Ich könnte mich gleichzeitig übergeben und applaudieren. Es ist nichts Neues, dass uns die Medien vorleben wollen, wie wir zu leben haben. Wir haben mittlerweile das Jahr 2015 und es gibt nach wie vor ein krankes Schönheitsbild, wie die Frau von heute auszusehen hat. Gesund ist jedenfalls etwas anderes. Die Diskussion ist zum Glück erneut entfacht, als jüngst Werbeplakate in Großbritannien Passanten aufmerksam machten, auf denen eine extremst dünne Frau zu sehen ist, die für Abnehm-Mittel wirbt. Vor einigen Jahren wollte man noch zum Sport machen animieren, heutezutage schüttet sich Frau von Welt also mit Protein-Shakes zu, um der Dame XY aus den Klatschblättern ähnlich zu sehen. Klar, solche "Getränke" sind nicht erst seit gestern käuflich zu erwerben, aber mal wieder überschreitet man (mit ihnen) die Grenze des guten Geschmacks. Das Paradoxe: jene Promis, die in Frauenlektüren auftauchen, sehen in echt auch meist anders aus und stehen aufgrund der Schönmacherei anscheinend so unter Druck, dass sie wiederum erst dann Fotos mit eigenem Antlitz veröffentlichen, wenn sie ihre Körper zuvor mit speziellen Apps verdünnisiert haben ("virtuelle Schlankmacher"). Klar, Bildbearbeitungsprogramme sind eine schöne Sache - auf Fotos möchte Frau schließlich möglichst hübsch aussehen - das ist bei mir nicht anders -, aber sich dünner machen, als man in Wahrheit ist? Das käme für mich niemals in Frage. Vielleicht ist meine Würde einfach nur größer als die der anderen, ich weiß es nicht. Das, nun ja, ich nenne es mal "nette Desaster" am Ganzen: betrachtet man diese selbst erstellten Fotos nur eine halbe Sekunde länger, bemerkt man, dass diverse Linien im Hintergrund seltsam verzogen ist und ein Indiz dafür sind, dass ein wenig am Foto umhergespielt worden ist. Und nein, nur die üblichen Filter können dafür nicht verantwortlich sein. Ob das nun lustig oder schon wieder traurig ist, dass Menschen, die in der Öffentlichkeit stehen, so etwas nötig haben, bleibt jedem überlassen.
Positiv stimmen mich allerdings die Reaktionen von vielen Frauen auf den Protein-Shake, dessen Slogan übrigens "Are You Beach Body Ready?" ist. Denn sie genieren sich nicht, im World Wide Web dagegen vorzugehen und mit Stolz zu betonen, dass IHR Body Bikiki-fit ist, der alles andere als knochig und mit frivolen Kurven verschönert ist. Ja, ich habe ganz bewusst das Wort "frivol" benutzt, da es ja schon fast obszön ist, die eigenen Kurven zu lieben und voll und ganz zu ihnen zu stehen. Irgendwie ist bei mir sogar ein Sinneswandel passiert: ehrlich gesagt ist es überhaupt gar nicht mehr meine Ambition, überdünn zu sein, weil das gar nicht zu mir passen würde. Kleider, präsentiert in einem knochigen Körper, wirken einfach weniger beeindruckend. Das sehen die Franzosen anscheinend nun ebenfalls so. Per Gesetz wurde kürzlich vereinbart, dass extremst untergewichtige Models vom Laufsteg verbannt werden. Dabei darf man einen fest gelegten Body-Mass-Index nicht unterschreiten. Wie viel dieser mindestens betragen darf, ist mir leider nicht bekannt. Dennoch werte ich diese Vorschrift schon einmal als Lichtblick! Nichtdestotrotz - das, was bleibt, wird noch lange die Polarisierung sein. Anderorts ist dieses Gesetz nämlich leider noch nicht in Kraft getreten und so wird es künftig weiterhin klapperdürre Models geben. Oder eben das Gegenteil. Natürlich ist es fein, dass es immer mehr und mehr Plus-Size-Models gibt, die gezielt ihre Körper einsetzen und zeigen, dass sie ebenso schön sind - was ich übrigens sehr befürworte. Dennoch: ausgemergelt und übergewichtig - normalgewichtig zu sein scheint nicht mehr zur Debatte zu stehen. Es ist doch sowieso mies, Menschen nur in zwei Schubladen zu packen, weil...ja...warum tut man dies überhaupt? Weil es offenbar am einfachsten ist. Da frag' ich mich dann aber, wo die Individualität eines jeden Menschen bleibt. Denn wahre Gesichter bleiben dabei meist leider auf der Strecke.
Auf eine Welt mit mehr Charakter,
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