Die Flaschenpost

Die Flaschenpost

Eine Kurzgeschichte

Lukas spielte schon als kleiner Junge immer gerne am Fluss, vor Allem weil das Haus im Ort, in dem er aufwuchs nicht allzu weit vom Ufer entfernt lag. Manchmal hatten seine Eltern sogar das Wasser von der Salzach im Keller, wenn es zu viel geregnet hatte.

Sein Großvater und er waren oft gemeinsam mit dem Hund dort, sogar zusammen mit den ganzen Kumpels aus der Schule, um einen Staudamm zu bauen, was natürlich nur an den zahlreichen kleinen Ablegern abseits der Sandbänke möglich war.

Eines Tages kam der liebe Opa auf die Idee, eine Flaschenpost abzusenden. Die Salzach mündet schließlich irgendwann in die Donau und diese ins Schwarze Meer, wer weiß, wer diese Nachricht eventuell erhalten würde. Lukas war begeistert und kaufte im Papierladen extravagantes Pergament in verschiedenen Farben und eine bunte Schleife, um es wie eine historische Schriftrolle aussehen zu lassen.

Lukas zeichnete ein kleines Rätsel mit seinem Tintenfüller auf das Papier. Ein Zahlenspiel mit seiner Handynummer. Falls wirklich jemand in der Lage war, dieses zu lösen nach dem Fund der Flasche, könne er ihm Bescheid sagen und sogar anrufen. So etwas geht halt heutzutage. Lukas und sein  Opa hatten nun die perfekte Mischung aus etwas Altem wie eine Flaschenpost und der neuen Medienwelt geschaffen, denn die Freunde des Jungen fügten auch noch Codes für Onlinespiele hinzu.

Die komplett durchsichtige alte Weinflasche mit Riesling war bereit, eine kleine Reise im Fluss anzutreten. Lukas` Großvater hatte nur noch eine einzige Bedingung an die Jungen, bevor man es wirklich den Fluten überließ:

„Ich möchte, dass jeder von euch Buben einen Satz zu eurem Leben schreibt, das erklärt, wie ihr hier aufwachst und aus welcher Kultur ihr stammt. Womöglich öffnet diese Flaschenpost jemand in China, der gar nicht weiß, wie das Leben bei uns ist. Glaub´ mir Lukas, es könnte unterschiedlicher nicht sein als hierzulande.“

Die junge Bande willigte natürlich ein. Alle Kerle trugen ihre Windjacke, als sie zum Salzachsteg wanderten, eine bunter als die andere. Blau, Rot, Grün, Gelb. Zusammen sahen sie aus wie die Flagge des Christopher Street Days, der für ungezwungene Freiheit steht. Kommt diese Flasche auch in einem Land an, in dem das normal ist wie bei uns allen hier?

Es ging ein starker Wind, er säuselte meinen Freunden regelrecht um die Ohren. Doch der Regen hatte aufgehört und die Buben warfen die Flaschenpost gefüllt mit ihren Gedanken und Wünschen in den Fluss. Der Großvater war sichtlich stolz und sagte, dass so eine Nachricht mit Sicherheit irgendwo ankommen würde. Eventuell würde ja sogar ein kleines Netzwerk entstehen?

Die Gischt spülte die Flaschenpost in den Strudel der Salzach und jeder hoffte auf einen Finderling, der sich dann meldet. Am Himmel über dem Berchtesgadener Land zogen dunkle Wolken und starker Donner auf, über Inzell nahm man schon Blitze wahr. Zeit für einen heißen Kakao in den eigenen vier Wänden, wenn man die Möglichkeit dazu hat.

Die Flasche unserer Zeitgenossen trieb unaufhaltsam in Richtung Süden. Die Clique von Lukas hatte richtig viel Respekt vor Lukas`   altem Oheim, nicht nur wegen dieser Idee.

Ich weiß nicht, ob sich das Fläschchen auf seiner Reise jemals im Gestrüpp verfangen hatte, aber es gab anscheinend jemanden, der es erhalten hatte. Lukas bekam nämlich eine Nachricht auf sein Smartphone:

„Ich möchte heraus aus dieser Hölle und bitte Euch um Hilfe! Ich lebe in einem Flüchtlingslager in Ungarn und habe eure Welt nicht nur auf Grund eurer Codes gesehen. Hier lebt es sicher besser als im Krieg, aber wir werden dennoch sehr schlecht behandelt. “

Die Flaschenpost hatte ein Gebiet erreicht, das als Auffanglager für die tausenden Opfer der Gewalt in Afghanistan und Syrien diente, direkt an der Donau auf ungarischem Boden.

