine weitere Verpflichtung für irgendetwas geht damit nicht einher. Registrierte Wähler können in diesen Staaten dann an den Vorwahlen teilnehmen. Diese sind entweder als vom Staat organisierte "primary elections" organisiert, bei denen ganz normal gewählt wird - mit Wahlschein und im Allgemeinen geheim - oder als so genannter "caucus", eine Einrichtung, die keine europäische Entsprechung kennt. Der caucus ist eine Art Überbleibsel oder romantische Reminiszenz an die Gründerzeit der USA: die Menschen treffen sich privat an einem halbwegs öffentlichen Ort, etwa einer von der jeweiligen Partei gemieteten Halle, und diskutieren öffentlich über die Kandidaten. Auch die Stimmabgabe ist öffentlich, und oftmals wechseln die Leute während des Prozesses mehrfach ihre Meinung, bis sich ein Sieger herauskristallisiert.
Wie bei den Präsidentschaftswahlen auch werden bei den Vorwahlen natürlich nur Elektoren (der geschlechtsneutrale Ausdruck für "Wahlmänner") gewählt, die dann (meistens) für den jeweiligen Kandidaten stimmen, wenn die Partei am Ende des Vorwahlprozesses zur "National Convention" ruft, was meist an irgendeinem heiß umämpften Ort im feindlichen Territorium passiert, um den kostenlosen Werbeeffekt abzugreifen. Deswegen finden demokratische National Conventions gerne einmal in Texas, Nevada oder Iowa statt, während die Republikaner nach New York oder California fahren. Auf diesen Parteitagen werden die Stimmen dann offiziell abgegeben. Häufig ist die Sache bereits vorher klar, weil ein Kandidat (wie John McCain 2008) bereits eine deutliche Mehrheit besitzt. In diesem (normalen) Fall ist die National Convention nur eine Akklamationsveranstaltung, in der die Einheit der Partei beschworen und der Kandidat als kommender Präsident gefeiert wird. Dies gilt besonders dann, wenn ein amtierender Präsident antritt, weil hier häufig keine ernsthafte Opposition in den Vorwahlen antrat. Besitzt jedoch bei der National Convention kein Kandidat die notwendige Anzahl der Stimmen (wie Hillary Clinton und Barack Obama 2008), schlägt die Stunde der superdelegates. Dabei handelt es sich um nicht gewählte, von der Partei selbst bestimmte Delegierte. Ihre Stimmen entscheiden nun die Wahl, ein sehr häufig als undemokratisch krisitierter Prozess (2008 stimmten sie überwiegend für Obama). Die National Convention kann aber auch Überraschungen beinhalten, da die Elektoren nach einigen erfolglosen Wahlgängen häufig befreit werden - dann kann praktisch alles passieren. Im Normalfall befreien nach ein oder zwei Wahlgängen die hoffnungslos platzierten Kandidaten ihre Delegierten und empfehlen ihnen einen Kandidaten zur Wahl. Irgendwann tritt in jedem Falle ein Sieger hervor und wird offiziell zum Kandidaten der jeweiligen Partei in den kommenden Präsidentschaftswahlen gekürt.
Im Gegensatz zu etwa dem deutschen System, in dem die Kanzlerkandidaten für gewöhnlich hinter den Kulissen ausgekungelt werden (wenngleich mit Hinblick auf Umfragen und Medienmeinung) ist das amerikanische Vorwahlsystem durch die direkte Volksbeteiligung natürlich demokratischer. Es garantiert auch, dass die Kandidaten medienkompatibel sind und vor laufender Kamera eine gute Figur machen, dass sie reden können und dass sie in der Lage sind, zumindest die eigenen Wähler zu überzeugen. Wie immer kommt aber kein System ohne Nachteile. Da für die Vorwahlen exzessiver Wahlkampf betrieben werden muss, sind bereits die Vorwahlen stark von privatem Vermögen und Spenden der Wirtschaft und der Unterstützer abhängig. Ärmere Kandidaten (solche "aus dem Volk") haben schlechte Aussichten. Das aktuelle republikanische Bewerberfeld sieht entsprechend auch viele Millionäre im Rennen, von Cain über Gingrich hin zu Romney. Auch Clinton und Obama waren von ihren persönlichen finanziellen Verhältnissen her kaum mit Angela Merkel oder Sigmar Gabriel zu vergleichen. Zudem bestimmt der mediale Zirkus bereits weitgehend die Vorwahlen mit.
