Die Erhöhung des Rentenalters

Seit Monaten diskutiert man über die Erhöhung des Rentenalters auf 67, 69 oder 70 Jahre. Haben sich die diskutierenden Sesselpupser Gedanken gemacht, was das für manche Berufsgruppen bedeutet? Die akademischen Berufe lassen wir außen vor, weil das meist eine sitzende und körperlich weniger anstrengende Tätigkeit ist.
Alten- und Krankenpfleger bekommen nach Jahren Rückenprobleme, weil sie die Pflegepersonen und Kranken zum Waschen anheben oder aus dem Bett hieven müssen, um das Bett überziehen zu können.

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Photo: hmboo

Die Handwerksberufe sind alle mit körperlicher Anstrengung verbunden. Ich kenne einen 48jährigen Schreinermeister, der mit 14 Jahren seine Lehre begann. Nach 34 Jahren im Beruf braucht er eine neue Hüfte. Der Schreiner- oder Tischlerberuf ist mit viel schleppen verbunden. Türzargen und -blätter, Holz und Holzplatten als Untergrund für Bodenbeläge müssen getragen werden. Nicht jedes Wohnhaus, in dem sie arbeiten, hat einen Aufzug. Ihr Arbeitsmaterial müssen sie die ein oder andere Etage nach oben schleppen. Das sind ordentliche Gewichte.
Bei uns im Haus werden seit Wochen zwei Wohnungen rundum erneuert. Komplettsarnierung. Die Wohnungen werden in einen Rohbau versetzt. Die schlimmste Drecks- und Knochenarbeit haben die Arbeiter der Abrissfirmen. Heizkörper und Sanitäranlagen werden entfernt, Kacheln abgeschlagen, der Putz wird bis aufs Gemäuer entfernt, die alten Decken werden bis auf den tragenenden Untergrund entfernt. Teilweise sind die Zwischenwände eingerissen worden, weil sie alt und bröckelig sind. Die Männer arbeiten bei den winterlichen Temperaturen in eiskalten Wohnungen. Sie tragen Pudelmützen, dicke Handschuhe, Pullover und Stiefel. Neben der Kälte und der körperlichen Anstrengung sind sie dem Lärm, dem Staub und Dreck ausgesetzt.
Bei den Abrissarbeiten hatten sie die Fenster geöffnet, sonst bekommen sie ja kaum Luft. Das hat so gestaubt und gequalmt, dass die Nachbarn die Feuerwehr gerufen haben, weil sie gedacht haben es brennt. Den ganzen Schutt haben sie aus den verschiedenen Räumen mit Schaufeln in Schubkarren geladen und zur Straßenseite durch eine Röhre in einen Container geladen. Bei einer Wohnung waren Röhre und Container erst Tage später gekommen. Die Männer haben die abgeschlagenen Steine in Eimern nach unten tragen müssen.
Maurer, Fliesenleger, Bodenleger, Heizungmonteure, Maler, Schreiner, Gas- und Wasserinstallateure sitzen nicht auf dem bequemen Stuhl und schaukeln sich ..., na Sie wissen schon, sie arbeiten stehend, bückend, kniend, schleppend. Was sie einatmen müssen, kann teilweise nicht gesund sein. Unterhalten Sie sich mit ihnen über die Erhöhung des Rentenalters. Nach etlichen Jahren in diesen Berufen bekommen sie Rücken-, Hüft-, Knie- oder Gelenkprobleme.
Es gibt den ein oder anderen gnädigen Politikermenschen, der das einsieht. Man könnte sie ja noch im Verkauf einsetzen. Verkäufer arbeiten hauptsächlich stehend. Man könnte sie für eine Computertätigkeit einsetzen. Man kann ihnen aber einfach ihren verdienten Ruhestand gönnen. Da unsere Politiker zumindest verbal angeblich so um das Wohl der Kinder bedacht sind: Oma und Opa sind für Kinder wichtige Bezugspersonen. Von halb zu Tode geschufteten Großeltern haben sie nichts.
Von der Lehre bis zum derzeitigen Rentenalter haben sie ca. 45 Jahre oder mehr eingezahlt und Knochenarbeit geleistet. Als ich meine letzte Steuerklärung beim Finanzamt abgegeben habe, musste ich mir das Grinsen sehr verkneifen. Meine Finanztante, ich schätze sie auf Mitte 30, stöhnte wegen ihres Rückens. Sie bräuchte dringend mal wieder ein paar Massagen. Eine ständig sitzende Tätigkeit kann den Rücken auch sehr belasten. Im Büro oder in einer Behörde kann man zwischendurch ein paar Entspannungsübungen machen oder sich die Beine vertreten.
Mit den Handwerkern habe ich mich über die Erhöhung des Rentenalters unterhalten. Einer sagte: "Ich hätte Lust die über einen Bau zu scheuchen". Das war noch eine der milden Antworten.
Wie sollen die Rentenkassen voll werden, wenn unsere Politiker 1-Eurojobs, Geringverdienertätigkeiten, "gemeinnützige" Arbeit und schlecht bezahlte Zeit- und Leiharbeit fördern bzw. die Problematik aussitzen? Der Niedriglohnsektor boomt seit Jahrzehnten. Deshalb hat man die Gastarbeiter geholt. Wenn wir in den Sechziger Jahren beginnen und die Entwicklung und die Politik genau verfolgen, wird es durchschaubar. Es gipfelte in Hartz IV und in sog. prekärer Arbeit. Die Arbeitsverhältnisse wurden flexibel und unsicherer. Der Kündigungsschutz wurde gelockert. Das hat Folgen für das Einkommen, die Sicherheit des Arbeitsplatzes und die Gestaltung der Arbeitszeit.


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