„Näher getreten, meine Damen und Herren, näher getreten, steigen sie ein!“
Und da es nichts kostet lässt Du Dich nicht zweimal bitten. Es sind diese bunten und bequemen Wägelchen der Jahrmarktsbahnen, wie bei der Achter- oder Geisterbahn. Alle Wagen sind offen, und in einem Gefährt haben sechs Personen Platz.
Du setzt dich in die vordere Reihe und da der Andrang nicht groß ist, bleiben die anderen fünf Plätze leer und Du wirst alleine auf die Fahrt geschickt.
Die Bahn wird Dir das Ideen-Land zeigen, ähnlich wie es im Disneyland Bahnen gibt, die quer durch die ganze Anlage führen oder solche die dort eine künstliche Urwaldlandschaft durchqueren. Aber im Disneyland ist selbst das Nilpferd aus Plastik.
Hier im Ideen-Land ist es eigentlich umgekehrt. Nichts ist aus Plastik. Nein, es sind alles ganz waschechte Ideen. Man kann sie gemütlich von seinem Wägelchen aus ansehen und sich Gedanken dazu machen: Wie würde sich diese oder jene Idee in der wirklichen Welt machen? Oft wird dann später aus so einer waschechten Idee ein Plastik-Objekt in der realen Welt. Dann ist sie nur noch Plastik.
Wenn man die Dinge von seinem Bähnchen aus ansieht, so staunt man über die unglaubliche Vielfalt. All die Ideen von neuen Musikstücken, Liedern, Gedichten, Gemälden oder Gebilden sind noch nicht fix erstarrt, sondern sie schillern in ihren unzähligen Möglichkeiten, sie sind aber eben nur schwer greifbar. All die Regisseure, Künstler, Dichter und sonstigen neugierigen Menschen genießen den Anblick und sind natürlich zugleich erpicht, die eine oder andere Idee einzufangen und mitzunehmen.
Manch einer hat daher auch irgendein Gerät dabei, ein Schmetterlingsnetz oder eine Fischreuse, eine Bärenfalle oder ein klebriges Fliegenband. Aber das nützt nichts. Ideen lassen sich auf diese Art nicht einfangen. Neue Tänze, Bilder oder Skulpturen wollen ja von sich aus Wirklichkeit werden. Aber sie wollen nicht gefangen sein. Das ist etwas knifflig.
Man muss ihnen schmeicheln, sie umgarnen, ihnen Komplimente machen, bisschen Flirten – und sie einladen, in das Wägelchen zu sitzen und mitzufahren. Jetzt kommt es Dir zugute, dass Du alleine auf die Fahrt geschickt wurdest! Es sind noch fünf Plätze frei, und wenn Du gut bist im Ideen aufreißen, dann kannst Du fünf mitnehmen. Also lade sie ein, locke sie, versprich ihnen viel Spaß bei und mit Dir – dann hüpfen sie hinter Dir in das Bähnchen, bis alle Plätze besetzt sind.
Und vielleicht werden sich die fünf neuen Freunde in der wirklichen Welt auch noch gegenseitig etwas hochschaukeln, so dass sie noch wundervoller werden.
Auch dazu kann man sie anspornen.
Bild: Gottes Entwürfe / 40cm x 30cm / Tusche auf Acrylgrundierung auf Aquarell-Papier / 2006, Nr.06-048