Im Prozess der Vorwahlen werden die Kandidaten sehr genau durchleuchtet. Die Medien stürzen sich auf jede Schwachstelle, und die Gegner sind nur allzu glücklich, solche Schwachstellen auszugreben. Dieser Vorgang ("vetting") vermeidet im Allgemeinen unangenehme Überraschungen während des tatsächlichen Präsidentschaftswahlkampfs. Die Wähler kennen die jeweiligen Kandidaten deutlich besser als dies etwa in Deutschland der Fall ist. Dies muss nicht zwingend eine gute Sache sein, denn die Frage, ob der private Lebensstil in der politischen Arena etwas zu suchen hat wird diesseits und jenseits des Atlantiks sehr unterschiedlich beantwortet. Es ist allerdings Fakt, dass er in den USA eine sehr gewichtige Rolle spielt. Die Frage, mit welchem der Kandidaten man eher ein Bier trinken würde bestimmt die Wahlentscheidung vieler Amerikaner relativ stark (vergleichbar mit der generellen Parteipräferenz in Deutschland) und half etwa George W. Bush 2004 zu seinem überraschend deutlichen Wahlsieg gegen den als arrogant und abgehoben wahrgenommenen John Kerry.
Die Vorwahlen finden dabei nicht in allen Staaten gleichzeitig statt. Die ersten Wahlen sind traditionell in Iowa (der "Iowa Caucus"). Iowa besitzt zwar nur wenige Einwohner, und die Menge seiner Elektoren ist deswegen auch vernachlässigbar, aber in den amerikanischen Vorwahlen ist der Iowa Caucus generell eine Art Pulsmesser. Wer hier gewinnt, geht mit einem gewissen Momentum in die weiteren Wahlen, und wer hier deutlich verliert kann häufig gleich ganz einpacken (wie Giuliani 2008). Darauf folgen die New Hampshire Primaries (bei den Republikanern vorher noch der Wyoming Caucus), für die im Endeffekt dasselbe gilt: es gibt wenige Elektoren zu gewinnen, aber viel Momentum zu verlieren. Diesen Staaten kommt daher einer ihre Größe kaum entsprechende Bedeutung in den Vorwahlen zu, und die Kandidaten müssen auf die Bedürfnisse des jeweiligen Elektorats (etwa der mächtigen Agrarlobby in Iowa) dezidiert eingehen, wenn sie eine Chance haben wollen. Die Bevölkerung in beiden Staaten ist auch entsprechend stolz auf ihre Rolle. Da die anderen Bundesstaaten gerne auch etwas vom Kuchen abhaben wollen, haben sie ihre Termine im Lauf der Jahre immer weiter nach vorne verlegt. Dies führte dazu, dass am so genannten "Super Tuesday" (dem 5. Februar) in 21 (Republikaner) bzw. 22 (Demokraten) Staaten gleichzeitig Vorwahlen stattfinden. Häufig entscheidet sich das Rennen um die Präsidentschaftskandidatur am Super Tuesday, und die folgenden Vorwahlen sind nur noch Makulatur. Der Ruf danach, dieses System zu reformieren, wird deswegen in den USA immer stärker.
Das republikanische Bewerberfeld hat in diesem Prozess bisher den Prozess des "vetting" durchgemacht. Die republikanischen Kandidaten sind dem Publikum weitgehend bekannt, ihre Stärken und Schwächen sind auf offener Bühne diskutiert worden. Sie bereiten sich nun auf den Iowa Caucus vor, von wo sie sich einen Schub erhoffen. Eine halbwegs gute Platzierung in Iowa bringt noch einmal Spendengelder und damit die Chance, weiterzumachen, wenn diese bisher versiegen - das gilt besonders für Rick Perry. Mitt Romney dagegen könnte eine Niederlage in Iowa gut verkraften und sich auf New Hampshire fixieren, wo er gegenüber den Tea-Party-Kandidaten deutliche Heimvorteile hätte. Der Iowa Caucus bietet aber auch bisherigen Underdogs wie Ron Paul, Michelle Bachmann oder Jon Huntsman die Chance, durch einen Achtungserfolg plötzlich doch noch in die Riege der ernsthaften Wettbewerber zu gelangen. So oder so ist das Rennen noch lange nicht zu Ende, und es wartet wohl noch die eine oder andere Überraschung am Wegesrand.
Links: Extra 3 - Satirische Erklärung des US-WahlsystemsWest Wing - Rede von Präsidentschaftsbewerber Matt Santos auf der National Convention