Wie sich Lukas herausstellte, hatte ein Kommando aus Soldaten die Flasche gefunden und den Kindern in den Lagern gegeben, um ihnen eine kleine Freude zu bereiten. Lukas und seinem Opa war das ziemlich egal, denn die beiden fanden es sogar gut, dass ihre Flaschenpost Menschen erreicht hatte, die es nicht so gut haben wie wir und auf einer dünnen Schneide leben müssen, ob ihr Leben in Zukunft eine Perspektive in Freiheit bekommt oder nicht.

Einer der geflüchteten Buben in Ungarn besaß anscheinend ein Smartphone, denn zu Lukas´ Überraschung kamen per Messenger Bilder und englische Texte auf sein Handy, die eindeutig aus dem Flüchtlingscamp stammten. Der clevere Kerl hatte die geheime Rechenaufgabe im Nu gelöst, um die Handynummer meines Freundes herauszubekommen.

Die beiden entdeckten während des Chattens schnell, dass sie nicht nur den gleichen Musikgeschmack haben, sondern auch ähnliche Hobbies und Interessen. Lukas liebte BMX fahren in den Bergen. Nun, in Afghanistan gibt es auch Anhöhen und als noch Frieden herrschte, fuhr Shamsullah, so nannte er sich wohl auch gerne mit dem Fahrrad über Stock und Stein. Für die Mädchen interessierten sich beide übrigens auch schon.

Shamsullah meldete sich nun jeden Tag und war recht guter Dinge, da er angeblich mit seinen Eltern von Ungarn ins benachbarte Österreich weitergeleitet werden sollte. Lukas freute sich regelrecht, als er das las. Der junge Afghane hielt es allerdings nicht geheim vor seinem neuen Kumpel, dass er in seiner Heimat hautnah mit ansehen musste, wie seine beiden älteren Geschwister von einer Autobombe in Kabul zerfetzt wurden.

Man stammte aus völlig unterschiedlichen Welten, dennoch hat man so viel gemeinsam mit seinen Wüschen und Träumen. Freiheit genießen, Blödsinn reden und einen Schulabschluss zu schaffen, um seine Eltern zu besänftigen.

Der Mensch kennt eben von seiner Natur aus keine Grenzen, sie wurden einigen nur anerzogen und eingetrichtert, um möglichst wenig für seine Nachbarn tun zu müssen. Die Gemeinsamkeiten der beiden jedoch nahmen eine Schwelle, die künstlich erschaffen wurde in Kürze ein. Eines Tages würden sich Shamsullah und Lukas in echt begegnen. Lukas wird die Möglichkeit bekommen, seinem Freund aus den fernen Krisengebieten seine Heimat zu zeigen. Shamsullah wird schnell merken, dass die Volkstänze und Trachten seines Landes dem bayerischen Brauchtum ähnlicher sind als man vermutet.

Sie werden zusammen vielleicht Mist bauen und über die Stränge schlagen. Sowas machen junge Menschen eben gerne ab einem gewissen Alter. Überall. Der Flüchtling wird seine Wunden heilen sehen, lediglich die Narben im Geiste werden bleiben. Vergessen darf man die Hölle des Krieges auch nicht. Lukas´ Großvater hatte diese im zweiten Weltkrieg erlebt und war richtig froh, dass die Flaschenpost definitiv beim Richtigen angekommen war. Der Fluss, in den sie schwamm, hat sich über Grenzen keine Gedanken gemacht und schwappte einfach hinüber.

Genauso wie Lukas und der Junge aus Afghanistan, der sein Ziel erreichen wird: Freundschaft, Toleranz und Frieden. Beide Kerle waren jetzt vierzehn Jahre alt. Warum sollten dem einen Tür und Tor offenstehen und dem anderen alles verwehrt werden? So etwas möchten nur gierige Staatschefs, die vom Leid anderer profitieren wie sonst keiner.



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